Plenarrede: Schulz zum Sparkassengesetz

Plenarsitzung 18, 13. Dezember 2012

Sparkassengesetz ideologiefrei anpassen – Sparkassen vor Ort entlasten!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN

Drucksache 16/1628

Mitschnitt der Rede von Dietmar Schulz

Redeprotokoll:

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen und zu Hause am Stream! Im Prinzip reicht die Redezeit nicht aus. Wir haben jeweils fünf Minuten Zeit für eine Debatte über eine Gesetzesänderung. Nicht anders kann man das verstehen, was SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Antrag verfolgen. Es ist bereits eine Gesetzesänderung, die letztendlich nur noch mal eben abgenickt werden soll. Denn darauf läuft es hinaus.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Blödsinn!)

Das, was heute hier durch den Antrag festgeschrieben wird, sind die Bedingungen, die Sie im Koalitionsvertrag von den Sparkassenverbänden fordern. Und was sollen denn die Sparkassenverbände anderes machen, als genau dem beizupflichten, was Sie hier vorschreiben? Oder aber es könnte natürlich auch sein, dass die Sparkassenverbände bereits die Bedingungen mit geschrieben haben, mit aufgesetzt haben.

Wie man es auch dreht und wendet: Das, was von Ihnen im Koalitionsvertrag als Bedingung gefordert wird, soll heute beschlossen werden. Und das geschieht definitiv – das muss man ganz klar sagen – unter Verletzung gewisser parlamentarischer und demokratischer Gepflogenheiten in diesem Hause.

(Zurufe von der SPD)

– Darüber kann man sich jetzt aufregen. – Natürlich gibt es noch ein Gesetzesänderungsverfahren. Natürlich ist eine solche Gesetzesänderung im Raum. Aber sie ist nicht heute und hier im Raum. Entscheidend ist, Herr Kollege Börschel, dass bereits mit Ihrem Antrag all die Punkte, die durch das Gesetz normiert werden sollen, hier und heute festgeschrieben werden sollen. Denn das, was hier und heute mit diesem Punkteplan beschlossen wird, ist quasi Gesetz.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

– Aber selbstverständlich! – Dieses hat bereits Normcharakter, Herr Kollege Börschel. Das ist definitiv so.

(Zurufe von der SPD)

Nicht anders ist es zu verstehen, wenn der Landtag eine Woche vor Weihnachten offenbar sich selbst oder aber auch den Sparkassenverbänden ein Weihnachtsgeschenk machen soll, während hier durch das Haus bereits der Glühweinduft wabert.

(Martin Börschel [SPD]: Sie müssen uns einmal einladen! Bei uns gibt es das nicht!)

Alles wunderschön. Das kennen wir auch aus anderen Zusammenhängen, zum Beispiel im Zusammenhang mit den Gesundheitsreformen. Damals war die Fußballweltmeisterschaft, und jetzt haben wir Weihnachten.

Da staunt man wirklich nicht schlecht über einen Katalog von Maßnahmen oder Vorhaben, der als – das möchte ich anmerken – Fusion light zu bezeichnen ist. Sie sagen auf der einen Seite: Nein, wir wollen die Fusion nicht. – Was schreiben Sie jedoch auf der anderen Seite in den Katalog? – Abgesehen davon, dass es an mehreren Stellen dort wortwörtlich steht, zeigt dieser Maßnahmenkatalog fast alle Kriterien einer Fusion auf. Es ist also durchaus eine Fusion gewollt, zumindest Augenwischerei ist gewollt. Irgendwie wollen Sie doch eine Fusion. Dann wollen Sie es aber nicht. Das heißt, der rechtliche Rahmen für eine Fusion, wie er in § 36 Sparkassengesetz normiert ist, soll nicht eingehalten werden. Das wollen Sie nicht.

Das kann man ja zunächst insofern hinnehmen, als die Mehrheitsverhältnisse hier im Hause das ausweisen. Aber man muss es nicht hinnehmen ohne eine Debatte über das Gesetz. Es ist nur die Frage: Wird nicht die Debatte über die Gesetzesänderung bezüglich § 36 Sparkassengesetz zur Farce, wenn heute diesem Antrag gefolgt wird? – Ich sage Ihnen: Ja!

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dies, meine Damen und Herren, ist schlicht und ergreifend ein Schlag ins Gesicht eines jeden Demokraten.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Denn wir sollen hier mit diesem Antrag von der Regierungskoalition übertölpelt werden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Börschel zu?

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Kollege Börschel, das würde ich gerne tun, wenn dieser Antrag im Rahmen einer ordnungsgemäßen Gesetzesänderungsdebatte gestellt würde. Das ist nicht der Fall. Deshalb möchte ich Sie bitten, mir diese Frage im Ausschuss im Zusammenhang mit der Änderung von § 36 Sparkassengesetz erneut zu stellen.

(Martin Börschel [SPD]: Es gibt kein Verfahren!)

– Danke, Herr Kollege Börschel: Es gibt kein Verfahren. Das bestätigt im Prinzip das, was ich gerade gesagt habe.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Hier soll das Haus, hier soll das Parlament mit einem Maßnahmenkatalog übertölpelt werden, der letztendlich darauf hindeutet, dass es im Prinzip nur noch rein formal eines Verfahrens zur Änderung des Gesetzes bedarf. Aber inhaltlich wird heute alles abgesegnet, was demnächst nur noch in den Ausschüssen durchgewunken werden soll.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Was hier ansteht, ist eine Fusion light. Das werden Ihnen Juristen, das werden Ihnen Bank- und auch Wirtschaftsfachleute definitiv bestätigen.

Noch etwas: Der Risiken, die 2008 durch die Lehman-Pleite und die Bankenkrise aufgelaufen sind, konnten sich die Sparkassen entledigen. Sie sind in der EAA gelandet, und die Helaba hat die Rosinen bekommen. Die Beteiligung der Sparkassenverbände an der Helaba ist auch aufgesetzt. Sämtliche Risiken sind weg.

Sie fordern hier im Maßnahmenkatalog auch eine Intensivierung des Verbundgeschäfts. Letztendlich war die WestLB, wie bekannt ist, eine Verbundbank. Die WestLB ist weg; sie ist zerschlagen. Das ist ja wunderbar gelaufen. Und jetzt streben die Sparkassen, die Sparkassenverbände das Geschäft in neuer Form, nämlich mit der Helaba, an. Hier soll – so könnte man es auch nennen – eine WestLB light normiert werden.

Also: Fusion light und WestLB light. Das heißt, wir müssen erleben, dass die Sparkassen auf dem Rücken der Sparer, die die Einlagen erbringen, um das Konstrukt überhaupt aufrechtzuerhalten, und auf dem Rücken der Kommunen weiterhin Geschäfte betreiben, wie sie üblicherweise denen einer Vollbank entsprechen. Warum sollen dann bitte schön Sparkassen – das ist meine persönliche Meinung – nicht auch ordnungsgemäß fusionieren und im Rahmen von konzernrechtlichen Strukturen auch denjenigen …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Abgeordneter.

(Zuruf von der SPD: Redezeit!)

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ist die Überziehungsminute schon vorbei? – Gut. Das ist in der Tat traurig und ein Problem, dass man bei einem so umfangreichen Katalog von Änderungen nicht ausreichend Zeit hat; auch das habe ich moniert.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen. Wir waren sehr großzügig.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ich komme zum Schluss.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bei allem Respekt, Sie müssen direkt zum Schluss kommen.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ich komme jetzt direkt zum Schluss. – Dementsprechend lässt sich diesem Antrag nicht zustimmen. Unserem Änderungsantrag kann man durchaus zustimmen. Denn er gewährt die Möglichkeit, dass hier nicht Pflöcke in den Boden gerammt werden müssen, die hinterher nicht mehr ausgeglichen werden können. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Landesregierung hat Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans das Wort.

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