Mittwoch, 26. März 2014
Top 10. Videoüberwachung transparent und nachvollziehbar gestalten: Ein öffentliches Register für Videoüberwachungskameras in Nordrhein-Westfalen einführen
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung
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Protokoll der Rede von Frank Herrmann
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der Piraten Herrn Kollegen Herrmann das Wort.
Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger im Saal und im Livestream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag fordern wir eine Meldepflicht für Videoüberwachung in Nordrhein-Westfalen. Wir fordern diese Meldepflicht mit öffentlich einsehbarem Register aus drei guten Gründen. Erstens. Wir haben derzeit keinerlei Übersicht darüber, wo wie viele Kameras mit welchen technischen Möglichkeiten aufgestellt sind. Wir wissen, dass mindestens 2.750 Kameras durch nordrhein-westfälische Landesbehörden betrieben werden. Das ist allerdings nur die Spitze eines immens großen Eisbergs.
Sie, liebe Landesregierung, nehmen sich fälschlicherweise aus der Pflicht, die Kommunen zu ihren zahlreichen installierten Kameras zu befragen. Sie hätten das im Rahmen der Großen Anfrage, die wir gestellt haben, machen können und sollen. So müssen wir annehmen, dass Sie sich des Themas gar nicht annehmen und die Zahlen gar nicht wissen wollen. Wir wissen, in Bayern gibt es mindestens 17.000 staatlich betriebene Kameras. Allein der Bund betreibt zusätzlich 17.500 Überwachungssysteme. In Nordrhein-Westfalen werden es mindestens so viele sein. Werte Landesregierung und Unterstützer der Überwacher, die Bürger wollen Transparenz darüber, inwieweit sie überwacht werden. Eine freie Gesellschaft sollte sich diese Transparenz leisten; sonst wird sie Vertrauen verlieren. Zeigen Sie uns, dass Videoüberwachung sinnvoll ist! Wir lassen uns gerne überzeugen, wenn Ihre Argumente valide und stichhaltig sind. Aber Sie verwehren sich jedweder wissenschaftlichen Einschätzung, noch geben Sie uns die Zahlen, inwieweit die Kommunen in ihren Verwaltungsgebäuden, in ihren Schulen Videoüberwachung betreiben. Zweitens. Kameras sind oft fehlerhaft oder gänzlich rechtswidrig montiert. Hier brauchen wir die Möglichkeit, diese Kameras leichter zu melden. Kontaktdaten der verantwortlichen Stelle müssen leicht zu erhalten sein. Eine Meldepflicht würde auch ein wichtiges Signal an die Betreiber senden: Ihr könnt Videoüberwachungsanlagen nur installieren, wenn ihr euch an die Regeln haltet. Eine Meldepflicht sorgt hier für zusätzlichen Druck.
Wenn Sie mir jetzt sagen wollen, Herr Minister, dass die öffentliche Hand natürlich die gesetzlichen Vorschriften beachtet, sage ich Ihnen: Nein, das stimmt so nicht. Ausgerechnet vor dem Justizministerium hier in Düsseldorf überwachen zwei landeseigene Kameras den öffentlichen Raum in einer Fußgängerzone ohne jedwede Hinweisschilder. Das ist klar rechtswidrig. Die bestehenden Datenschutzregeln wurden doch nicht grundlos verfasst. Privatsphäre und Datenschutz sind kein lästiges Übel. Diese Werte dürfen nicht als Hindernis verstanden werden. Es handelt sich um Grundrechte, die zu schützen sind. Drittens. Der technologische Wandel wird die Videoüberwachung grundlegend verändern. Softwaregestützte Videoüberwachung, die durch die Verknüpfung mit diversen Datenbanken sofort erkennen kann, wer ich bin, ist heute technisch möglich. Videoüberwachung, die anhand meiner Gestik, meines Gesichtsausdrucks, meiner Kleidung meine nächsten Schritte und Handlungen vorhersehen soll, wird für den großflächigen Einsatz erforscht. Der Laie kann nicht erkennen, welche Art der Videoüberwachung ihn gerade im Visier hat. Er kann nicht erkennen, wo und wie seine Bilder verarbeitet werden. Solcherlei Technologien fördern Angst und Konformismus in der Gesellschaft. Unter ständiger Überwachung ist die Freiheit des Menschen verloren. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden.
(Beifall von den PIRATEN)
Die bereits existierende Videoüberwachung mithilfe solcher Praktiken muss zumindest offengelegt werden. Gerade wegen dieser Entwicklungen müssen wir einen schon lange notwendigen Diskurs über das Ausmaß der Überwachung führen. Wir müssen über Videoüberwachung sprechen. Unser Antrag lädt Sie dazu ein, über Videoüberwachung und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft ernsthaft zu diskutieren. Nehmen Sie sich die Zeit und schauen Sie sich auf den Straßen um! Überlegen Sie sich „Wie soll unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen?“! Kann es sich eine freie Gesellschaft leisten, solcherart Überwachungstechnologie derart zahlreich in und an Gebäuden, Bussen und Bahnen oder Geschäften zu dulden? Es gibt gute Gründe für diese Diskussion und für eine Meldepflicht für Videoüberwachungssysteme. Lassen Sie mich bitte zum Schluss noch anmerken, es ist uns sehr wohl bewusst, dass wir auf Landesebene nur Regeln für die Landes- und die Kommunalverwaltung aufstellen können. Aber wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen, das Thema „Videoüberwachung“ auf die Tagesordnung setzen und ein transparentes Register über den Einsatz von Videoüberwachung der öffentlichen Hand in Nordrhein-Westfalen schaffen. Sie, liebe Kollegen von der SPD, können das fertige Projekt gerne mit nach Berlin nehmen und das dringend notwendige Register der Videoüberwachung der Privatwirtschaft im Bundestag beschließen.
Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Marquardt.
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