Plenarrede: Olaf Wegner zu dualem System bei Krankenversicherung

Freitag, 21. Juni 2013

 

TOP 7. Duales System der Krankenversicherung erhalten, 46.000 Arbeitsplätze sichern!

Antrag FDP

Block I

Unsere Redner: Olaf Wegner

Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Überweisung  an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –  sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand  und Handwerk; die abschließende Beratung und Abstimmung sollen im  federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

 

Audiomitschnitt der Rede von Olaf Wegner

Wortprotokoll zur Rede von Olaf Wegner:

Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Vor genau zwei Wochen war ich auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit in Berlin. Auch in Berlin – und da gehört das Thema eigentlich hin – wurde die Bürgerversicherung zum Wahlkampfthema erkoren.

SPD, Grüne, CDU und FDP – entschuldigen Sie bitte den Versprecher, ich meine natürlich die Ärztekammer und nicht die FDP –

(Zurufe von der FDP: Oh, oh!)

haben ihre Positionen dort wahlkampfbetont ausgetauscht. Die FDP war nicht anwesend.

Eines ist mir indes aufgefallen: Beim Austausch der Positionen ging es primär um den Austausch von komprimiertem Expertenwissen. Aber so komprimiert, wie in Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, hat sich niemand getraut, sich zu äußern.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: FDP!)

Frau Schneider, erlauben Sie bitte eine Bemerkung zu der Studie von der Hans-Böckler-Stiftung: Googeln hilft.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, bei der Finanzierung des Gesundheitswesens werden wir uns in den nächsten Jahren neue Ideen und Konzepte überlegen müssen. Anders werden wir die Probleme der Kostenträger, die mit der Überalterung der Bevölkerung sowie mit dem demografischen Wandel einhergehen, nicht lösen können.

Das heißt, Denkverbote im Hinblick auf neue Konzepte wie die Bürgerversicherung, wie sie von den konservativen und liberalen Kräften kolportiert werden, helfen bei der Lösung des Finanzierungsproblems nicht weiter. Zukunftsorientierte Politik sieht an dieser Stelle anders aus.

Aber auch das populistische Vorgehen der Verfechter der Bürgerversicherung ist hier fehl am Platze. Die simplifizierte Darstellung, dass das Finanzierungsproblem des Gesundheitswesens einfach mit der Einführung irgendeiner Bürgerversicherung gelöst sei, ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall von Daniel Düngel [PIRATEN])

Es ist zum Beispiel bekannt, dass viele Leistungen für GKV-Patienten überhaupt nur angeboten werden können, weil die Ärzte lukrative PKV-Patienten versorgen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, das ist doch ein Fehler im System. Wir Piraten sagen dazu: It’s a bug, not a feature. – Bestenfalls ist es eine Krücke. Und auf diese Krücke zu bestehen bedeutet, den Patienten Gesundheitssystem zumindest in diesem Punkt für unheilbar zu erklären.

Wir Piraten haben im Gegensatz zu Ihnen noch nicht kapituliert. Unser Ziel ist es immer noch, die Krankheiten im System zu heilen, und nicht, die Krücke zum Heiligtum zu erklären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, das Hauptargument in Ihrem Antrag ist, dass in Nordrhein-Westfalen 46.000 Arbeitsplätze mit der Abschaffung der PKV gefährdet wären. Wie immer, wenn mit den Argumentationskrücken nichts mehr geht, dann kommt das Totschlagargument Arbeitsplätze. Zu diesem Argument drängen sich aber zwei Fragen auf:

Erstens. Ist die Gefährdung – ich wiederhole –, ist allein die Gefährdung von Arbeitsplätzen das Hauptkriterium, auf dessen Basis die finanzielle Sicherheit des Gesundheitswesens von 80 Millionen Menschen entschieden werden sollte?

(Beifall von den PIRATEN und Angela Lück [SPD])

Zweitens. Stimmt es überhaupt, dass 46.000 Arbeitsplätze gefährdet sind?

(Ralf Witzel [FDP]: Es könnten auch 50.000 sein!)

Ich will Ihnen die Fragen kurz beantworten.

Auf die erste Frage habe ich bereits eine Antwort gegeben. Ich bleibe dabei, dass uns Schranken im Kopf bei einem so wichtigen Thema wie der zukunftsorientierten Sicherung der Finanzierung des Gesundheitswesens nicht weiterhelfen.

Die Antwort auf die zweite Frage, ob 46.000 Arbeitsplätze verlorengehen, lässt sich nicht so einfach beantworten. Besser gesagt: Es gibt viele Prognosen und Studien, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Manche kennen diese veröffentlichten Studien, andere eben nicht.

In diesen Studien werden stets zwei Punkte diskutiert:

Die Gehaltsstruktur der Sozialversicherungsbediensteten unterscheidet sich um 25 % von der der Versicherungskaufmänner- und -kauffrauen. Das heißt, im Schnitt verdient ein GKV-Angestellter 30.000 €, ein PKV-Angestellter 38.000 €.

Von zehn Arbeitsbereichen sind drei bis vier Arbeitsbereiche in der GKV und der PKV vergleichbar. Für die restlichen sechs bis sieben Arbeitsbereiche müsste für die PKV-Mitarbeiter eine Umschulung stattfinden. Nehmen wir einmal an, die Gehaltsstruktur der GKV- und PKV-Mitarbeiter wird angeglichen; darüber hinaus wird eine Umschulung für die PKV-Mitarbeiter entwickelt. Dann kann man Ihrem Horrorszenario von 46.000 Arbeitsplätzen, die verlorengehen, nicht mehr folgen. Wie viele Arbeitsplätze am Ende verlorengehen oder eben nicht, ist dann eine Frage des Konzepts und dessen Umsetzung und keine allgemeingültige Regel. Mir ist natürlich klar, dass es nicht null Arbeitsplätze sein werden, die verlorengehen werden, aber es werden eben auch keine 46.000 Arbeitsplätze sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse kurz zusammen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Olaf Wegner (PIRATEN): Ich komme zum Schluss. – Die Zukunft der Krankenversicherung kann nicht allein durch die Bürgerversicherung gewährleistet werden. Die Finanzierung kann nicht mit Schranken im Kopf und Denkverboten gesichert werden. Die Zukunft der Kranken­versicherung betrifft alle Bürger. Aus diesem Grunde stehen wir für einen objektiven öffentlichen Diskurs, ob es eine Einheitsversicherung geben soll oder nicht, an deren Ende die Betroffenen, das Volk, ja die Bürger direkt entscheiden sollten, wo es in Zukunft langgeht. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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