Frank Herrmann über die Abschiebung von Minderheiten in den Westbalkan

Freitag, 4. Juli 2014

Top 8. Keine Abschiebung von verfolgten und diskriminierten Minderheiten in den Westbalkan!

Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6119
direkte Abstimmung
Unser Redner: Frank Herrmann
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

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Protokoll der Rede von Frank Herrmann

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg:

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der Piraten Herrn Kollegen Herrmann das Wort.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Saal und im Stream! Es ist traurig, aber auch bezeichnend, dass wir dieses flüchtlingspolitische Thema am letzten Tag vor der Sommerpause und mit Aussicht auf Sport, Spiel, Spaß beraten. Ist das der Grad der Wertschätzung, den wir in Nordrhein-Westfalen den Menschen in Not, die zu uns kommen, entgegenbringen?

(Stefan Zimkeit [SPD]: Frechheit!)

Ich hoffe nicht; denn Not macht keine Ferien. Meine Damen und Herren, wir besprechen jetzt einen Antrag mit gleich zwei für uns Piraten sehr wichtigen Anliegen. Zum Ersten wollen wir, dass sich die rot-grüne Landesregierung im Bundesrat gegen das Vorhaben der Bundesregierung stellt, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären.

Zum Zweiten möchten wir, dass der Innenminister einen sofortigen Abschiebestopp in die Länder des Westbalkans erlässt.

Nach der schlimmen Flutkatastrophe in Serbien und Bosnien-Herzegowina im Mai und Juni dieses Jahres melden NGOs nämlich, dass sich die Situation für Minderheiten in diesen Ländern aktuell noch weiter verschlechtert hat. Ihnen wird der Zugang zu sauberem Wasser und den wenigen Hilfsgütern, die überhaupt ankommen, verwehrt. Die Gebiete, auf denen ihre Baracken stehen, sind die letzten, die nach aufgeschwemmten Landminen durchsucht werden. Das ist die alltägliche Diskriminierung für diese Menschen. Davor müssen wir sie durch einen Abschiebestopp schützen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Bundesregierung will nun die Abschiebung von Menschen in diese Länder noch weiter erleichtern. Gestern hat die Mehrheit der Großen Koalition im Bundestag beschlossen, das Asylrecht weiter einzuschränken, indem sie Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt hat. Nun kann nur noch der Bundesrat feststellen, was alle wissen: Für viele Roma und andere Minderheiten sind diese Länder nicht sicher.

In Serbien kommt es zu Zwangsräumungen von Romasiedlungen, zu Folter und Misshandlungen in Gefängnissen und zu Angriffen durch die ansässige Mehrheitsbevölkerung. In Mazedonien wird ihnen der Zugang zu Leistungen des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialhilfesystems verwehrt. Roma sind in Mazedonien alltäglich massiven Diskriminierungen ausgesetzt. In Bosnien-Herzegowina leben Roma in Siedlungen aus Baracken ohne Strom und fließendes Wasser direkt neben Müllhalden.

Wurde wirklich ordentlich geprüft, ob diese Länder sichere Herkunftsländer sind? Nein, das wurde nicht geprüft. Das wissen Sie auch. Es wird Zeit, dass sich unser Innenausschuss ein Bild vor Ort macht. Ich wünsche mir wirklich sehr, dass wir in diese Länder reisen; denn Antiziganismus bzw. Antiromanismus ist eines der europaweit drängendsten Probleme der heutigen Zeit. Leider sieht man in aller Brutalität, dass Roma und Sinti nirgendwo in Europa willkommen sind. Auch in Deutschland herrscht eine tiefe Ablehnung gegenüber diesen Minderheiten.

Diese Ablehnung wird jetzt durch den Gesetzentwurf auch noch geadelt; denn damit legitimiert die Bundesregierung die These eines angeblichen Asylmissbrauchs. In der Folge wird es noch schwieriger, die hier ansässige Bevölkerung aufzuklären und zu sensibilisieren. Wenn Sie, geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, im Bundesrat diesem Gesetzentwurf zustimmen, befürworten Sie nachträglich den Asylkompromiss; denn erst der Asylkompromiss hat die Benennung von Ländern als sichere Herkunftsstaaten möglich gemacht. Das ist die traurige Wahrheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir erwarten diesmal, dass Sie eine Gewissensentscheidung fällen und dass Sie sich nicht wieder mit scheinheiligen Argumenten den sogenannten parlamentarischen Zwängen unterordnen.

Aus der Presse müssen wir nun aber entnehmen, dass Sie, liebe NRW-Grüne, sich auf einen Handel im Bundesrat einlassen wollen. Ein rot-grünes Bundesland muss im Bundesrat umkippen, damit dieser unsägliche Gesetzentwurf zur Verschärfung des Asylrechts durchkommt. Wird das NRW sein? Wenn Sie im Bundesrat für den Gesetzentwurf der Bundesregierung stimmen, haben Sie sich von einer humanen Flüchtlingspolitik verabschiedet. In Berlin sehen wir schon die ersten Vorboten der neuen grünen Flüchtlingspolitik. Unter dem Hashtag „#ohlauer“ können Sie das ganze Drama der letzten Tage nachlesen.

Sie haben den Sommer, um sich zu besinnen und im Bundesrat Ihrem Gewissen zu folgen. Bestrafen Sie nicht die Menschen dafür, dass wir in den Parlamenten und den Regierungen die Probleme nicht angehen und die Flüchtlingspolitik in Europa, in Deutschland und in NRW nicht neu gestalten, sondern auf dem Rücken der Menschen austragen, die nichts dafür können, dass sie zufällig am falschen Ort der Welt geboren sind. Lassen Sie sich nicht von Mutti erpressen und bestechen, und stimmen Sie unserem Antrag zu!  Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann.  Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Yetim.

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