Daniel Schwerd zum millionenfachen Grundrechtsbruch von „Eikonal”

Donnerstag, 04. Dezember 2014

 

Top 4. Der Landtag Nordrhein-Westfalen verurteilt den millionenfachen Grundrechtsbruch durch „Eikonal”!

Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7151
Direkte Abstimmung
Mdl Daniel Schwerd/Foto A.KnipschildUnser Redner: Daniel Schwerd
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
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Protokoll der Rede von Daniel Schwerd

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Aus der deutschen Geschichte, vor allem aus der NS-Zeit, haben wir das Bewusstsein gewonnen, dass Rechtsstaatlichkeit ein hoher Wert ist. Sie zu verteidigen, ist uns von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes zu einer Verpflichtung erhoben worden.

So erklärte einmal Konrad Adenauer:

„Demokratie ist mehr als eine parlamentarische Regierungsform, sie ist eine Weltanschauung, die wurzelt in der Auffassung von der Würde, dem Werte und den unveräußerlichen Rechten eines jeden einzelnen Menschen.“ Es ist nicht bekannt, ob Adenauer dies an einem Sonntag sagte. Bekannt hingegen ist, was er veranlasste, als sein Innenminister Hermann Höcherl einst verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte mit den Füßen trat. Dieser erlaubte dem Verfassungsschutz, von alliierten Nachrichtendiensten gesetzwidrig abgehörte Telefongespräche und ausgespähte Briefe der Bürger auszuwerten Bürgerrechte, die laut Art. 10 des Grundgesetzes unverletzlich sind.

Die Antwort: Er veranlasste nichts, selbst als jener Innenminister über den bekannt gewordenen Grundrechtsverstoß spottete und dazu nur hämisch anmerkte ich zitiere : „Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“ Daraufhin geschah wiederum nichts. Entfernte der Bundeskanzler einen solchen Menschen aus einem Amt? Nein. Er stellte sich hinter ihn, und der Bürger rieb sich den Augen. Eine bittere Lektion, so den Unterschied zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit zu enthüllen!

Seitdem sind mehr als 50 Jahre vergangen. Die Welt hat sich verändert. Die Mauer ist passé. Der Unrechtsstaat der DDR ist vergangen, und sogar Gregor Gysi erklärte aus den Erfahrungen im anderen Teil Deutschlands: Rechtssicherheit ist beste Staatssicherheit.

Gleichwohl haben sich zwischen 2004 und 2008 die Dinge wiederholt. Diesmal stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Bundesnachrichtendienst grundgesetzlich geschützte Informationen an den amerikanischen Geheimdienst NSA weitergab. Dies geschah vom deutschen Internetknotenpunkt DE-CIX aus und hätte, wenn überhaupt, nur in sehr wenigen begründeten Einzelfällen und mit Richtervorbehalt geschehen dürfen. Das wusste der BND sehr genau; denn zumindest versuchte er erfolglos , aus den weitergeleiteten Daten und Inhalten diejenigen deutscher Besitzer auszufiltern. Die Beamten hatten also ihr Grundgesetz unter dem Arm, aber nicht die Politik.

Was geschah aber, als feststand, dass der angestrebte Filter nicht hinreichend funktionierte und innerhalb des BND ernste verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden? Man setzte die Praxis des systematischen Verfassungsbruchs ungerührt weiter fort. Und damit noch nicht genug: Den politisch Verantwortlichen war sehr wohl bewusst, dass es den US-Amerikanern nicht um die Abwehr einer konkreten Terrorgefahr ging. Vielmehr geht aus den mittlerweile enthüllten Unterlagen hervor, dass das Interesse der USA an Wirtschaftsspionage an vorderster Stelle stand.

So rufen wir Piraten hier mit dem vorliegenden Antrag dazu auf, aus der massiven Grundrechtsverletztes dieses Mal Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Weder gibt es einen Grund, die Wahrung unserer verfassungsmäßigen Grundrechte einer wie auch immer gearteten Staatsräson zu unterziehen der Preis dafür wäre nämlich, die Glaubwürdigkeit unseres Staatswesens zu unterminieren , noch kann eine wie immer begründete vage Bedrohungslage die Preisgabe von zentralen Verfassungsrechten rechtfertigen.

Kant drückte das so aus: Der Sinnspruch des Notrechtes heißt zwar „Not kennt kein Gebot“, doch es kann keine Not geben, die aus Unrecht Recht macht. Wenn Sie anderer Meinung sind, sollten Sie sich schleunigst eine Antwort auf die Frage einfallen lassen, wie oft den Bürgern dieses Landes diese bittere Lektion denn noch zugemutet werden soll. In Sonntagsreden werden Verfassungsstaat und Rechtsstaatlichkeit beschworen. Im politischen Alltag soll es aber zu einer Binsenweisheit werden, dass zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit Welten liegen?

Auch die Bundesregierung hat inzwischen erkannt, wie weit die Angelegenheit greift. Doch welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Sie sanktionierte das Bekanntwerden weiterer Details auf das Schärfste und klassifizierte die Vernehmung eines hochrangigen BND-Mitarbeiters mit der höchsten denkbaren Geheimhaltungsstufe, die da heißt: Die Weitergabe von Kenntnissen würde den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden.

In der Tat haben wir es mit einem derartig ernsthaften Fall des Versagens staatlicher Vertreter zu tun, dass man von drohender Kernschmelze staatlicher Integrität sprechen kann. Den Bezug zu Nordrhein-Westfalen haben wir in unserem Antrag ganz klar dargestellt. Mit diesem Antrag haben Sie die Gelegenheit, sich verantwortlich dazu zu positionieren. Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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