Plenarrede: Dietmar Schulz zu Regelung des Strafvollzuges in Nordrhein-Westfalen

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Top 13. Gesetz zur Regelung des Strafvollzuges in Nordrhein-Westfalen (Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – StVollzG NRW)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU

Drucksache 16/4155

Block I

1. Lesung

Unser Redner: Dietmar Schulz

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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz:

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich sehe erheblichen Diskussionsbedarf im Ausschuss. Wie wir in dieser Legislaturperiode in mehreren Bereichen der Justizgesetzgebung feststellen mussten, fehlt ein Strafvollzugsgesetz NRW, sodass ich insbesondere auf die Beratungen zum Jugendstrafvollzugsgesetz, aber auch, wie in der Debatte schon erwähnt, auf die Gesetzgebungspraxis zum Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Bezug nehme.

An verschiedenen Stellen hatten wir gesagt: Oh, da kommt ja noch ein Strafvollzugsgesetz. Lasst uns das dann gegebenenfalls generaliter regeln. – In diese Lücke – so könnte man meinen – stößt nunmehr die CDU und legt einen Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes vor. Das ist insofern beachtenswert, als er vorgelegt wird.

Wie Herr Kollege Wedel über die einzelnen Aspekte zu sprechen, würde den zeitlichen Rahmen sprengen. Ich habe bereits auf sechs oder sieben eng beschriebenen DIN-A-4 Seiten verschiedene Kritikpunkte aufgeführt. Ich möchte also an dieser Stelle keinen Katalog der Einzelkritikpunkte aufmachen. Dafür haben wir sicherlich noch im Verlauf der Beratungen im Ausschuss Zeit und Gelegenheit.

Ich möchte allerdings einige Aspekte hervorheben und dabei ganz besonders auf die doch so strikte Abkehr vom offenen Vollzug als Regelvollzug eingehen. Ganz ehrlich, Law and Order ist eine feine Sache, aber eine Rückkehr in Zeiten jenseits der vorletzten Jahrhundertwende wollen wir doch sicherlich nicht.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Da war nicht alles schlecht!)

– Da war sicherlich nicht alles schlecht, Herr Körfges, aber ich glaube, lieber Herr Kollege, Sie meinten das jetzt anders, als es jetzt vielleicht gewertet werden könnte.

Vollzugsziele, Opferschutz: Ja, darauf können wir uns selbstverständlich einigen als einen ganz wesentlichen Aspekt im Bereich der Adhäsion und im Bereich des Ausgleichs von Opfern, Opferschutz vor Täterschutz, keine zweite Meinung dazu.

Allerdings halte ich es für falsch, den Resozialisierungsgedanken hier völlig über Bord zu werfen. Wenn wir das als Begründungsansatz, sehr geehrter Herr Kollege Kamieth, für die Abkehr vom offenen Vollzug als Regelvollzug sehen, wird mir – das muss ich ganz ehrlich sagen – ein bisschen schwarz vor Augen. Da haben Sie nämlich ausgeführt: Soziale und schulische Defizite stehen einem offenen Vollzug grundsätzlich entgegen. – Sorry, Herr Kollege Kamieth, aber diesem Gedanken vermag ich nicht zu folgen. Wahrscheinlich gilt das auch meine Fraktion; wir haben es noch nicht im Detail erörtert.

Gleichzeitig konnte ich mir bei der Lektüre des Gesetzentwurfs an einigen Stellen ein leichtes Schmunzeln – bei aller Ernsthaftigkeit – nicht verkneifen. Denn wir treffen an vielen Stellen alte Bekannte, auch aus der Beratungspraxis in dieser Legislaturperiode:

Ich nenne zum Beispiel die Nr. 8 der Leitlinien in § 46 des Entwurfs die Hintertür: jeder JVA ihren eigenen Drogenspürhund. Das war ein Antrag der FDP vom 15. Mai 2013. Hier muss man beachten – das kam auch in den Beratungen heraus –, dass bereits mit Drogenspürhunden gearbeitet wird. Die FDP wollte aber für jede Haftanstalt einen eigenen Hund.

Ein ähnliches Schicksal teilen auch § 8 Abs. 4 und § 39 Abs. 5 des Entwurfs. Die dortigen Normierungen stellen wieder Hintertüren für einen abgelehnten Antrag der CDU-Fraktion vom 24. April 2013 dar. Darin ging es um die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch gemeinnützige Arbeit. Sehr pikant allerdings ist das im Entwurf genannte Beispiel, dass die Gefangenen zehn Jahre arbeiten sollen, um auf diese Weise ihre Verfahrenskosten zu tilgen. Wenn man das hochrechnet und berücksichtigt, dass die Leute auch noch Taschengeld und nach der Entlassung Überbrückungsgeld brauchen, muss man sich fragen, ob das innerhalb von zehn Jahren überhaupt leistbar ist.

Man könnte die Liste noch fortsetzen. Nicht zuletzt sprach Frau Kollegin Lüders an, dass Frauen als Gefangene nicht so berücksichtigt sind. Uns fehlt zum Beispiel auch eine Regelung bezogen auf die immer älter werdenden Gefangenen. Auch darüber wird man sicherlich noch reden müssen.

Insgesamt bietet dieser Gesetzentwurf eine Menge Diskussionsstoff. Wir werden die Debatte wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum führen müssen. Ich bin gespannt, was der Herr Justizminister dazu noch zu sagen hat. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

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