Dietmar Schulz zum Haushalt 2014

Mittwoch, 18. Dezember, 2013

 

Top 1. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 16/3800Ergänzung der Landesregierung

Drucksache 16/4300Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 16/4600

Finanzplanung 2013 bis 2017 mit Finanzbericht 2014 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/3801

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 16/4421

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2014 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 – GFG 2014)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 16/3802

Ergänzung der Landesregierung

Drucksache 16/4300

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 16/4601

Unsere 2. Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz anhören:

Protokoll der Rede von Dietmar Schulz:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Wir haben nächste Woche Weihnachten.

(Zurufe von der SPD: Hui!)

– Ja, ja. Es werden auch Geschenke im Saal verteilt. Im Prinzip fehlen eigentlich nur noch die Kerzen auf den Tischen und ein nichtalkoholisches oder ein alkoholisches, weinhaltiges Getränk, und dann könnten wir gemeinsam feiern. Diese Ruhe, die hier im Saal herrscht, finde ich bemerkenswert. Ich führe sie ausschließlich darauf zurück, dass – und dafür viel Glück! – Herr Laumann heute seine letzte Rede gehalten hat, zumindest hier im Plenum als Abgeordneter der Landtags der laufenden Legislaturperiode.

Im Übrigen möchte ich Herrn Kollegen Lindner folgen und sagen: Wir reden hier über den Haushalt. Auch Frau Ministerpräsidentin Kraft hat es ganz offensichtlich begriffen; denn sie hat diesen Haushalt, über den wir heute in dritter Lesung entscheiden sollen, sehr vehement verteidigt. Das muss sie auch tun; denn zu diesem Haushalt muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Zieht man Maßstäbe heran, die sich jede Privatperson oder jedes Unternehmen anrechnen lassen muss, wäre dieses Land Nordrhein-Westfalen nach Insolvenzrecht praktisch überschuldet und hätte Insolvenz anzumelden.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

– So sieht es aus, Herr Herter.

(Marc Herter [SPD]: Es ist unfassbar!)

Aber, Frau Kraft, ich möchte, bevor ich weiterrede, mit einem Punkt anfangen: Sie haben davon gesprochen, dass Sie sich die Anträge der Oppositionsfraktionen sehr genau angeschaut haben. Sie haben dabei in Bezug auf die Piraten nur einen Antrag hervorgehoben, und zwar einen Antrag auf Einsparung von Zuschüssen für den kommunalen Straßenbau in Höhe von 1,1 Millionen €. Solche Einsparungen wären nicht verträglich mit unserer Auffassung, wie man Kommunen unterstützen müsste, und schon gar nicht mit unserer Auffassung von der Ausbildung und der Fortschreibung oder besser der Verbesserung von Verkehrsinfrastruktur.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, liebe Frau Kraft: Wenn Sie mir zeigen können, wo dieser Antrag gestellt worden ist, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Ich kann Ihnen mitteilen, wo dieser Antrag behandelt wurde: Am Montag vergangener Woche wurde in der Mumble-Sitzung unserer Fraktion darüber diskutiert. Dieser Antrag wurde aber weder im Haushalts- und Finanzausschuss als Antrag gestellt noch für den heutigen Tag zur Beratung und zur Beschlussfassung vorgesehen.

(Zuruf von den PIRATEN: So sieht es aus!)

Schönen Gruß an Ihre Referentin oder Ihren Referenten! Ich freue mich sehr, dass unsere Sitzungen so aufmerksam verfolgt werden. Dann hätte man aber auch wissen müssen, dass wir als Piratenfraktion in der internen Beratung diesen Antrag abgelehnt und nicht gestellt haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Stattdessen vergessen Sie aber andere Anträge zu erwähnen oder gehen zumindest geflissentlich darüber hinweg. Es stehen ja nur wenige Anträge zur Beratung an. Wir fordern genau in dem Bereich der Verkehrsinfrastruktur – das hat unser Fraktionsvorsitzender Paul eben ausführlich ausgeführt – 354 Millionen €, und zwar genau für die Unterstützung der Infrastruktur, für die Unterstützung der Kommunen, in einem ersten Schritt für das kommende Jahr 2014. So viel dazu.

In Bezug auf die Konsolidierung wurde von der Frau Ministerpräsidentin kritisch angesprochen, die Opposition wolle nicht konsolidieren, sondern nur Geld ausgeben. Im Übrigen operiere sie mit globalen Mehreinnahmen. – Das war aufseiten der FDP in der Tat der Fall.

Auf der anderen Seite haben wir es aber für 2014 auch mit globalen Minderausgaben in weiß Gott nicht unbeträchtlicher Höhe von deutlich über 800 Millionen € zu tun. In dieser Hinsicht vergessen sowohl die Ministerpräsidentin als auch die die Regierung tragenden Fraktionen und der Finanzminister, transparent aufzuzeigen und den Menschen zu sagen, wo diese über 800 Millionen € im nächsten Jahr eingespart werden sollen. Es wird zu weiteren Zumutungen für die Bevölkerung in diesem Lande kommen. Dies kann von uns nicht hingenommen werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Die strukturelle Neuverschuldung von 2,4 Mil-iarden € wurde schon genügend angeführt. Wenn man das einmal vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung, wie sie sich auch aufgrund der aktuellen und heute mit zu beschließenden mittelfristigen Finanzplanung bis 2017 darstellt – darin ist nämlich davon die Rede, dass von einer Zinssteigerung von bis zu 3,5 % auszugehen ist; wir liegen aber derzeit 2 Prozentpunkte unter dieser Planung –, betrachtet, müssen wir – allein mit Blick auf diesen Umstand – prüfen, ob angesichts der Verschuldung des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 140 Milliarden € dieser Konsolidierungspfad von Ihnen – vonseiten der Landesregierung – tatsächlich eingehalten werden kann. Wir haben da so unsere Zweifel.

Diese Zweifel werden darüber hinaus durch die Garantieleistungen genährt, die das Land Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit der Abwicklung der WestLB in den nächsten Jahren noch zu zahlen verpflichtet sein wird. Es werden insgesamt 5 Mil-liarden € aufgewendet werden müssen. Davon geht sogar der Finanzminister bislang aus. Ich glaube nicht, dass er sich davon verabschiedet hat. Fakt ist jedenfalls: Die Zahlung von 900 Millionen €, die ursprünglich für das Jahr 2014 in der mittelfristigen Finanzplanung angesetzt war, ist nun plötzlich verschwunden. Das ist einerseits gut, weil diese Zahlungen möglicherweise im nächsten Jahr noch nicht fällig sein werden. Wie sich dann allerdings – auch vor dem Hintergrund des PIMCO-Reports – die Entwicklung bei der EAA – der Ersten Abwicklungsanstalt – entwickelt, muss man abwarten. Weiter müssen wir schauen, ob und wann diese dann insgesamt noch ausstehenden Garantieleistungen von 4 Milliarden € zu Buche schlagen werden.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Dann schauen wir uns auch die mittelfristige Finanzplanung genau an. Wir schauen uns die Zinsen und exakt an, wo diese Landesregierung – nicht nur heute, sondern auch im nächsten und übernächsten Jahr – tatsächlich effektiv, vor allem aber – wie es auch jetzt eben hieß – strukturell spart.

Weiterhin werden wir schauen, ob sie gleichzeitig auch Gewähr dafür bietet, dass – das liegt nicht nur der Landesregierung und den die Regierung tragenden Fraktionen am Herzen – in bestimmten Bereichen – insbesondere was Investitionen in die Zukunft, in Bildung und Verkehrsinfrastruktur angeht – Leistungen erbracht werden.

Selbstverständlich werden auch wir das weiterhin begleiten. Wir werden nicht nur sorgsam darauf achten, sondern auch die entsprechenden Anträge stellen – so wie die, über die wir heute hier im Plenum abstimmen werden.

Ein weiterer Punkt ist – wenngleich auch mehrfach erwähnt – meines Erachtens zu kurz gekommen. Das ist die dieser Landesregierung und den die Regierung tragenden Fraktionen – das gilt, denke ich, aber für alle hier im Hause – so sehr am Herzen liegende kommunale Familie bzw. deren auskömmliche Finanzierung. Man sollte meinen, dass es so sei. Zu dem aber, was hier vorgetragen wurde und wie hier im Prinzip dieser Haushalt 2014 mehr oder weniger schon jetzt – ohne wesentliche Kritikpunkte; die kamen nur von der FDP – abgefeiert wurde, muss man ganz ehrlich sagen: Es ist nicht so. Warum das so ist, skizziere ich im Folgenden.

Lassen Sie mich mit einem Zitat aus der sehr aktuellen regionalen Presse, aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ beginnen:

NRW-Städte im Schuldenstrudel“

Ich füge ein: Natürlich sind wir alle bereits im Weihnachtstaumel, aber wir beraten heute in dritter Lesung in diesem Hause den Landeshaushalt 2014 des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich glaube, es wäre gut, hier noch einmal in die Sacharbeit einzusteigen. Ich habe so den Verdacht, als ob hier alle schon verdammt in Feierlaune sind. Ich bin es bei Betrachtung dieses Haushaltes allerdings nicht.

Ich komme noch einmal zur regionalen Presse zurück.

„Der Pleitegeier kreist über dem Revier.“

Das ist eine Schlagzeile der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ aus der vergangenen Woche. – Frau Ministerpräsidentin, so beschreibt die Presse quer durch alle Couleur – egal ob Rot, Grün, Schwarz oder Gelb; ganz egal, wie sie geprägt sein mag – in diesen Tagen die Auswirkungen Ihrer Kommunalpolitik in diesem Lande.

Die Bundespresse ist sogar – wenn wir die „FAZ“ einmal als Bundespresse nehmen wollen – noch schonungsloser und titelt – ebenfalls am 11. Dezember – mit:

„Kommunale Leichen.“

Da ist also eine tote Maus. Betrachten wir die Ressourcen, den Landeshaushalt bzw. den Plan für 2014, kommt mir das wie ein Schubladenschrank vor, in dem man – egal welche Schublade man aufzieht – in jeder in irgendeiner Form eine tote oder kurz vor dem Tod stehende Maus findet. Das muss man einmal ganz klar festhalten.

Anlass für die Berichterstattung – da sind wir wieder bei den Kommunen – ist die Erhebung von Ernst & Young, mit der versucht wurde, flächendeckend für ganz Deutschland die finanzielle Lage der Kommunen zu erfassen. Die Studie steht im Netz. Jeder Zuhörer hier im Saal oder außerhalb kann sich direkt selbst ein Bild der Lage machen, wenn er die Webseite dieses Unternehmens aufsucht.

In diesem Zusammenhang möchte ich einmal die Frage an Herrn Minister Jäger direkt stellen: Wie kann es sein, dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie Ernst & Young hoheitliche Aufgaben – wie zum Beispiel die Erfassung der finanziellen Situation der Kommunen – übernehmen muss? Ist Ihr Haus damit etwa überfordert? Die Frage darf erlaubt sein.

Die kommunalen Spitzenverbände berichten, seit wir hier im Parlament sitzen, in gleicher Art und Weise von dieser Situation der Kommunen, die Ernst & Young jetzt festgestellt hat.

Ignorieren Sie diese Warnzeichen? Warum lassen Sie, Frau Ministerpräsidentin, das an Ihrem Kabinetttisch eigentlich über sich ergehen? Warum nehmen Sie das so ohne Weiteres hin?

Denn sowohl der Städtetag als auch der Landkreistag haben uns darüber informiert, dass Sie, sehr verehrter Herr Minister Jäger, das Parlament mit der Vorlage 16/975 Anfang Sommer dieses Jahres jedenfalls nicht korrekt über die Situation in den Kommunen in NRW informiert haben.

Genauso wie Sie das Parlament nicht korrekt informieren, wird auch die Bevölkerung in diesem Land – das muss einfach mal gesagt werden – im Unklaren darüber gelassen, wie die finanzielle Zukunft der Kommunen aussieht und was noch über sie hereinbrechen wird, wenn aufgelöst ist, wie die globale Minderausgabe, über 800 Millionen € schwer, verteilt wird, welche Einsparungen das sind, die unter Umständen auch soziale Einschnitte gerade innerhalb der kommunalen Familie bedeuten werden.

Fehler können natürlich passieren, aber sie müssen proaktiv korrigiert werden. Gerade in den Kommunen ist in letzter Zeit viel Vertrauen verloren gegangen – und nicht nur dort.

Das alles wäre noch verkraftbar, Frau Ministerpräsidentin und Herr Finanzminister, wenn Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, hier im Besonderen dieSPD, die Sache nicht noch auf die Spitze getrieben hätten und mit dem Kommunal-Soli oder, wie er besser bezeichnet wird, mit der Abundanzumlage ein zweites Änderungsgesetz zum Stärkungspaktgesetz auf den Weg gebracht hätten. Ein zunächst definitiv nicht verfassungskonformer Gesetzentwurf wurde durch die Änderung, die Rücknahme um die Hälfte ein bisschen weniger nicht verfassungskonform gestaltet. Die entsprechenden Klagen, die noch unterwegs sind, werden zeigen, dass das ganze Vorhaben unter dem Strich für die Tonne ist.

Herr Lindner, Sie guckten auf die Uhr.

(Christian Lindner [FDP] zuckt mit den Schultern.)

– In Ordnung. Ich will Sie auch nicht allzu lange …

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie reden gefühlt schon seit einer Stunde!)

– Ja, meine ich auch. – Die im Beratungsverfahren veranstaltete Anhörung hat ganz eindeutig die diversen Mängel des Entwurfs des Stärkungspaktänderungsgesetzes aufgezeigt. Die Kritik wurde zwar aufgenommen, aber das Stärkungspaktgesetz bzw. der Kommunal-Soli ist nach wie vor nicht vom Tisch. Das wird wahrscheinlich ebenfalls von einem Gericht erledigt werden müssen.

Genauso hat die verkorkste Regelung zur Beamtenbesoldung dazu geführt, dass ein verfassungsgerichtliches Verfahren vonseiten der Oppositionsparteien angestrengt werden musste. Diese Regelung wird Ihnen ebenfalls um die Ohren fliegen. Spätestens in zwei Jahren werden wir uns unter Umständen mit einem Nachtragshaushalt in drei-stelliger Millionenhöhe befassen müssen, weil sich die regierungstragenden Fraktionen, aber auch die Landesregierung trotz der Tatsache, dass von 21 Experten 20 in der Anhörung gesagt haben: „Lassen Sie das, das Gesetz ist verfassungswidrig; nehmen Sie es zurück“ völlig beratungsresistent gezeigt haben.

Selbst ich habe die Aufforderung hier im Plenum, kurz bevor es mit der Mehrheit der regierungstragenden Fraktionen verabschiedet worden ist, wiederholt. – Herr Finanzminister, Sie erinnern sich vielleicht. Ich hatte gesagt: Nehmen Sie es zurück. – Sie haben es nicht getan. Nun wird der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen das tun, was Sie nicht bereit waren umzusetzen.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Die Beamtinnen und Beamten werden es Ihnen selbstverständlich danken. Die Lehrerinnen und Lehrer des Landes werden es Ihnen danken. All das wird bei der Kommunalwahl ebenso eine Rolle spielen wie die Problematik des Kommunal-Soli.

(Zuruf)

– Ja, bestimmte Dinge, die teilweise noch nicht angesprochen wurden, müssen angesprochen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, damit sind wir bei der Inklusion. Wir alle wissen, dass das ein Desaster ist: viel Fassade, keine Substanz, ein Leuchtturmprojekt ohne Leuchtkraft.

(Beifall von den PIRATEN und Ralf Witzel [FDP])

Infrastruktur und Verkehr – genau dasselbe, nächstes Desaster. Status und Auswirkungen in NRW sind längst bekannt. Riesengutachten, Kommissionen noch und nöcher. Nichts wird getan. Das Schielen auf den Bund ist eine feine Sache, aber wenn man schon mit am Verhandlungstisch der Großen Koalition sitzt, sollte man dafür sorgen, dass in dem größten Bundesland, welches ein Fünftel der Bevölkerung der gesamten Bundesrepublik Deutschland beherbergt, auch entsprechende Mittel ankommen.

(Beifall von den PIRATEN und Dirk Wedel [FDP])

Das nächste Desaster ist die Personalpolitik; es wurde mehrfach angesprochen. Ja, es heißt, die Lehrerstellen, die gekürzt werden, bleiben im System. Der entscheidende Punkt ist aber: Sie sollen nicht im System bleiben. – Die Lehrerinnen und Lehrer müssen dort ankommen, wo wir es mit der Bildungsfrage zu tun haben, und dort, wo Inklusion gelebt und umgesetzt werden soll. Nicht die Worte zählen, das, was auf dem Papier steht, was in der mittelfristigen Finanzplanung steht, sondern das, was die Landesregierung vor dem Hintergrund der Gesetzeslage umsetzt.

Zum Haushalt, den wir gleich verabschieden wollen, sage ich schon vorab: Die Piratenfraktion wird den Haushaltsentwurf selbstverständlich ablehnen. – Das, was Sie wollen, müssen Sie den Menschen auch sagen. Sie müssen es offenlegen und transparent gestalten. All das geschieht mit diesem Haushalt nicht. Der Rest ist Kaffeesatzleserei.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Kein-Kind-zurücklassen-Geschichte ist auch ein Leuchtturmprojekt, aber absolut zu befürworten. Dazu ist schon genug gesagt worden.

Demografie: Wandel hin oder her, die Investitionen in Bildung werden falsch alloziert. Sie finden sicherlich statt.

(Beifall von Bernhard Tenhumberg [CDU])

Aber wenn wir von 466 Millionen € Investitionen in Bildung sprechen, mag das gut klingen, aber es reicht unter dem Strich nicht. Das Geld muss auch richtig eingesetzt werden. Dazu haben wir Vorschläge unterbreitet. Die haben die regierungstragenden Fraktionen im Ausschuss abgelehnt, wie sie sie auch hier im Plenum ablehnen werden. Das können wir so nicht hinnehmen. Dafür ist die Opposition nun mal da. Dann können wir nicht Weihnachten feiern, sondern müssen heute streng am Haushalt arbeiten.

Nicht zuletzt möchte ich Herrn Finanzminister, wenngleich das ein Sonderthema sein wird, auf das Intransparenzteam oder Effizienzteam ansprechen, welches das Demografiegutachten, das ich gerade erwähnt habe, für immerhin 738.000 € – fast 1 Million – erstellt hat. Die haben offensichtlich keine gute Arbeit geleistet, sonst hätten wir es möglicherweise nicht mehr mit einer an eine Milliarde heranreichenden globalen Minderausgabe zu tun. Die sollten strukturelle Einsparungen finden. – Haben sie nicht. Was haben sie gemacht? – Personal gekürzt.

(Christian Lindner [FDP]: Machen wir morgen in der Aktuellen Stunde!)

– Das machen wir selbstverständlich morgen noch ausgiebig in der Aktuellen Stunde. Trotzdem bleibt die globale Minderausgabe im Raum.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Oh, Herr Lindner!)

– Ja, die Opposition arbeitet manchmal genauso zusammen wie die regierungstragenden Fraktionen – nicht immer, aber das genau ist doch der Punkt. Wenn Sie zusammenarbeiten und sich auch gegenseitig anhören würden, dann würden sich die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen nicht offensichtlich dazu aufschwingen, die besten Vertreter für irgendwelche Lobbyisten, insbesondere der Energiewirtschaft, zu sein.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, Kollege Priggen: Wie Sie das mit Hamm-Uentrop und mit den immer weiterlaufenden Kosten Ihrer Basis erklären, obwohl im Koalitionsvertrag steht, dass Sie die Betreiber in die Pflicht nehmen wollen …

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Punkt 3!)

– Ja, das ist der nächste Punkt, genau.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Sie reden ja zur ganzen Tagesordnung!)

– Nein, nein. – Wissen Sie, nicht zur ganzen Tagesordnung, aber es handelt sich ja um Haushaltsposten, die mit Erläuterungen …

(Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

– Wenn Sie einen Termin haben, dann nehmen Sie ihn doch wahr, Herr Priggen. Das tun doch 70 bis 80 % der Abgeordneten, die dieses Plenum besuchen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Mit Ihnen will keiner reden!)

Nicht nur, dass die Regierung Kraft auf stinkende Braunkohle setzt, sondern sie setzt auch auf die Atomlobby. Das werden wir unter einem weiteren Tagesordnungspunkt noch ausgiebig besprechen.

(Unruhe – Zahlreiche Zurufe)

Jetzt kommen wir noch einmal zur Einnahmenseite!

(Jochen Ott [SPD]: Es wäre zu schön gewesen!)

Ich werde zwei Minuten benötigen und stelle fest: Diese Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen haben in der vorletzten Haushalts- und Finanzausschusssitzung erklärt: Der Bundesrepublik Deutschland gehen pro Jahr 160 Milliarden € Steuereinnahmen durch Steuervermeidungspraktiken – und zwar insbesondere großer Konzerne – verloren.

Wir hatten einen Lizenzboxen-Antrag gestellt, der dieses Kriterium konkret und exakt aufgreift. Die regierungstragenden Fraktionen haben unseren Antrag im Ausschuss abgelehnt. Erstaunlicherweise ist dieser Antrag wenige Tage später 1:1 im Vertrag der Großen Koalition aufgetaucht, und zwar fast wörtlich. Das ist ein wunderbares Ergebnis, für das wir danken.

Wenn das so weitergeht, Herr Finanzminister, und Sie Ihren Einfluss in Berlin entsprechend geltend machen, dass aus den Steuereinnahmen von 160 Milliarden €, die von SPD und Grünen prognostiziert worden sind, auf NRW heruntergebrochen 30 Milliarden € herauskommen. Dann kommen wir auch zu einer Konsolidierung der Haushalte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

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