Joachim Paul über den Nachtrag des Haushaltsplans 2014

Mittwoch, 10. September 2014

Top 1. Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Nachtragshaushaltsgesetz 2014)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6700

in Verbindung damit

Gesetz zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6688

in Verbindung damit

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6500

und

Ergänzung Drucksache 16/6710

und

Finanzplanung 2014 bis 2018 mit Finanzbericht 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/6501

in Verbindung damit

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2015 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2015 – GFG 2015)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6502

Unser Redner: Joachim Paul

Abstimmungsempfehlungen: Ausschussüberweisung

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Protokoll der Rede von Joachim Paul

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen.  Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und zu Hause! Wir haben gerade viel über Zahlen und die Versäumnisse der Landesregierung gehört. Vielen Kritikpunkten stimmen wir uneingeschränkt zu.

Das Gesetz zur Besoldung der Beamten hätte geräuschlos über die Bühne gehen können, wenn man die Beamten ernst genommen hätte.

(Beifall von den PIRATEN)

Hier mit dem Effizienzteam zu strunzen ist im Grunde ein Ding! Alle Oppositionsfraktionen haben die intransparenten Runden mehrfach zu Recht kritisiert. Es bleibt immer noch die Frage, warum die regierungstragenden Fraktionen dort teilhaben, die Opposition aber nicht. Informationen über den Beratungsstand? Fehlanzeige! Herr Laschet sagt ganz richtig: Das ist ein Haushalt der Resignation und nicht der Inspiration! Wir stellen Forderungen auf, weil wir nicht um jeden Preis sparen wollen. Wir wollen sinnvolle Investitionen. Ja, wir müssen über eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs reden, aber wir müssen auch über Prioritäten im Haushalt von Nordrhein-Westfalen reden. Wir sagen: Bildung! Bildung! Bildung!

(Beifall von den PIRATEN)

Daneben  das wurde gerade auch schon mehrfach angesprochen  müssen wir über die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen sprechen. Auch hier ist Sparen der grundfalsche Weg. Unser Finanzminister und auch Herr Römer führten gerade aus, dass in den Ausbau des Ganztags investiert werde. Man muss doch aber einmal genau nachfragen, wie es mit dem Personal im offenen Ganztag eigentlich aussieht. Die Zuweisungen durch die Landesregierung haben sich in den letzten Jahren nicht erhöht. Die schlechte Bezahlung führt inzwischen dazu, dass dort immer weniger wirklich qualifiziertes Personal zu finden ist. Dadurch wird auf Dauer die Qualität nicht aufrechterhalten werden können. Auch in diesem Zusammenhang fehlt es an notwendigen Investitionen, wenn man kein Kind zurücklassen will.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich darf ein wenig grundsätzlicher werden: Haushalten ist im Grunde ein anderes Wort für Zukunft sichern bzw. Zukunft möglich machen.  Betrachten wir das Haushalten in Nordrhein-Westfalen, können wir nur sagen: Eine Zukunft, die diesen Namen auch verdient, wird hier nicht stattfinden.

(Beifall von den PIRATEN)

So wie die Politik derzeit in unserem Land funktioniert, brauchen wir noch nicht einmal eine Schuldenbremse, um jedwede Innovation im Keim zu ersticken. Die Politik muss einfach nur weitermachen wie bisher. Dann sagen uns auch weiterhin Lobbyisten, wohin das staatliche Geld gepumpt werden soll. Dann zerbröckelt die Infrastruktur weiterhin, weil niemand über eine Legislaturperiode hinauszudenken wagt. Dann werden neue Infrastrukturmaßnahmen wortreich propagiert und anschließend ignoriert. Dann wird versucht, an dem festzuhalten, was man hat, Hauptsache nichts ändern, einfach weiter so. Dann will man sich unangreifbar machen. Das nennt man „Verwaltung des Mangels“.

Es stellt aber keinen eigenen Wert dar, unangreifbar zu sein. Es bringt das Land nicht weiter, die Menschen nicht, die Gesellschaft nicht, die Wirtschaft auch nicht. Zuletzt hilft es nicht einmal den Akteuren. Nicht zu handeln, wird irgendwann zum Bumerang. Immer! Das wird Sie als Regierung treffen.

Wer handelt und etwas ändern möchte, macht sich angreifbar. Natürlich! Wenn ein „Weiter so!“ in den Abgrund führt, weil niemand das Steuer ergreift, um auch einmal lieb gewonnene Subventionen gegen wirklich wichtige Investitionen zu tauschen, dann muss gehandelt werden. Dann muss man sich angreifbar machen und den Mut haben, etwas zu ändern  in der Haushaltspolitik, im Land, im politischen Alltag sowie an den eingeschliffenen Selbstverständlichkeiten, die dazu führen, dass das Geld des Landes an den Stellen festgehalten wird, an denen es den Verfall nur übertüncht. Sie müssen in diesem Land endlich handeln. Sie müssen endlich für das Land Nordrhein-Westfalen Entscheidungen treffen, die den Menschen helfen.

Ganz im Ernst: Sie wissen doch, dass es so nicht weitergehen kann! Sie hangeln sich bewusst nur von einer Legislaturperiode zur nächsten. Das ist die Politik, wie sie hier in Nordrhein-Westfalen betrieben wird: Versprechungen machen, sich nett inszenieren, aber eine gesamte Legislaturperiode ohne Ideen, ohne Erneuerungen, ohne Innovationen, ohne echte Verbesserungen für das Land. So sieht die Regierungszeit von Rot-Grün aus Schauen wir uns die heutige Verkehrsinfrastruktur an, die langsam, aber sicher vor die Hunde geht. Inzwischen weiß jeder, dass in Deutschland jedes Jahr 7,2 Milliarden € zusätzliche Mittel fehlen, um wenigstens die bestehenden Sanierungsrückstände zu beheben. Nach dem Königsteiner Schlüssel entfallen davon auf Nordrhein-Westfalen gut 1,5 Milliarden €.

Wir wissen, dass uns die Große Koalition in Berlin mit 5 Milliarden €, über vier Jahre verteilt, beglücken will. Doch stopp: Was wissen wir wirklich? Wir wissen, dass von 5 Milliarden € im Koalitionsvertrag die Rede ist. Wir wissen, dass Minister Dobrindt so tut, als ob es sich dabei um sein persönliches Geschenk an die Republik handelt. Wir wissen, dass dieses Geld für alle Verkehrsträger verwendet werden soll, und wir wissen neuerdings, dass aus 5 Milliarden € zusätzlicher Mittel schnell 1,7 Milliarden € zusätzliches Defizit werden können.

Die Große Koalition spendiert uns 5 Milliarden € in vier Jahren, also 1,25 Milliarden € pro Jahr. Von diesem Geld müssen aber ungefähr 1,5 Milliarden € für laufende Projekt abgezogen werden. Sie stehen also gar nicht zur Verfügung. Es bleiben 3,5 Milliarden € in vier Jahren bzw. 0,875 Milliarden € pro Jahr. Dummerweise werden wir aber sehr wahrscheinlich 1,3 Milliarden € weniger Lkw-Maut-Einnahmen pro Jahr haben, als gedacht und kalkuliert. Das sind 5,2 Milliarden € in vier Jahren, die an Einnahmen fehlen, also aus anderen Töpfen kommen müssten, die es aber nicht gibt. Also müssen wir diese Mindereinnahmen von den Mehreinnahmen abziehen. Das heißt, dass von den 3,5 Milliarden € 5,2 Milliarden € abgezogen werden müssen. Das bedeutet, dass wir nicht 5 Milliarden € zusätzlich, sondern 1,7 Milliarden € weniger für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung haben. Damit lassen sich jede Menge Löcher stopfen  mit heißer Luft.

Was aber wissen wir wirklich? Wir wissen, dass jeden Tag gesellschaftliches Vermögen vernichtet wird, weil nicht genügend Geld zur Verfügung steht, die öffentliche Infrastruktur zu pflegen. Jeden Tag lösen sich 17 Millionen € gewissermaßen in heiße Luft auf, weil die Verkehrsinfrastruktur nicht einmal instandgehalten wird. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern die Zahlen der Daehre-Kommission.

Die Städte in Nordrhein-Westfalen schlagen Alarm, sie fordern ein Sofortprogramm. Der Bielefelder Oberbürgermeister rechnet vor, dass er jeden Tag öffentliche Mittel in unsinniger Weise verwenden muss, weil er sie nicht sinnvoll verwenden darf. Statt die Straßen nachhaltig zu sanieren, muss er sie fortwährend notreparieren. So gibt er letztlich mehr Geld aus, als er es bei vernünftiger Bewirtschaftung tun würde. Es wird Sie interessieren, Herr Walter-Borjans, dass der Kölner Oberbürgermeister ganz klar sagt: Mir sind sinnvolle Investitionen in die öffentliche Infrastruktur lieber als eine schwarze Haushalts-Null. Die Piraten sind hier ohne Abstriche auf der Seite der Städte.

(Beifall von den PIRATEN)

Es kann doch nicht ernsthaft politisch gewollt sein, den gesellschaftlichen Reichtum  unseren Reichtum  auf dem Altar der schwarzen Null zu opfern.

Ja, es ist immer sinnvoll und richtig, öffentliche Ausgaben sehr kritisch zu prüfen. Jeder Euro, der von der öffentlichen Hand ausgegeben wird, stammt ursprünglich von den Menschen in diesem Land, von deren Produktivität. Deshalb ist es eine Selbstverständlichkeit, dass über seine Verwendung genau und transparent  jaja, wir stehen immer noch dazu  Rechenschaft abgegeben werden muss. Das kann und darf aber nicht mit der Forderung gleichgesetzt werden, überhaupt kein Geld mehr ausgeben zu dürfen. Geld, das in die Zukunft dieses Landes investiert wird, ist gut investiertes Geld, weil wir so unseren Kindern ein funktionierendes Land hinterlassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Der geschätzte Herr Verkehrsminister Groschek hat sich kürzlich ganz weit aus dem Fenster gelehnt. Er hat bei dem ganzen Getöse um die Ausländermaut und die Antwort Schäubles dazu gemutmaßt, dass es nicht um Fragen der konkreten Gestaltung geht, sondern um die langfristige Privatisierung der Verkehrsinfrastruktur. Er geht sogar so weit, zu mutmaßen, dass schon Pläne zur Bewirtschaftung der großen Verkehrswege in der Schublade liegen. Herr Minister Groschek, Sie haben sich zuletzt mit Herrn Minister Dobrindt bei Leverkusen unter einer bröckelnden Brücke getroffen. Vielleicht können Sie bei Gelegenheit ein wenig Licht in das Dunkel bringen. Einmal im Ernst: Wie sehen denn die Rahmenbedingungen für Investitionen überhaupt aus?

Erstens. Es gibt eine historische Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Okay, es sind 0,05 %.

Zweitens. Es gibt eine fortschreitende Vermögenskonzentration in den Händen einiger weniger.

Drittens. Bürgerinnen und Bürger bekommen für sichere Anlagen keine Zinsen.

Viertens. Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen ausgebluteten öffentlichen Haushalt, dem die Möglichkeit genommen ist, gesellschaftlich sinnvolle Investitionen zu tätigen.

Fünftens. Es gibt eine wachsende Unterfinanzierung der öffentlichen Infrastruktur auf allen Ebenen.

Sechstens. Es gibt einen wachsenden Druck, mit privatem Kapital Abhilfe zu schaffen.

Es gibt allen Grund, die Richtigkeit der ministeriellen Annahme zu befürchten. Wir befinden uns auf dem direkten Weg der Preisgabe gesellschaftlichen Reichtums. Wir sind schon jetzt fast bei dem irgendwann unvermeidlichen Sachzwang. Der Druck, aktiv zu werden und die schuldhaft kaputtgefahrenen öffentlichen Infrastrukturen instand zu setzen, zwingt die Landesregierung in wahrscheinlich gar nicht so ferner Zukunft, den Privaten, die es ja sowieso viel besser können, das Heft in die Hand zu geben. Diese gar nicht so ferne Zukunft könnte mit der Vollziehung der Schuldenbremse Wirklichkeit werden.

Die Piratenpartei hat auf ihrem letzten Landesparteitag in Kleve  hier in Nordrhein-Westfalen  ein Meinungsbild eingeholt, das Folgendes aussagt: Wir fordern, dass die sogenannte Schuldenbremse  der Artikel 115 des Grundgesetzes  einer gesamt- und volkswirtschaftlichen sowie fiskalischen Neubetrachtung  unter Berücksichtigung der Anforderungen unserer Zeit an die gesellschaftliche Teilnahme der Einwohner und die Zukunftsfähigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen  unterzogen wird. Die Finanzierung der Bildung  dabei handelt es sich um einen eigenen Antrag  muss unabhängig von Bestrebungen zur Einhaltung der Schuldenbremse bessergestellt werden. Wir setzen uns auf Landes- und Bundesebene dafür ein, Bildung zu den Ausnahmen in Artikel 115 Grundgesetz hinzuzufügen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Bildungsausgaben in Deutschland sind immer noch viel zu gering. Deshalb muss das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern endlich komplett fallen, sodass die Ausgaben für Bildung deutlich erhöht werden können.

Jedes Jahr aufs Neue müssen wir festhalten, dass insbesondere die Hochschulen chronisch unterfinanziert sind. Wir werden auch nicht müde, zu betonen, dass die Landesrektorenkonferenz das aktuelle Unterfinanzierungsvolumen auf 800 Millionen € beziffert. Aber gewiss: Im Bereich der Hochschulen wird viel Geld in die Hand genommen. Dabei handelt es sich aber  das ist ein grundsätzliches Problem  um riesige Projektgelder zum Beispiel für Hochschulpakte, die immer nur eine Kofinanzierung im Rahmen von Bund-Länder-Programmen darstellen. Uns fehlt hier der eigene Ansatz dieser Landesregierung.

(Beifall von den PIRATEN)

Es ist auch sonnenklar. Wer an Bildung spart, versündigt sich an den nachfolgenden Generationen. Aber genau das wird getan. Sie haben immer noch kein schlüssiges Konzept zur Garantie von Masterstudienplätzen. Viele junge Menschen und auch die Wirtschaft fordern den Master als Studienabschluss für alle, die das wollen. Sie doktern jetzt seit 15 Jahren  ich weiß, da ist Schwarz-Gelb mit gemeint  herum und lassen immer und immer wieder die derzeitig Studierenden spüren, dass Sie weder echte Konzepte noch eine schlüssige Vorstellung von der Informations- und Wissensgesellschaft haben. NRW mit seiner sehr, sehr dichten und weltweit einmaligen Hochschullandschaft braucht genau diese Masterplätze, um Führungskräfte an den Hochschulen zu „bilden“.

(Beifall von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Ich spreche bewusst von „bilden“ und nicht von „ausbilden“. Denn das Studium verkommt immer mehr zu einer akademischen Ausbildung, bei der die Studierenden in den Vorlesungen als Erstes nach der Prüfungsrelevanz und dem auswendig zu Lernenden fragen und nicht nach den Inhalten. Das kann nicht der Anspruch von Hochschule sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Gleiches gilt übrigens für den Faktor „gute Arbeit an den Hochschulen“. Im Hochschulgesetzverfahren haben wir gesehen, wie die Stimmung unter den Hochschulbelegschaften ist. Hochschulen als Arbeitgeber können weiterhin eine „Hire and Fire“-Mentalität verfolgen. Wie Hochschulleitungen denken, zeigt ein Zitat der Kanzler der Universitäten. Ich zitiere mit Erlaubnis:

„Die Finanzierung … ist ein Problem. Das muss man sagen. Gute Beschäftigungsverhältnisse kosten gutes Geld. Ein geringes Budget kann nicht allein der Grund dafür sein, Beschäftigungsqualitäten herabzusenken. Das Land, das gute Beschäftigungsverhältnisse haben will, muss dafür die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Sich um diese Konsequenz herumzudrücken, ist, mit Verlaub, unwahrhaftig, um es einmal so auszudrücken.“

Das ist eine ziemliche Dreistigkeit und untermauert unsere Position der Forderung nach Rückführung des Personals in den Landesdienst. Dies würde natürlich die Staatsquote der Landesbediensteten wieder erhöhen. Aber  das ist das Wichtigste  die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Hochschulen hätten wieder die Sicherheit und den Schutz des Landesdienstes.

Durch die fehlende Übernahme von Verantwortung der Hochschulleitungen für ihre Angestellten ist die Rückführung der Hochschulangestellten in den Landesdienst unabdingbar. Das ist leider politisch  und zwar ausschließlich politisch  nicht gewollt. Eine klare Begründung dafür steht bis heute aus. Sie wollen, dass Nordrhein-Westfalen das Mitbestimmungsland Nummer eins ist, blenden allerdings die Argumente der Personalräte an den Hochschulen völlig aus. Die benennen das Problem mit dem Hochschulpersonal nämlich wie folgt  Klaus Böhme von ver.di sagte in der Anhörung :

„Dennoch muss man konstatieren, dass bei einer Rückführung in den Landesdienst auf jeden Fall Möglichkeiten der Mobilität deutlich gesteigert würden, was durchaus ein attraktives Element darstellen kann. Es würde auf jeden Fall wesentlich besser als bisher eine Einheitlichkeit im Umgang mit den rechtlichen Gegebenheiten und Vorschriften für die Beschäftigungsverhältnisse, also für die Beschäftigungsbedingungen insgesamt, gewährleistet. Wir hätten sicherlich eindeutig weniger Bürokratie. Wir haben 30 Einigungsstellen, weil jede Hochschule ihre eigene Einigungsstelle bilden muss. Wir hätten mit Sicherheit dadurch Synergieeffekte.“ Das sind alles Argumente, die hier ausgeblendet werden. Das müsste im sogenannten Hochschulzukunftsgesetz geändert und dann natürlich im Haushalt 2015 mit Zahlen untermauert werden. Sie sprechen von der Verantwortung des Landes gegenüber den Hochschulen und ihren Mitarbeitern. Dann nehmen Sie diese bitte endlich wahr!

(Beifall von den PIRATEN)

Apropos „Verantwortung wahrnehmen“: Wir werden im Haushaltsverfahren konkreter darauf hinwirken, dass sich die Qualität der Lehre deutlich erhöht. Seit der Abschaffung der Studiengebühren sind die Kompensationszahlungen für die Sicherung der Qualität der Lehre nicht erhöht worden. Das ist aus unserer Sicht ein falsches Signal, weil bei steigenden Studierendenzahlen die Zuweisungen an die einzelnen Hochschulen sinken. Wir wollen den Betrag deutlich erhöhen. Bezahlen könnte man das aus den Einsparungen durch die Kostenübernahme des BAföG oder  und das wäre endlich nötig  durch den Wegfall des Kooperationsverbots auf Bundesebene.

Wir finden, dass die Landesregierung und hier vor allem die SPD den Druck in Berlin deutlich erhöhen sollten. Aber auch hier werden Sie Ihrem Anspruch wieder nicht gerecht. Bildungsgerechtigkeit ist kein Thema, das die SPD für sich proklamieren kann, heiße Luft.Dafür reist die Ministerin lieber durchs Land und zeichnet Orte der Innovation aus. Das ist keine Forschungspolitik, die uns weiterbringt bei  das sei hier betont  allem Respekt vor den Leistungen der ausgezeichneten Einrichtungen. Bildung kostet Geld. Aber dieses Geld spart die Kosten in der Zukunft ein. Jeder jetzt investierte Euro kommt zigfach nachhaltig zurück und entlastet die Sozialetats. Sie wissen das auch. Deshalb fordern wir Sie auf, die Ausnahmetatbestände bei der Einhaltung der Schuldenbremse im Grundgesetz um Bildungsausgaben zu erweitern bzw. sich dafür im Bundesrat einzusetzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir können nicht die Substanz für die nachkommenden Generationen verfrühstücken, nur um näher an die schwarze Null zu kommen. Denn  das ist genau der Irrsinn dieser Argumentation  fehlende Bildung ist die eigentliche Hypothek für zukünftige Generationen und eben nicht die angeblich so hohen Zinsbelastungen.

Ihr Haushalt funktioniert eigentlich ganz einfach. Sämtliche Ausgabenpositionen werden unverändert fortgeschrieben. Sämtliche Einnahmepositionen bleiben wie sie sind, mit ein bisschen Glück. Der notwendig resultierende Fehlbetrag wird dann laut beklagt mit wechselnden Überschriften, momentan gerne mit diesen: Nordrhein-Westfalen wird benachteiligt sowohl bei der Verkehrsinfrastruktur, wo Nordrhein-Westfalen in fast gleicher Höhe zu kurz kommt, als auch bei den Bildungstiteln, wo deutlich weniger aus Berlin nach Düsseldorf überwiesen wird als eigentlich angemessen. Ich sagte es vorhin schon: „Wir lassen kein Kind zurück. Wir investieren in Kinder und Bildung.“ Das haben Sie sich in die Präambel Ihres Koalitionsvertrags geschrieben.

Ja, die Schülerzahlen sinken. Frau Ministerin Löhrmann, Sie sprachen in der Vergangenheit von der sogenannten Demografierendite. Wir stellen uns die Frage, ob es bei dieser Aussage bleibt, dass diese Rendite im Schulsystem verbleibt. Darüber hinaus haben die Schulen ein deutliches Mehr an Aufgaben bekommen, als prominentestes Beispiel die viel diskutierte Inklusion.

Sie stehen weiteren Herausforderungen gegenüber. So war diese Woche anlässlich der Veröffentlichung des OECD-Berichts „Bildung auf einen Blick“ Folgendes zu hören: Gerade für Schüler aus sozial schwachen Familien bleibt das Versprechen „Aufstieg durch Bildung“ häufig in weiter Ferne, so Heino von Meyer, der Leiter der deutschen OECD-Niederlassung in Berlin. Der Bericht zeigt auch: Je jünger die Deutschen sind, desto größer ist die Gefahr, dass sie den Bildungsabschluss ihrer Eltern nicht mehr erreichen. Die sogenannte Abwärtsmobilität nimmt zu. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung  nicht nur für das soziale Gefüge in unserem Land, sondern auch für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft. Man möge mir verzeihen, dass ich mich in diesem Zusammenhang einmal der Lindner’schen Monopoly-Rhetorik bediene: Das ist eine echte Ereigniskarte, und das hat nichts zu tun mit „Wünsch dir was“, wovon Herr Priggen vorhin gesprochen hat.

Wir müssen an der Stelle investieren. Man könnte auch sagen, der Bildungszustand bzw. der Zustand der Bildungsprozesse in Nordrhein-Westfalen und im gesamten Bundesgebiet entspricht zurzeit einer Katastrophensituation, und diese ist als Ausnahme in § 115 Grundgesetz geregelt. Mit Zukunft und Entwicklung haben die Themen zu tun, für die wir uns zurzeit in der Schulpolitik besonders einsetzen wollen: die Digitalisierung und das Anbieten von digitalen Lernmitteln. Unsere Vorstellungen hierzu sind in zwei Grundsätzen begründet. Erstens. Freier Zugang zu Wissen und Information. Zweitens. Medienkompetenzerwerb durch Praxis. Deshalb setzen wir uns für Lernmittel unter freier Lizenz sowie für IT-Ausstattungen für die Schülerinnen und Schüler ein. Da wir uns selbst hierzu schon vielfältig geäußert haben, möchte ich heute einmal andere Stimmen zu Gehör bringen. Aus dem sechsten Zwischenbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Internet und digitale Gesellschaft“ zum Themenbereich „Bildung und Forschung“  Zitat :

„Mit der Darlegung unterschiedlicher Zielsetzungen einer schulischen Medienbildung wird deutlich, dass sich die Frage der Medienbildung nicht auf Ausstattungsoffensiven reduzieren lässt. Nichtsdestotrotz muss die Ausstattung an den Schulen und die Sicherstellung eines entsprechenden Supports als notwendige Bedingung betrachtet werden. Die Finanzierung des Ausbaus und der Aktualisierung der IuK-Ausstattung … muss deshalb gesichert werden.“ Weiter heißt es in diesem Bericht: „Die Enquete-Kommission empfiehlt, alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II mit mobilen Computern auszustatten und dies mit entsprechenden pädagogischen Konzepten und Qualifizierungsmaßnahmen zu begleiten.“ Zitat Ende aus dem Enquetebericht. Zur Erinnerung möchte ich nun etwas aus dem Wahlkampf berichten, und zwar geht es um eine Antwort der SPD auf Wahlprüfsteine der Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ zur Bundestagswahl 2014.

„In der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat sich die SPD-Bundestagsfraktion für die Förderung von Open Educational Resources, also der Herstellung, Verbreitung und Nutzung frei zugänglicher sowie offen weiterentwickelbarer Bildungs- und Studienmaterialien … eingesetzt.“  Herzlichen Dank dafür! Nun habe ich noch ein Zitat der anderen hiesigen Regierungsfraktion, denn Gerechtigkeit muss sein. Antwort von Bündnis 90/Die Grünen auf den Wahlprüfstein von Wikimedia Deutschland zu Open Educational Resources:

„Bündnis 90/Die Grünen wollen die Digitalisierung im Bildungsbereich unterstützen, um den Zugang zu Wissen zu fördern. Lehr- und Lernmaterial soll unter freien Lizenzen bereitgestellt werden, um Wissensmonopole aufzubrechen und die vielfältige Nutzbarkeit entsprechender Inhalte zu unterstützen. Maßgabe sollten die Standards zu Open Educational Resources sein.“ Dem stimmen wir zu. Besser hätten wir das selber kaum ausdrücken können.

(Beifall von den PIRATEN)

Noch ein bemerkenswertes Zeugnis aus dem Koalitionsvertrag für den Bund 2013:

„Die digitale Lehrmittelfreiheit muss gemeinsam mit den Ländern gestärkt werden. Grundlage hierfür ist ein bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik. Schulbücher und Lehrmaterial, auch an Hochschulen, sollen, soweit möglich, frei zugänglich sein, die Verwendung freier Lizenzen und Formate ausgebaut werden.“ Wenn man das liest, könnte man meinen, es sei alles klar und es könne losgehen. Dem ist aber bislang nicht so. Deshalb ist die Einschätzung von Nico Lumma, Mitglied im Gesprächskreis Netzpolitik des SPD-Parteivorstandes, in einem Beitrag im „Handelsblatt“ am 12. August dieses Jahres treffend  Zitat :

„Es ist geradezu lächerlich, dass immer noch nicht jedes Kind ein Tablet zur Verfügung gestellt bekommt. Anstatt langfristig zu denken und frei verfügbare digitale Lehrmittel zu entwickeln und zu nutzen  Open Educational Resources (OER) lautet das Stichwort , wird immer noch das Oligopol der Schulbuchverlage aus den klammen Haushalten der Kommunen finanziert.“

Liebe Leute, Polen macht das inzwischen anders.

(Beifall von den PIRATEN)

Um einen Beitrag dazu zu leisten, diesen Missstand zu beheben, wird die Piratenfraktion im Haushaltsverfahren einen durchgerechneten Vorschlag machen, wie mit der Einführung von Schulbüchern unter freier Lizenz die Kommunen in die Lage versetzt werden, eine zeitgemäße IT-Ausstattung für den Unterricht an den Schulen zu finanzieren. Denn gegenwärtig wird viel in Papier investiert und zu wenig in Zukunft. Und Bildung ist das Kapital der Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich kann es mir jetzt wirklich nicht verkneifen, zum Schluss noch zwei Bemerkungen zur Digitalen Agenda der Bundesregierung zu machen, weil davon auszugehen ist, dass es die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land auch in mehr oder weniger intensiver Form betreffen wird. Erstens. Hätte man 2013 unserem Masterplan bzw. dem Antrag zum Thema „Breitbandausbau“ Folge geleistet, dann wäre Nordrhein-Westfalen heute schon ein Jahr weiter, als mit dem, was in der Digitalen Agenda steht. Dann wäre es vielleicht auch möglich gewesen, Frau Kraft in Brandenburg zu erreichen. Denn die Funklöcher sind schon zwischen Dortmund und Bielefeld.

(Beifall von den PIRATEN)

Zweitens. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen. Ich möchte das mit Ihnen teilen, weil ich nichts zu dieser Entwicklung in der Digitalen Agenda gefunden habe. In der Rechner-Cloud des Produktvertreibers Amazon befindet sich ein Algorithmus, sprich ein Bot, der weltweit dafür sorgt, dass Bücherangebote von Amazon nicht unterboten werden können. Überlegen Sie sich bitte, was das volkswirtschaftlich bedeutet? Das muss eigentlich in die Digitale Agenda aufgenommen werden. Das sind ungelöste Hausaufgaben in diesem Papier, und dazu kann man nur sagen: Setzen, sechs und neu schreiben. Ist das eine Agenda, oder kann das weg?  Das kann weg, meine Damen und Herren!  Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul.  Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerpräsidentin Kraft das Wort.

 

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