Dirk Schatz über Situation der Polizei und Kriminalitätsbekämpfung in NRW

Mittwoch, 29. Januar 2014

 

Top 4. Situation der Polizei- und Kriminalitätsbekämpfung in Nordrhein-Westfalen

Große Anfrage 4 der Fraktion der CDU

Drucksache 16/2248

Antwort der Landesregierung

Drucksache 16/4253

Unser Redner: Dirk Schatz

 

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Protokoll der Rede von Dirk Schatz

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Orth. Für die Piratenfraktion spricht nun Herr Schatz.

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Es wurde bisher viel auf der MetaEbene debattiert. Ich möchte ein bisschen auf das Praktische zurückkommen. Wie immer bei einer Großen Anfrage gibt es viele Punkte, auf die man eigentlich eingehen müsste. Man hat allerdings zu wenig Redezeit. Die ersten 22 Seiten, in denen fast ausschließlich die polizeiliche Kriminalstatistik zusammengefasst wird, erspare ich mir. Das hat keinen großen Neuigkeitswert.

Interessant wird es dann auf Seite 23. Schaut man sich dort die Zahlen an, stellt man fest, dass die Gesamtpersonalstärke der Polizei seit 1990 weitestgehend stabil geblieben ist. Anhand dieser Zahlen könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Sicherheit in NRW schon seit über 20 Jahren immer derselbe Stellenwert beigemessen wird. Faktisch ist dies aber selbstverständlich nicht so; denn die Rahmenbedingungen haben sich geändert.Zum einen sind die Fallzahlen in der PKS seit 1990 gestiegen. Kurz: Es gibt mehr Kriminalität welche Gründe das auch immer haben mag. Das erfordert natürlich mehr Arbeitsaufwand und somit eigentlich auch mehr Personal.

Zum anderen kommen noch interne Faktoren hinzu. Ich möchte einmal ein kurzes Beispiel nennen. Es dürfte bekannt sein, dass es seit nunmehr vielen Jahren vermehrt auch Frauen bei der Polizei gibt. Das ist völlig richtig so. Aber trotz fortschreitender Wissenschaft bekommen auch heutzutage meistens noch die Frauen die Kinder. Und trotz eines glücklicherweise fortschreitenden gesellschaftlichen Wandels kümmern sich auch heute noch meistens die Frauen um die Kindererziehung. Beides ist grundsätzlich kein Problem. Das möchte ich hier klarstellen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Ja, doch! Die Männer könnten das mal übernehmen!)

 Wenn die Männer es auch noch machen, kommt ja noch etwas hinzu. Das ist aber gar kein Problem. Das Problem ist nur, das man das dann bei der Personalplanung auch entsprechend berücksichtigen muss. Beides wird jedoch, wie die Antwort zeigt, seit Jahrzehnten einfach ignoriert mit der Konsequenz, dass die Personalstärke faktisch zurückgegangen ist.Das ist natürlich nicht das einzige Problem. Hinzu kommen noch weitere Faktoren zum Beispiel die Überalterung der Polizei und die damit einhergehenden Umstände wie erhöhte Krankenstände. Um zu erkennen, dass alte Menschen einfach häufiger krank werden, muss man ja kein Genie sein.Das führt in logischer Konsequenz zu dem nächsten Problem, das in der Anfrage ebenfalls aufgegriffen wurde allerdings leider schon in der Fragestellung mit dem falschen Problembewusstsein. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie haben nach dem richtigen Schichtmodell für den Wach- und Wechseldienst gefragt.

Ich muss der Landesregierung insoweit recht geben, als dass die Behörden zumindest grundsätzlich in der Lage sind, die Einsatzstärken an der jeweiligen Einsatzbelastung zu orientieren. Vehement widersprechen muss ich der Landesregierung aber, wenn sie sagt, dass die Behörden deshalb in den einsatzstarken Zeiten auch tatsächlich über ausreichend Personal verfügen. Das ist nicht so.Dabei ist die Frage, welches Schichtsystem dieses Problem am besten löst, nicht einmal die wichtigste, sondern vermutlich eine Glaubensfrage. Jedes Modell hat seine Vor- und Nachteile. Die entscheidende Frage ist: Wie schaffen wir es, dass die Sollzahlen überhaupt in ausreichender Höhe angesetzt werden können?

Es hört sich immer toll an, wenn eine Dienstgruppe theoretisch ausreichend besetzt ist. Häufig existiert ein Großteil aber dauerhaft oder zumindest langzeitig eigentlich nur auf dem Papier, weil die Beamten aus den eben dargelegten Gründen ausfallen. Dazu kommen dann noch Dinge wie Fortbildungsmaßnahmen usw. hinzu. Somit sind viele Behörden gezwungen, die eigentlich benötigten Sollzahlen schon von vornherein nach unten zu korrigieren, weil die Dienstgruppen diese Stärken sonst gar nicht aufbringen könnten.Die normalen regelmäßigen Ausfälle wie Urlaub oder auch die zwei freien Tage in der Woche kommen natürlich noch obendrauf. Gerade in der Haupturlaubszeit führt das dazu, dass die Dienstgruppen nicht selten auf dem Zahnfleisch kriechen. Wenn dann noch unplanbare Dinge wie kurzfristige Erkrankungen dazukommen, was ja auch passiert, fahren die Dienstgruppen nicht selten unter dem Soll.Das ist die Konsequenz der derzeitigen Personalpolitik. Da ist es schlicht egal, welches Modell die Behörde hat. Das Problem ist im Grunde bei allen dasselbe.Minister Jäger hat bereits deutlich gemacht, dass es keine Aufstockung des Personals geben wird. Deshalb wird in Bezug auf das Personal häufig der Begriff „Aufgabenkritik“ benutzt. Interessant ist übrigens, dass die Begleitung von Schwertransporten immer als das Beispiel für Aufgabenkritik genannt wird. Wie Sie in der Antwort sehen, stellt dies aber mit gerade einmal 47 Stellenäquivalenten sicherlich den geringsten Teil des Einsparpotenzials dar. Es ist zwar nicht unwichtig, aber auch nicht das Beispiel.

Neben vielen anderen Einsatzbereichen, die sicherlich einer Aufgabenkritik unterzogen werden sollten, möchte ich mein Augenmerk auf einen Bereich legen, der auch in der Antwort auf diese Anfrage einen nicht unerheblichen Teil einnimmt, nämlich die Betäubungsmitteldelikte. Mit insgesamt 465 Planstellen im Jahr 2012 macht allein dieser Bereich ca. 6 % der gesamten Personalressourcen der Kriminalpolizei aus. Mehr als ein Zwanzigstel entfällt also nur auf diesen Bereich. Den absoluten Großteil davon nimmt das Thema „Cannabis“ ein. Das steht alles in dieser Antwort. Dabei ist das Personal, das im Wach- und Wechseldienst dadurch gebunden wird, noch gar nicht mit eingerechnet.

Umso erstaunter war ich, als ich lesen musste, dass die CDU für die nächste Sitzung des Innenausschusses einen Besprechungspunkt beantragt hat, um wieder mal den Münsteraner Polizeipräsidenten zu diskreditieren, nur weil er völlig zu Recht ein Umdenken im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität und eine Freigabe von Cannabis fordert.

(Beifall von den PIRATEN)

Diese Forderung ist völlig legitim und entspricht nun einmal aktuellen Erkenntnissen. Ich kann Ihnen sagen: Auf die nächste Sitzung des Innenausschusses freue ich mich jetzt schon.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Mit diesen 465 Stellen könnten wir übrigens das Personal zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität nahezu verdoppeln. Darauf will ich nur einmal am Rande hinweisen, weil wir ja zu Recht immer darauf herumhacken. Das wiederum würde allerdings auch das ist eine Erkenntnis dieser Antwort vermutlich nicht, wie allgemein angenommen, zwangsläufig zu einer höheren Aufklärungsrate führen. Der Tabelle auf Seite 25 können Sie entnehmen, dass es zumindest bezogen auf die Gesamtkriminalität keine direkte Korrelation zwischen Personalstärke und Aufklärungsquote zu geben scheint.

Sie sehen: Diese Große Anfrage liefert viele wichtige Zahlen, aber keine Lösungen. Es gibt noch eine Menge zu tun. Ich hoffe, dass die Landesregierung der Aufgabe gewachsen ist. Zurzeit sehe ich das nicht. Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schatz. Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Jäger.

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