Rückblick

Expertendiskurs mit Professor Bontrup

„Wo Schulden sind, ist auch Vermögen“

Mittwochabend war Professor Heinz-Josef Bontrup für einen Expertendiskurs in der Piratenfraktion. Ziel war es, das wirtschaftspolitische Profil der Piratenfraktion zusammen mit dem renommierten Volkswirt zu schärfen und neue Perspektiven zu den aktuellen Themen aus dem Bereich Wirtschaft und Finanzen zu diskutieren. Nach seinem Vortrag zum Thema „NRW Landeshaushalt – Gestaltungsmöglichkeiten zwischen Schuldenbremse, ESM und Fiskalpakt“ diskutierte er mit den 20 Piraten Fragen rund um Wirtschaft und Finanzen und beantwortete darüber hinaus Fragen aus dem Netz.

Als Querdenker und Kritiker des Fiskalvertrags hat Professor Bontrup dargestellt, wie die Neoklassik und einseitige neoliberale Denkmuster in der Wirtschaftswissenschaft ursächlich für die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise waren. Diese Wirtschaftspolitik werde aktuell unverändert weiter praktiziert und führe deshalb immer tiefer in die Krise, so Bontrup. Kritik übte er insbesondere an der deutschen Politik, die einseitig auf Sparen und Austeritätsprogramme setzt. Es würden zu hohe Sparquoten und Geldvermögen angehäuft, so dass das Geld nicht in den realen Kreislauf zurückgegeben werde. Dadurch werde zu wenig konsumiert und investiert, woraus Massenarbeitslosigkeit und schließlich eine Abwärtsspirale resultierten.

Auf einen Punkt legte er dabei besonderen Wert: wenn auf der einen Seite Schulden gemacht werden, bedeutet das auf der Gegenseite auch immer vorhandenes Vermögen in exakt gleicher Höhe. Es müsse in der öffentlichen Diskussion heraus gestellt werden, dass hinter jedem Schuldner immer ein Vermögender steht. Wenn man über Schulden spricht, müsse man auch über Vermögen reden, denn die Summe der Schulden ist immer gleich groß der Summe aller Vermögen. Es gäbe viele Reiche und Vermögende, die einen Überschuss an Liquidität haben. Wo sollten denn die Reichen und Vermögenden in Zukunft ihr Geld unterbringen, wenn der Staat aufgrund der Wirtschaftskrise als Kreditnachfrager ausfiele? Die daraus resultierende Notwendigkeit der Umverteilung von Vermögen stellt für ihn ein Lösungsansatz dar. Mit Blick auf die Euro-Krise bedeute dies, dass Vermögen auch zwischen Ländern umverteilt werden müsse, statt Staaten wie z.B. Griechenland kaputt zu sparen. Eine Sanierung eines Staates ist ohne die Kontrolle von Kapitalverkehr nicht möglich. Das wurde aber z.B. in Griechenland versäumt. Das Kapital ist geflüchtet.

Den Fiskalpakt bewertet Professor Bontrup besonders kritisch, da er allen Ländern in der EU Konjunkturprogramme verbieten werde. Konsequenz wäre, dass nur noch Kürzungsprogramme in den Staatshaushalten gefahren werden können. Was dabei herauskommt, sehe man an Griechenland, Spanien und anderen Ländern. Deutschland war in den letzten zehn Jahren der Profiteur des Euros. Kein Land habe so viel im Ausland verkauft wie wir. Dafür mussten sich auf der anderen Seite Länder gegenüber Deutschland verschulden. Die Politik wolle nun nicht einsehen, dass sich durch die aktuellen Kürzungsmaßnahmen, die  sich ausschließlich auf die Ausgabenseite beziehen, die Krise weiter verschärfe. Man brauche Solidarität in Europa und müsse den schwachen Staaten helfen, eben auch durch Konjunkturprogramme.

Bontrups Appell: das Thema Wachstum in Deutschland und Krise in Südeuropa müsse von zwei Seiten betrachtet werden und dürfe nicht nur einseitig diskutiert werden. Wir brauchten Solidarität, weil Europa sonst scheitert.

Hier geht´s zum Video der Veranstaltung:

http://www.youtube.com/watch?v=PfU0ex0MYrU

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Veröffentlicht unter Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Pressemitteilungen, Sonstiges, Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (A18)
3 Kommentar auf “Rückblick
  1. Jacky Neiwel sagt:

    Ein linker Professor, der in seinem Leben kaum körperlich gearbeitet hat kann es sich wohl kaum leisten, Leute wegen Steuerhinterziehung pauschal zu kriminalisieren! OHNE STAATSANLEIHEN hätte der Staat nicht die Möglichkeit seine Aufgaben zu erledigen. Wie kann sich jemand hinstellen und Leute, die für 0% Staatsanleihen kaufen, nur um den Staat am Leben zu erhalten, noch auf die Finger zu kloppen, wenn sie n bisschen was ins Ausland schaffen?

    Der Mann wirft ein schlechtes Bild auf euch, nehmt das nächste mal jemanden, der etwas von genau den Leuten versteht, der genau dieser Mann diffamiert.

  2. Jacky Neiwel sagt:

    “Das kann ich nicht beantworten”

    Immerhin, piratisch isser, aber Schwundgeld/umlaufgesichtes Geld ist mittlerweile zu nem Running Gag geworden. Der Bundestag lacht sich einhellig schlapp wenn jemand son Wort in den Mund nimmt.

    • Jacky Neiwel sagt:

      Ich wollt nur nochmal aufführen, dass ich das Video komplett mit großem Interesse verfolgt habe und dem Herren auf keinen Fall seine Qualifikation abspreche, allerdings teile ich nicht seine Schlussfolgerungen. Der Mann scheint davon auszugehen, dass das System funktionieren kann, wenn man ne neue Steuer einführt und die Arbeitszeiten auf 20 Stunden verkürzt. Er vergisst meines Erachtens, dass im produktivem Gewerbe wozu ich auch die Forschung zähle, nur noch ein Bruchteil der Deutschen Arbeit finden.Die ganzen Verwaltungsjobs nehmen Überhand und wer alles alleine in seinem verhassten Finanzsektor arbeitet, vernachlässigt er ebenfalls.

      Für unser Land gerechnet kommen wir tatsächlich mit etwa 5-10% aus an Fachleuten.Sein gelobtes Wachstum bedeutet leider auch immer Effizenzsteigerung und so wird es die Bäckereifiliale mit einer Abdeckung von 700 Haushalten in Zukunft nicht mehr geben, Viele Jobs im Einzelhandel existieren auch überhaupt nur, weil andere teils 14 Stunden am Tag arbeiten müssen. Für den REWE bis 24 Uhr gäbe es bei 20 Stunden Wochen vllt. garkeinen Markt.

      Wir haben uns eine Reihe von unsinnigen Jobs geschaffen, die überbürokratisiert werden und immer neue Arbeit nach sich ziehen, die wiederum genauso wenig Mehrwert haben. Puzzelt man das alles auf, bleibt ein kläglicher Rest an produktiven Arbeitern und davon arbeitet ein winziger Teil in der Forschung und der überwiegende Teil verdient im Vergleich am Wenigsten-allen voran der “einfache” Dienstleistungssektor, der wie die Friseusin garnicht wegzudenken ist aus einer zivilisierten Volkswirtschaft.

1 Pings/Trackbacks für "Rückblick"
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