Torsten Sommer zur Vertrauenskrise zwischen Innenminister Jäger und der Polizei NRW

Donnerstag, 3. Juli 2014

 

Top 2. A k t u e l l e S t u n d e

Schwere Vertrauenskrise zwischen regierungstragenden Fraktionen und Innenminister Jäger belastet die Polizei in Nordrhein-Westfalen
auf Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6190

in Verbindung damit

Betreibt das Ministerium des Inneren NRW gezielt Desinformation um Demokraten zu verunglimpfen?
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6120
Unser Redner: Torsten Sommer
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

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Videomitschnitt der Rede von Torsten Sommer (folgt)

 

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Videomitschnitt der kompletten Debatte

Protokoll der 1. Reden von Torsten Sommer

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kruse.  Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Abgeordneter Sommer.

(Unruhe  Zurufe von der SPD  Gegenrufe von der CDU  Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist unerhört!)

Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Nach diesen absolut unsachlichen Einlassungen

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

möchte ich gerne ein paar Dinge zu dem Bericht sagen, den uns der Innenminister im Innenausschuss vorgelegt hat. Der Bericht wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. In dem Bericht finden sich diverse Verharmlosungen durch die Gleichstellung von Tätern und Opfern. An mehreren Stellen wird bewusst falsch informiert oder ein falscher Anschein erweckt. Es wird versucht, engagierte Demokraten zu verunglimpfen, und rechten Gewalttätern wird mehr Glauben geschenkt als der Zivilgesellschaft.

(Beifall von den PIRATEN)

Das fehlerhafte Vorgehen und der Einsatz des Staatsschutzes werden bagatellisiert. Man vertraut auf die Einschätzung einer Rechtsdezernentin, die offensichtlich über die Lage in Dortmund keine Kenntnis hatte  übrigens eine CDU-Rechtsdezernentin.

(Daniel Sieveke [CDU]: Was soll der Quatsch denn jetzt hier?  Zurufe von der SPD: Oho! Hört, hört!)

Ja, wenn man das Fass aufmacht, muss man auch daraus trinken.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Im Detail: Am 25. Mai 2014 um 22:10 Uhr wird das Rathaus in Dortmund von rechten Gewalttätern überfallen  nicht von irgendwelchen politischen Kräften, sondern von rechten Gewalttätern, stadtbekannt, verurteilt. Rund zwei Dutzend gewalttätige Menschen prügeln auf eine Menschenkette ein, die sich vor dem Rathaus gebildet hat. Vonseiten der Angreifer wird unter anderem auch Reizgas eingesetzt. Kein Mensch hat das Recht, auf einen anderen Menschen einzuprügeln, weil dieser vor einer Tür steht.

Wenige Minuten nach den ersten Attacken trifft die Polizei ein. Das ist positiv hervorzuheben. Negativ hervorzuheben ist, dass es leider nur acht Einsatzkräfte waren. Das ist an dieser Stelle zu wenig. Diese acht Einsatzkräfte drängen die Nazis  gut zu erkennen übrigens an uniformen T-Shirts mit der Aufschrift „NWDO“, einer als verfassungsfeindlich eingestuften und damit verbotenen Organisation  zurück.

Diese Polizisten stehen übrigens mit dem Rücken zur Menschenkette, mit Schlagstock und Pfefferspray in Richtung der rechten Angreifer. Warum mit dem Rücken zu der Menschenkette?  Weil sie von da überhaupt keine Gewalt erwarten, und weil von da aus auch überhaupt keine Gewalt kommt. Gewalt kommt ausschließlich von den Nazis, von den rechten Gewalttätern, die auf die Menschen vor dem Rathaus eindringen.

(Beifall von den PIRATEN  Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt schaffen es diese acht Polizeibeamten unter Einsatz ihrer eigenen körperlichen Unversehrtheit, diese Nazis zurückzudrängen. Trotzdem versuchen die Nazis weiterhin, auf die Menschen vor dem Rathaus einzuprügeln. Mit weiteren Kräften gelingt es dann der Polizei, die Nazis so weit zurückzudrängen, dass diese Angriffe nicht mehr möglich sind, die fast durchgängig vom Skandieren ausländer- und verfassungsfeindlicher Parolen begleitet werden.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Bitte?

(Zurufe von der SPD  Gegenrufe von der CDU)

Nachdem die rechten Gewalttäter erfolgreich durch die Polizei zurückgedrängt worden sind, versuchen diese, die erste Strophe des Deutschlandliedes zu grölen, und zwar als Gruppe. Nach einigem Hin und Her gelingt es der Polizei schließlich, die Nazis vom Friedensplatz zu geleiten  ein Platz, der an jenem Abend seinem Namen wirklich keine Ehre gemacht hat.

Im Laufe des Angriffs der Nazis auf die Menschen vor dem Rathaus werden insgesamt zehn Personen verletzt, unter anderem auch unsere Kollegin Daniela Schneckenburger sowie weitere Kommunalpolitiker, übrigens auch von meiner Partei. Jetzt komme ich zur Darstellung im Bericht des Innenministers. Auf Seite 3 oben heißt es, dass sich unter anderem auf Aussagen der rechten Gewalttäter verlassen wird.  Da stellt man sich schon die Frage, wie der eigentlich erfahrene Staatsschutz in Dortmund auch nur auf die Idee kommt, den Aussagen dieser Gewalttäter Glauben zu schenken.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN  Vereinzelt Beifall von der SPD)

Um 21 Uhr am Wahlabend schaut der Staatsschutz dann bei den stadtbekannten Nazis in Dorstfeld vorbei und wird von denen ebenfalls erkannt. Wahrscheinlich erkennen die Nazis auch, dass die Beamten des Staatsschutzes kurz darauf wieder abrücken. Das steht auch im Bericht. Um 21:16 Uhr kursiert dann auf Twitter  laut Bericht von den Nazis gestreut  ein Bild mit der Aufschrift „Mit einem Schlag ins Rathaus“. Hieraus leitet der Staatsschutz keinen Handlungsbedarf ab. Das ist eine krasse Fehleinschätzung. Sie kann den Beamten passieren, darf aber nicht. Wenn aber diese Fehleinschätzung passiert, gehört sie genau so und deutlich benannt in diesen Bericht.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Danach bewegen sich die Beamten des Staatsschutzes zum Rathaus, stellen da keinen Handlungsbedarf fest. Um kurz nach zehn verlassen sie das Geschehen am Rathaus. Auch eine Fehleinschätzung. Weiter im Bericht: Laut Bericht befanden sich unter den Personen in der Menschenkette 20 vermummte Personen der Antifa. Vermummt, aber eindeutig zuzuordnen  spannend!

Aus meinen Erfahrungen  ich war am Wahlabend ab etwa 22:40 Uhr an der Stelle  und nach Durchsicht aller vorliegenden Videobilder komme ich auf maximal fünf vermummte Personen. Dass sich die Polizei hier so verzählt, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Warum steht das da drin? Das will ja irgendetwas bedingen.

Dass übrigens Menschen, die von den Nazis mit Reizgas angegriffen werden, sich Mund und Nase vermummen oder bedecken, kann ich durchaus nachvollziehen. Dass Menschen, die von den Nazis in Dortmund angegriffen werden, sich unkenntlich machen, kann ich übrigens auch verstehen. Dass normale Politiker wie Birgit Rydlewski oder Ullrich Sierau von der Hetze der Nazis in Dortmund beständig betroffen sind und dass vor ihrer Haustür zu Weihnachten demonstriert wird, gehört anscheinend zum Berufsrisiko. Normale Menschen müssen sich dieser Hetze aber nicht aussetzen.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Daher kann ich jede Vermummung verstehen. Weiter geht es mit verharmlosenden Ausdrücken. Zitat: „In dem Tumult wurden nach Angaben der Einsatzkräfte Flaschen geworfen[…] sowie geschlagen.“ Flaschen flogen ausschließlich von Nazis in Richtung der Menschen vor dem Rathaus, nicht umgekehrt. Die Aggression ging grundsätzlich und ausschließlich vonseiten der rechten Gewalttäter aus. Eine weitere Verharmlosung der Darstellung.

Nächstes Zitat: „[…] die aggressiven Parteien voneinander trennen.“ „Aggressive Parteien“  wie unsere genannte Kollegin Daniela Schneckenburger, die hier beständig durch gewalttätige Aggressionen auffällt!

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Frau Schneckenburger stand mit dem Rücken zum Rathaus. Auf sie wurde von den rechten Gewalttätern eingeprügelt und sie wurde niedergeschlagen. Das sind keine aggressiven Parteien. Das ist eine Aggression einer Gruppe gegenüber Zivilcourage beweisenden Menschen.

(Anhaltender Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Wie eben schon vorgetragen und auch im Bericht genannt wurden zehn Menschen verletzt, übrigens ausschließlich Menschen, die sich aus der Gruppe derjenigen zusammensetzen, die vorher die Menschenkette gebildet haben. Von den Nazis sind keine Verletzungen bekannt. Wie auch? In die Richtung gingen keine Aggressionen. Weiter heißt es: „Um 22:20 Uhr wurde durch den DGL vor Ort […] der Einsatz von Pfefferspray durch Einsatzkräfte gemeldet.“ Hier wird gezielt die Information weggelassen, dass das Reizgas ausschließlich zur Abwehr der rechten Gewalttäter eingesetzt wurde. Desinformation durch Weglassen von Informationen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Sommer, ich muss darauf hinweisen, dass Sie Ihre Redezeit im Rahmen dieses Blocks überschritten haben. Sie haben hinterher noch einmal die Möglichkeit, auszuführen.

Torsten Sommer (PIRATEN): Kein Problem. Ich mache gleich weiter mit 22:21 Uhr. (Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank.  Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Lüders.

 


 

Protokoll der 2. Reden von Torsten Sommer

Vizepräsident Oliver Keymis: Kolleginnen und Kollegen, es spricht als nächster Redner Herr Kollege Sommer für die Piratenfraktion.

(Fortgesetzt Zurufe von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN  Unruhe  Glocke)

Herr Sommer, bitte schön.

Torsten Sommer (PIRATEN): Danke, Herr Präsident. Die Pause kommt mir ganz recht. Nach den Einlassungen von Herrn Dr. Orth, Vorsitzender im Rechtsausschuss dieses Landtages,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Darüber sollte man sich mal Gedanken machen!)

fällt es mir schwer, meine Rede zu halten.

(Zuruf von der CDU: Dann gehen Sie doch!)

Was das für eine Rechtsauffassung ist, verstehe ich wirklich nicht. Aber Sie haben wahrscheinlich die Rede einer Bürgerrechtspartei gehalten. Ihr Weg zur AfD ist anscheinend unumkehrbar. Erschreckend!

(Zurufe von der CDU)

So, kommen wir zurück zum Bericht!

(Zuruf von der FDP: Gucken Sie sich mal die Videos an!)

Genau! Gucken Sie sich mal die Videos an! Völlig richtig! Dann sehen Sie, wie Ihre JuLis vernünftig und völlig passiv in der Menschenkette vor dem Rathaus standen. Aber das, was Sie hier an Einlassungen bringen, ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden aufrechten Demokraten!

(Lebhafter Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Einfach unsäglich!

(Zuruf von der FDP: Sie!)

Nein, nicht ich.

Kommen wir zurück zum Bericht, 22:21 Uhr  egal. Es wird im Bericht vielfach einfach falsch informiert, verharmlost, in Teilen  auch objektiv  wirklich die Unwahrheit berichtet.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wo sind denn die Belege dazu?)

Die Belege dafür finden sogar Sie im Netz.

(Zuruf von den PIRATEN: Nein, bestimmt nicht!)

Nein, Sie nicht. Stimmt. Wir zeigen Ihnen bei Gelegenheit, wie das geht. (Beifall von den PIRATEN)

Aber ich habe gelesen, dass wir hier im Saal demnächst eine Videoleinwand kriegen. Vielleicht hilft Ihnen das. Manche Leute können sich ja besser Bilder ansehen als zuhören.

(Zurufe von der CDU)

“22:21 Uhr“ habe ich gesagt, nicht 21:12 Uhr. Aber egal!

(Zuruf von der CDU: Sie sind Ihrer Zeit voraus!)

Ja, richtig, im Gegensatz zu Ihnen! Sie hängen hinten dran, mindestens 60 Jahre.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN  Zurufe von der CDU und der FDP)

Immer noch Gemecker? Dann machen Sie sich doch mal ehrlich! Lassen Sie doch mal Ihren Golland reden!  Nein, der kommt auch nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Das würde zur Ehrlichkeit dazugehören.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Herr Kollege, was liefern Sie hier eigentlich ab? Das ist ja unglaublich!)

So, weiter.  Die Auswirkungen des Berichts in Dortmund, auf die Frau Kollegin Schneckenburger und auch Frau Kollegin Schäffer schon eingegangen sind, bedeuten einen absoluten Tiefpunkt für das Vertrauen der Menschen in Dortmund in die Polizei in Dortmund. Wir haben hier einen Tiefpunkt erreicht, der die Menschen abschreckt, mit der Polizei in Dortmund zusammenzuarbeiten.

(Theo Kruse [CDU]: So ein Blödsinn!)

Für Sie ist das Blödsinn, ich weiß. Sie tauchen auch nie als Zeuge auf, Sie sind nämlich nie dabei. Dementsprechend tauchen Sie auch weder mit Namen noch mit Adresse auf den Seiten der Rechten auf und müssen sich deren Hetze stellen. Andere Menschen müssen das sehr wohl tun.

(Zuruf von der CDU: Sierau!)

Zum Beispiel Herr Sierau. Genau. Nehmen wir mal einen absoluten Linksradikalen: Herrn Sierau.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Ich bitte das Innenministerium und auch Sie, Herr Minister, sehr herzlich darum, diesen „Bericht“ wirklich objektiv neu erstellen zu lassen. An diesem Bericht ist wenig zu retten. Wenn das durch das Innenministerium oder die Polizei in Dortmund nicht möglich ist, dann muss der Landtag handeln. Dann muss die Legislative an der Stelle die Exekutive kontrollieren. Das ist unser Job.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Das haben Sie auch nicht verstanden, ich weiß. Wir verabreden sowieso einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Morden des NSU und dazu, was es in dem Zusammenhang an Vertuschungen gegeben hat. Wenn es wirklich immer noch Tendenzen in der Dortmunder Polizei oder in der Polizei NRW gibt, die in irgendeine Form verharmlosend

(Zurufe von der CDU und der FDP)

in Richtung Rechtsextremismus gehen sollten,

(Armin Laschet [CDU]: Das geht zu weit!)

wovon ich persönlich absolut nicht ausgehe und nicht ausgehen will  das ist ganz wichtig …

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Aber Sie sagen es schon einmal!)

Ja, es müssen Dinge kontrolliert werden. Selbstverständlich! Deshalb habe ich den Herrn Innenminister ganz herzlich und persönlich darum gebeten, das zu tun.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ich bitte wirklich darum, diesen Bericht zu evaluieren und neu zu erstellen, mit der Zivilgesellschaft und mit der Polizei in Dortmund. Das wäre ein Weg, um das Vertrauen, das hier verloren gegangen ist, wieder aufzubauen. Das ist ein Weg, den wirklich alle demokratischen Kräfte auch zusammen gehen müssen.

Ich möchte mich der Einladung von Frau Schneckenburger  auch wenn es mir wirklich schwer fällt  da anschließen: Diese Einladung geht an alle demokratischen Kräfte oder zumindest an diejenigen, die es noch auf dem Schild haben.  Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Sommer.  Für die Landesregierung hat jetzt noch einmal Herr Minister Jäger das Wort.

Veröffentlicht unter Innenausschuss (A09), Reden, Torsten Sommer

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