Plenarrede: Frank Herrmann zu kommunalem Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger

Freitag, 21. Juni 2013

 

TOP 8. Kommunales Wahlrecht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger einführen

Antrag PIRATEN

Block I

Unser Redner: Frank Herrmann

Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Überweisung  an den Ausschuss für Kommunalpolitik federführend, mitberatend in den Integrationsausschuss; die abschließende Beratung und  Abstimmung sollen dort in öffentlicher Sitzung erfolgen.

 

 

Audiomitschnitt der Rede von Frank Herrmann inkl. Nachtrag zur Rede

Wortprotokoll zur Rede von Frank Herrmann:

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Es ist Freitagnachmittag, trotzdem geht es um ein wichtiges Thema. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Stream! Geehrte anwesende Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen! Bezugnehmend auf unsere Debatte von gestern zum Thema „Wiederholungswahl“ kann ich Ihnen leider einen weiteren Antrag zur Änderung des Kommunalwahlrechts nicht ersparen. Die Zeit, zu handeln, ist jetzt und nicht später.

Bereits im November 2012 habe ich während der Beratung zu Ihrem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie darauf hingewiesen, dass wir Piraten von Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative zum Ausländerwahlrecht erwarten, die sich für das Wahl‑ und Stimmrecht auf kommunaler Ebene für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen einsetzt.

Ich habe Ihnen allen damals die Frage gestellt, warum Menschen nicht dort wählen dürfen, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben. Es kam keine Antwort. Passiert ist bis heute nichts. Wir wollen aber nicht weiter warten. Und so stellen wir heute selbst einen Antrag für eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes, damit die Ausgrenzung unserer Nachbarn von der demokratischen Teilhabe, die Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund und die Ausgrenzung von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit endlich ein Ende hat.

Wir Piraten fordern in unserem Programm schon lange die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger. Natürlich sind wir nicht die ersten. Seit vielen Jahren setzen sich Initiativen, Bürger, Integrationsräte für das passive und aktive Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger ein. Bereits 2007 startete die Kampagne „Hier, wo ich lebe, will ich wählen!“. Unzählige Migranten haben ihren Wunsch geäußert, durch ein kommunales Wahlrecht mitzubestimmen, wie die Zukunft ihrer Gemeinden aussieht. Das ist ein absolut legitimer Wunsch, mit dem wir uns endlich beschäftigen müssen.

Viele Migranten leben seit so vielen Jahren in unseren Städten und Gemeinden, sind hier geboren, identifizieren sich mit ihrer Stadt und engagieren sich gesellschaftlich vor Ort. Sie dürfen aber keine politischen Vertreter in die Räte schicken. Dabei ist die Teilhabe an demokratischen Prozessen im Lebensumfeld auch ein Weg in die Integration.

Die Zukunft heißt Vielfalt. Und diese Vielfalt von Meinungen, Wünschen und Vorstellungen muss sich endlich auch in den Stadträten und deren Ausschüssen widerspiegeln. Es ist schlichtweg absurd, 1,2 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen explizit von einem elementaren demokratischen Mitwirkungsrecht auszuschließen, obwohl sie seit Jahrzehnten in Deutschland leben. 16 EU-Staaten haben die kommunale Mitbestimmung längst eingeführt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Dass man sich in Deutschland immer noch nicht zur Gewährung des Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Bürger durchringen konnte, ist traurig und peinlich.

In Schleswig-Holstein wurde am 26. April der gleiche Antrag auf den Weg gebracht. Eine einzige Partei hat dagegen gestimmt. Im Bund haben vor zwei Wochen FDP und CDU die Streichung der Optionspflicht abgelehnt. Und Hans-Peter Friedrich hat es geschafft, dass die Freizügigkeit in der Europäischen Union eingeschränkt werden kann. Ich glaube, dass wir in Deutschland integrationspolitisch schon sehr viel weiter wären, wenn sich die CDU endlich öffnen würde.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Integrationspolitische Initiativen und Ideen – Frau Güler, ich nehme Sie da ausdrücklich heraus – dürfen nicht an den Vorstellungen dieser einen Partei scheitern. Die CDU muss endlich in unserer modernen Gesellschaft ankommen und nicht auf den Begriff des „abgestammten Staatsvolks“ beharren, dem in der Realität mittlerweile nichts mehr entspricht.

Seit mehr als 20 Jahren dürfen EU-Bürger in Deutschland kommunal wählen. In Schleswig-Holstein wird nun auch gefordert, dass EU-Bürger auf Landesebene wählen dürfen. Für die CDU ist nicht nur das Internet Neuland, sondern leider immer noch auch die Integrationspolitik.

(Beifall von den PIRATEN)

Verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Altparteien, Ihre Kollegen in Berlin haben gerade gezeigt, dass sie ein Gesetz zum Aufbau von demokratischen Hürden in nur neun Tagen durch den Bundestag bringen können. Gemeint ist die Dreiprozenthürde bei der Europawahl. Ich halte Sie alle nicht für Antidemokraten. Deswegen zeigen Sie doch mal, dass es auch andersherum geht und bringen Sie diese Bundesratsinitiative zum Abbau von Hürden schnell auf den Weg. Gewartet haben die Menschen lange genug. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Wortprotokoll des Nachtrags zur Rede von Frank Herrmann:

Frank Herrmann (PIRATEN): Viel Zeit habe ich nicht mehr übrig. Ich wollte nur ganz kurz klarstellen: Der Antrag zur Änderung des Kommunalwahlrechts, den wir angesprochen haben, kommt dann, wenn Sie die Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes erfolgreich durchgebracht haben. Wir wissen schon, wie das funktioniert.

Herr Biesenbach, noch einmal ganz kurz an Sie gerichtet: Die Debatte geht wirklich schon viel zu lang. Sie haben einen ganz wichtigen Punkt genannt: An-

reize schaffen. Wir sind der Meinung, dass ein kommunales Wahlrecht – wir reden hier vom kommunalen Wahlrecht, nicht von Landtags- oder Bundestagswahlen – für Nicht-EU-Bürger, die hier leben, ein ganz wichtiger Anreiz sein kann, das zu erleben, was möglich ist, wenn man sich kommunal einbringen kann. Das kann vielleicht ein ganz wichtiger Anreiz sein, dann auch die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Deswegen finden wir es wichtig, dass das weiterverfolgt wird und dass wir das möglichst bald umsetzen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

 

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