Plenarrede: Dietmar Schulz zu Haushaltsgesetz 2013

Mittwoch, 20. März 2013

 

TOP 1. Haushaltsgesetz 2013, 3. Lesung

Drucksache 16/1400

Bericht und Empfehlung, A07
Beschlußempfehlung, Haushalts- und Finanzausschuss
Drucksache 16/2300 

In Verbindung mit

Finanzplanung 2012 – 2016 mit Finanzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen

Bericht und Empfehlung, A07
Drucksache 16/2121 

Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/2348

Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

Entschließungsantrag der Fraktion der Fraktion der FDP

Drucksache 16/2347

Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

 

In Verbindung mit

Gemeindefinanzierungsgesetz 2013, 3. Lesung

Drucksache 16/1402 
Bericht und Empfehlung, A07
Drucksache 16/2301 

Unsere Abstimmungsempfehlung: Enthaltung

Änderungsantrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/2349

Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

 

In Verbindung mit

Gesetz zur Änderung des Wasserentnahmeentgeltgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Lesung

Drucksache 16/1286

Beschlußempfehlung, A07
Drucksache 16/2294 

Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

Belastungen für Verbraucher und Wirtschaft durch Wasserentnahmeentgeltgesetz reduzieren: Landesregierung muss Forderungen von Naturschutzverbänden, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden umsetzen!
Antrag der Fraktion der CDU
direkte Abstimmung
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
Falsche Berechnung des Flächenansatzes im GFG – Die Landesregierung muss das GFG gesetzeskonform umsetzen
Antrag der Fraktion der CDU
direkte Abstimmung
Unsere Abstimmungsempfehlung: Enthaltung

Unser 2. Redner:  Dietmar Schulz

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal!

(Günter Garbrecht [SPD]: Kollege, reden Sie lauter! – Weitere Zurufe)

– Ich rede lauter und fange noch einmal an.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer oben auf der Tribüne und zu Hause am Stream! Ich hoffe, das ist laut genug.

(Beifall von Karl Schultheis [SPD])

Wir müssen gar nicht so laut sein. Heute war es hier ja schon sehr laut. Folgendes habe ich zum Verständnis der Bürgerinnen und Bürger, die auch oben auf den Tribünen sitzen, ganz klar festgestellt: Ich habe meine Zweifel, dass alle verstanden haben, was in diesem Hohen Hause bei einer dritten Lesung zum Haushalt teilweise abläuft.

(Zurufe von Eva Voigt-Küppers [SPD] und Christian Lindner [FDP])

Normalerweise würden wir jetzt, wenn wir auf einer Veranstaltung der Piraten wären, ein Meinungsbild dazu einholen. Leider deckt sich das nicht mit der Geschäftsordnung dieses Hauses.

Ich greife das auf, was Herr Kollege Priggen eben als einen Vorwurf der Showveranstaltung formulierte; ich glaube, das war auf die CDU gemünzt. Er hat dazu das Beispiel des Taumelkäfers gewählt. Dem wollte, glaube ich, Herr Kollege Lindner einen Ring, eine Auszeichnung für künstlerische Darbietung, verpassen. Ich meine, da nimmt sich hier im Saal nie-mand etwas,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen! – Marc Herter [SPD]: Der Ring ist schon weg! – Weitere Zurufe)

ohne ganz klar zu machen, worum es hier eigentlich geht.

Es geht hier um das Wohl dieses Landes, und es geht um das Wohl der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

(Fortgesetzt Zurufe)

– Ich höre so viele Zwischenrufe. Das finde ich großartig. Sie kommen hier aber gar nicht an. Die Akustik ist so miserabel, dass ich sie einfach nicht höre.

Was wir hier machen, ist für die meisten Menschen, die uns zuhören, nicht verständlich. Es kommt gar nicht an. Wir alle hier glauben, wir sind die Experten, und machen irgendetwas für die Bürger.

Unser Fraktionsvorsitzender hat das eben schon in seiner Rede erwähnt: Wir wollen keine Politik für die Bürger machen – natürlich auch –, aber vor allen Dingen wollen wir Politik mit den Bürgern machen. Wenn wir die Bürger bei der Entwicklung dessen, was wir glauben das im Rahmen der Repräsentativität für die Bürger gut ist, mit ins Boot holen wollen, müssen wir sie fragen – nicht nur alle vier oder fünf Jahre an den Wahlurnen, sondern permanent.

Auch dies tun wir. Wir sind dazu übergegangen, die Bürger aufzufordern, zu bitten und zu fragen, uns mitzuteilen, welche Defizite sie im Land Nordrhein-Westfalen sehen, welche Wünsche, Anregungen und Vorstellungen sie haben, wie Politik zu sein hat, und zwar nach der Wahl, nicht vor der Wahl.

Wir befinden uns jetzt in einer Zeit des Wahlkampfs auf Bundesebene. Im September sind Wahlen. Das merkt man in diesem Hause natürlich deutlich. Entsprechend dem jeweiligen Lager werden jetzt Vorwürfe laut, wer was gut macht und wer was schlecht macht. Natürlich: Immer diejenigen, die an der Regierung sind, machen aus Sicht der Opposition alles schlecht.

Wir sind der Auffassung: Alles ist gestaltbar. Wir sind dazu da, Politik zu gestalten, und das nach Möglichkeit sogar fraktionsübergreifend, wenn wir im Blick haben, dass wir etwas für dieses Land und vor allen Dingen für die Bürger dieses Landes bewirken wollen.

Wir zeigen Zukunft und neue Wege auf. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn alle Kräfte in diesem Hause – wir haben es in den Ausschüssen teilweise erlebt – gemeinsam versu-chen würden, Wege zu finden, die uns allen ermöglichten, am Ende zu sagen: Wir finden einen Konsens, damit in diesem Hause nach Möglichkeit übergreifende Anträge gestellt werden können.

(Beifall von den PIRATEN)

Konsens ist die Frage. Konsens ist das Ziel – meines Erachtens nicht im Sinne von politischem Lagerdenken 1.0 mit permanenten Rollen von Regierung und Opposition, sondern beides …

(Nadja Lüders [SPD]: Das ist im Parlamentarismus schon mal so!)

– Bitte? Was?

(Nadja Lüders [SPD]: Das ist im Parlamentarismus schon mal so!)

– Das ist im Parlament schon mal so. Genau, Frau Kollegin!

(Nadja Lüders [SPD]: Parlamentarismus!)

– Das ist im Parlament schon mal so. Ich habe auch nichts gegen die Kontroverse. Im Ge-genteil: Ich bin sogar ein Freund derselben, wenn sie am Ende zu einem Kompromiss bzw. zu einem Konsens zu führen geeignet ist, der nicht von ideologischen Grabenkämpfen überlagert wird bzw. der nicht darin ausgetragen wird. Kontroversen sollten – das haben wir schon mehrfach erlebt – mit dem Ziel ausgefochten werden, dass am Ende ein Konsens auf dem Tisch liegt.

Nun kommen wir zum wechselseitig vorgeworfenen Wortbruch. Als ich heute Morgen in den Landtag fuhr, wurde mir von Polizeibeamten ein Zettel in die Hand gedrückt. Darauf steht „Wortbruch”. Es geht um den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, der auf die Beamten dieses Landes übertragen werden soll oder auch nicht. Nun ist dieser Zettel von der Ge-werkschaft der Polizei, die nicht gerade im Verdacht steht, in Bezug auf die regierungstra-gende Koalition nicht regierungsfreundlich zu sein.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn da drauf steht …

(Minister Ralf Jäger: Das ist nicht wahr, was da draufsteht!)

– Das ist nicht wahr, was da drauf steht?

(Minister Ralf Jäger: Das habe ich Ihnen vorhin doch erklärt! Das kann ich auch noch mal tun!)

– Ja, ja. Das können wir noch ein paar Mal erklären. Wenn nicht wahr ist, was da darauf steht, müsste man der Gewerkschaft der Polizei und den vielen Beamten natürlich auch noch – was soll ich sagen? – Unwissenheit oder Lüge unterstellen. So weit möchte ich weiß Gott nicht gehen. Verehrter Herr Minister Jäger, wenn Sie sagen, dass die Polizisten, die diesen Zettel gemacht haben,

(Der Redner hält ein Schriftstück hoch.)

lügen, dass das nicht stimmt, was hier draufsteht, möchte ich nicht sehen, was Sie in der nächsten …

(Minister Ralf Jäger: Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt!)

– Bitte?

(Minister Ralf Jäger: Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt!)

– Sie haben gesagt: Es ist nicht wahr, was da draufsteht.

(Minister Ralf Jäger: Das ist keine Lüge!)

– Na ja, was nicht wahr ist, ist eine Lüge! Meine Herrschaften, also bitte!

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Christian Lindner [FDP]: Interessant! – Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU] – Weitere Zurufe von CDU und FDP)

– Sei es drum!

Wenn hier im Hause oder auch außerhalb des Hauses von der Landesregierung oder auch von den die Regierung tragenden Fraktionen Versprechungen gemacht werden wie im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, dann ist das sehr wahrscheinlich die Wahrheit – Zitat –:

„Wir wollen einen starken öffentlichen Dienst … Hierfür brauchen wir motivierte und qualifizierte Beschäftigte, denen wir in den letzten Jahren einen großen und zum Teil spürbaren Beitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte abverlangt haben. Diesen geleisteten Beitrag der Beschäftigten erkennen wir ausdrücklich an.”

Das ist wahrscheinlich die Wahrheit, da es aus dem Koalitionsvertrag stammt.

Wenn dann dort steht: „Ausschluss von 60 % der Polizistinnen und Polizisten von den Tariferhöhungen, zusätzlich 710 Millionen € Sonderopfer des öffentlichen Dienstes, hohle Worte statt Wertschätzung, Landesregierung am 18.03.”, dann können Sie natürlich sagen: Das ist nicht wahr. – Nur dann muss das, was hier angekündigt worden ist im Land Nordrhein-Westfalen, nämlich die Umsetzung des Tarifs auf die Ebene der Beamten, auch tatsächlich umgesetzt werden.

Jetzt sind wir bei den Haushaltsberatungen in der dritten Lesung, wissen im Prinzip, dass dieser Tarifabschluss in irgendeiner Form kommt – es war ja schon im letzten Jahr klar, dass er kommen würde –, und reden dann davon, dass er umgesetzt werden muss. Wir ha-ben im Haushalt eine globale Minderausgabe von fast 1 Milliarde €, eine dreiviertel Milliarde. Herr Minister Walter-Borjans, korrigieren Sie mich: Ist es fast eine Milliarde? – Ja. Das sind im Großen und Ganzen die Kürzungen, die sich im laufenden Haushalt in irgendeiner Form realisiert sehen wollen.

Die Zahlen liegen ja auf dem Tisch. Sie zeigen, was es kostet, die Tariferhöhungen umzusetzen, auch auf der Ebene der Landesbeschäftigten, der Beamten dieses Landes. Ob das nun Polizisten, Richter, Staatsanwälte etc. pp. Sind – alle sind davon betroffen.

Ich denke, da ist noch Luft. Ich glaube auch, es wird darauf hinauslaufen, dass die Landesregierung das entsprechend umsetzen wird, dass diese vielen Menschen, die uns allen, den Bürgern in diesem Lande, wirklich zu dienen bereit sind und dieses auch tun, nicht im Regen stehen gelassen werden sollten.

Von daher bin ich bereit, zu sagen: All das, was wir hier an sozialer Teilhabe immer gern nicht nur verkünden, sondern auch propagieren und nach vorne bringen, das gehört nicht nur in die Zukunft gedacht, sondern das gehört hier an Ort und Stelle auch einmal ausgesprochen. Wir müssen die Menschen, die in unserem Lande arbeiten und wirklich daran ori-entiert sind, das Gemeinwohl zu stärken und alles dafür zu tun, dass es uns in diesem Lande gutgeht, mitnehmen. Dazu gehört selbstverständlich auch eine gute Bezahlung. Und dazu gehören auch die Beamten unseres Landes. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz.

 

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