Mittwoch, 10. Juli 2013
TOP 4. Gute Arbeit für alle, Arbeitslosigkeit vermeiden und verkürzen, Arbeitslosenversicherung neu ausrichten
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
[Audio:https://cloud.piratenfraktion-nrw.de/public.php?service=files&t=48221b225c0ba212459e22e1545409dd&download]
Audiomitschnitt der Rede von Torsten Sommer
Wortprotokoll zur Rede von Torsten Sommer:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und natürlich auch im Li-vestream! Auch wenn draußen die Wolken ein bisschen aufziehen, habe ich es trotzdem geschafft, in den letzten Tagen meinem Namen alle Ehre zu machen, hoffe ich.
Leider sieht es nicht ganz so sonnig aus, was die BA und ihr Steuerungssystem angeht. Das hat der Zwischenbericht – ich möchte deutlich darauf hinweisen: Es ist ein Zwischenbericht vom November 2012 – des Bundesrechnungshofes gezeigt und vor allen Dingen, wie manipulierbar dieses Steuerungssystem und wie leicht es zu missbrauchen ist. Das ist eine ganz schlimme Geschichte. Es muss dagegen gearbeitet werden.
Zu den Details; Beispiele sind teilweise gerade schon genannt worden. Junge Menschen, die noch vor einem Schulabschluss stehen, werden von Berufsberatern im System VerBIS registriert, wenn die Berufsberater die Schulen besuchen. Bis dahin ist das nichts Schlimmes. Ab diesem Moment gelten sie als ratsuchend – bei Eltern, die allerdings schon im SGB-II-Bezug stehen, direkt als arbeitssuchend. Finden die Jugendlichen einen Job oder eine Lehrstelle ohne die Vermittlung der Agentur, zählt das System der Agentur das Ganze trotzdem als erfolgreiche Vermittlung. Das ist definitiv ein richtiger Fehlanreiz – übrigens mit acht Punkten im System viel zu hoch angesetzt für zwei Klicks im Endeffekt. Das geht gar nicht.
Anders sieht es bei Langzeitarbeitslosen aus. Hier wird ein sogenanntes – ich darf zitieren – Creaming betrieben. Wenn ich mir anschaue, wie wenige Abgeordnete leider nur noch hier sind, gehe ich davon aus, dass diejenigen, die hier sind, sich darunter wahrscheinlich etwas vorstellen können. Ich finde es in bisschen schade. Wir sollten vielleicht zu einer etwas anderen Mittagszeitregelung kommen. Das wird dem Thema hier nicht gerecht.
(Beifall von den PIRATEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist richtig! Wir werden es auch ändern! Das ist auch mein Ansinnen!)
– Das wäre schön, gerne gemeinsam.
„Creaming“ bedeutet, dass sogenannte marktferne Langzeitarbeitslose durch erheblich weniger Vermittlungsanstrengungen betreut werden als leichter oder marktnahe zu vermittelnde Arbeitslose. Erschwerend kommt hinzu, dass bei den marktfernen Arbeitslosen keine Protokollierung erfolgt, falls ein Suchlauf durch die Systeme stattfindet, der nicht erfolgreich ist, also keine Stelle auswirft. Das wird nicht protokolliert. Das macht das System an der Stelle noch weniger aussagekräftig. Danke für den Hinweis, Herr Alda. Darauf haben wir im Gespräch mit der Agentur hingewiesen. Man sicherte uns zu, dass man das ändern möchte. Wir sind sehr gespannt.
Insbesondere Arbeitssuchende mit sogenannten multiplen Hemmnissen fallen einfach durch das Raster. Dieses Steuerungssystem gibt die absolut falschen Anreize. Wir müssen auf eine großartige Änderung dieses Systems hinwirken. Wir erwarten von der Bundesagentur, dass sie die Änderungen dieses Systems sehr transparent und sehr offensiv kommuniziert. Ändert sich daran und im Kommunikationsverhalten der Agentur nichts – das Zitat von Herrn Weise ist eine ordentliche Nebelkerze und leider nicht mehr …
(Widerspruch von Walter Kern [CDU])
– Ich finde schon, dass es viel sinnvoller wäre, offensiv zu kommunizieren. Das mit richtigen Zahlen unterlegt hat wesentlich mehr Sinn. Wenn einmal ein Fehler passiert, ist das nicht schlimm. Dann erläutern, nachbessern – schön.
Allerdings enthält der Bericht des Bundesrechnungshofes auch Hinweise darauf, dass die Gesamtsystematik des SGB-III-Bezuges dringend verbesserungsbedürftig ist. Über das katastrophale SGB-II-System wollen wir an der Stelle gar nicht reden, sondern uns nur auf die Fehler des SGB III beziehen. Hier muss es eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen in Arbeit zu bringen. Alter, Erkrankungen oder eine nicht vorhandene Ausbildung dürfen hier auf keinen Fall ein Hindernisgrund sein. Die schon genannten Hemmnisse müssen für die Agentur erst recht ein Ansporn sein, alle Menschen in Arbeit zu bringen.
Hilfestellung, Orientierung und Weiterbildungsmaßnahmen können dauerhaft nur ohne Sanktionen funktionieren. Menschen, die nur durch Sanktionen in Beschäftigungsverhältnisse gepresst werden, wird so nicht geholfen. Hier wird der gesamten Gesellschaft ein Bärendienst erwiesen. Es ist keine Seltenheit, dass die so vermittelten Erwerbslosen innerhalb von sechs Monaten – Herr Garbrecht referierte gerade dazu – bei drei oder mehr Zeitarbeitsunternehmen kurzfristig beschäftigt sind. Diese kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse helfen niemandem und beschädigen die Betroffenen. Damit ist übrigens auch den Zeitarbeitsfirmen selbst nicht geholfen. Hier müssten deutlich mehr individuelle Maßnahmen zur persönlichen Förderung her. Statt auf Quantität sollte hier auf Qualität gesetzt werden.
Aufstockung, Ausweitung von Minijobs und das Unterlaufen von Lohnuntergrenzen durch Werkverträge wie gerade erst im fleischverarbeitendem Gewerbe missbraucht sind sozialer Sprengstoff und gehören grundsätzlich auf den Prüfstand und wahrscheinlich sogar abgeschafft.
An dieser Stelle muss auch der Gedanke über ein Grundeinkommen zugelassen sein. Wir werden das in nächster Zeit noch weiter ausführen.
Ein letzter Satz zum Entschließungsantrag der CDU: Er geht komplett an der aktuellen Problematik vorbei. Mich würde auch interessieren, wer ihn geschrieben hat. Er ist in sich widersprüchlich. Dementsprechend werden wir den Entschließungsantrag auch ablehnen.
Ich bin übrigens sehr gespannt auf Ihre Lösung zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung, Herr Alda. Wenn Sie einen vernünftigen Vorschlag haben, arbeite ich gerne mit Ihnen zusammen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
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