Donnerstag, 30. Januar 2014
Top 4. Für eine echte Willkommenskultur in NRW: Der nordrhein-westfälische Landtag bekennt sich zur uneingeschränkten Personen- und Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union!
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Direkte Abstimmung
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
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Eine Verbesserung der schlechten Willkommenskultur in NRW und Deutschland ist dringend notwendig. Aber statt ein klares Bekenntnis zur Arbeitnehmerfreizügigkeit abzugeben, reden Politiker von Sozialtourismus und befeuern damit die Bildung negativer Klischees und Vorurteile gegenüber Migranten. Wir sagen Endlich! Endlich dürfen Menschen aus Rumänien und Bulgarien hier jede Arbeit suchen und sind dann eben nicht von Sozialleistungen abhängig, sondern zahlen stattdessen in unsere Sozialsysteme ein.
Protokoll der Rede von Simone Brand
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Piratenfraktion Frau Kollegin Brand das Wort, die schon vorne steht und jetzt das Wort erhält. Bitte schön.
Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Wir schreiben das Jahr 2014, Januar. Dieser Januar ging direkt gut los: Am 2. Januar war aus dem dunklen Bayern Ministerpräsident Seehofer zu hören, wie er mit den Ängsten der Menschen spielt und von fortgesetztem Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutseinwanderung spricht. Kurze Zeit später in diesem Januar wird „Sozialtourismus“ zum Unwort des Jahres. Und noch ein wenig später mussten wir hören, dass es Dienst nach Vorschrift ist, wenn traumatisierte, hilflose Flüchtlinge in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, einfach in einen Zug gesetzt werden.
Wir leben in einer Zeit, in der die negative Einstellung bezüglich der Migration gerade aus Südosteuropa in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Es sind nicht nur diese NaziIdioten und AfD-Trolle, von denen man so etwas hört. Nein, erst kürzlich habe ich von einem Arzt, also einem Akademiker, hören müssen: Diese Leute, die da kommen, die Rumänen und Bulgaren, die sind doch zu dumm, um hier jemals eine gescheite Arbeit zu machen. Die sind sowieso nur da, um im Sozialsystem abzukassieren. Und das alles im Januar 2014, ausgerechnet in dem Monat, wo die Arbeitnehmerfreizügigkeit endlich auch für die Migranten aus Rumänien und Bulgarien gilt. Endlich dürfen diese Menschen jede mögliche Arbeit annehmen, nicht Schwarzarbeit und Selbstständigkeit, sondern jede Arbeit. Dann fallen sie eben nicht den Sozialsystemen zur Last, sondern zahlen in die Sozialsysteme ein.
Im Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist die Freizügigkeit verankert. Über geltendes Recht brauchen wir uns hier jetzt also überhaupt nicht zu unterhalten. Das heißt aber in der Konsequenz: Wir brauchen eine Willkommenskultur und ein klares Bekenntnis zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, gerade auch von den Politikern.
(Beifall von den PIRATEN Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Das haben im Januar 2014 einige erkannt, einige leider nicht. Wir brauchen Signale für die Gesellschaft, die gehört werden von denen, die gehört werden.
Wir haben zum Beispiel ein historisches Ereignis, nämlich eine gemeinsame Erklärung von DGB und BDA zur Freizügigkeit in Europa. Wir haben den frischgebackenen Staatssekretär Klute, der vor einem Rückfall in ideologische Grabenkämpfe warnt. Und selbst Außenminister Steinmeier sagt: Wer die freie Arbeitnehmerfreizügigkeit infrage stellt, schadet Europa und schadet Deutschland. Das sind starke und wichtige Signale. Und der NRW-Landtag in seinem ersten Plenum in diesem Januar 2014? Wo sind denn Ihre Anträge zu diesem Thema? Ich habe bis zum Antrags-Dienstag keinen gesehen. Das Thema scheint Ihnen ja in diesem Monat nicht so wichtig zu sein.
Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt und einen Antrag eingereicht. Und plötzlich werden Sie wach: Piratenantrag mmh, doof! Was machen wir denn jetzt? Super, wir machen einfach einen Entschließungsantrag. Dann können wir den Piratenantrag nämlich beerdigen und haben plötzlich etwas in diesem Januar auf dem Schirm. So wird in diesem verschnupften System Politik gemacht.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich kann mir gleich wieder anhören: Ihr Antrag greift zu kurz, geht nicht weit genug. Wir haben das viel schöner gemacht; wir haben unsere Referenten richtig fleißig arbeiten lassen. Was dabei herausgekommen ist, ist ein Antrag zur strukturellen Willkommenskultur. Dort findet man alles Mögliche, zum Beispiel das Wohnungsaufsichtsgesetz, wo welche Gelder fließen usw. Aber das, worum es in unserem Antrag geht, haben Sie offensichtlich nicht wirklich verstanden.
Frau Velte, liebe Jutta, du kritisierst zu Recht, dass es nicht richtig ist, dass die Stadtstaaten die Menschen nach gut und schlecht gebildet aussortieren. Das war Thema im Ausschuss im letzten Sommer. Im Entschließungsantrag steht: Wir benötigen die gut ausgebildeten Arbeitskräfte. Und die nicht so gut gebildeten schleppen wir auch irgendwie durch. Von exakt dieser Rhetorik und Doppelmoral sprechen wir in unserem Antrag. Sie bestätigen sie erneut. Das ist traurig und genau das Gegenteil einer Willkommenskultur. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Frau Kollegin. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen von Grünberg das Wort.
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