Plenarrede: Joachim Paul zu Einrichtung einer Enquete-Kommission

Donnerstag, 21. März 2013

TOP 3. Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in Nordrhein-Westfalen unter den Bedingungen der Schuldenbremse und des demografischen Wandels in der Dekade 2020 bis 2030

Antrag der Fraktion der CDU
Block I – direkte Abstimmung
Unser Redner: Joachim Paul
Unsere Abstimmungsempfehlung:  Zustimmung

Das Wortprotokoll zur Rede von Joachim Paul:
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir diskutieren hier gerade über die Einsetzung einer Enquetekommission, in der es, wie schon gesagt, um die Tragfähigkeit von öffentlichen Haushalten unter den Bedingungen von Schuldenbremse und de-mografischem Wandel in der Dekade 2020 bis 2030 gehen soll. So weit, so gut – oder doch schlecht?Wenn man sich den Antragstext durchliest, bleiben Fragezeichen an den Grundannahmen förmlich kleben. Fangen wir mit der Behauptung an, dass der sogenannte demografische Wandel die öffentlichen Haushalte belasten werde. Es wird zunächst behauptet – ich zitiere –:„Bei unveränderten Rahmenbedingungen ist in Deutschland ab Mitte der 2020er Jahre sogar mit einem Rückgang des BIP zu rechnen.“

Diese Aussage stammt aus den intellektuellen Torfmooren von Gütersloh. Dennoch will ich ihr zunächst gar nicht die wissenschaftliche Validität absprechen. Aber sind Schuldenbrem-sen, Lohnnullrunden, Rentenkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen durch Erhöhung des Renteneintrittsalters die richtigen Elemente?

Die Frage wird doch schon im Antrag ideologisch beantwortet. Sie fordern in Ihrem Antrag – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –:

„Den demografischen Wandel gestalten heißt, wie eingangs gesagt, Herausforderungen zu bewältigen, für die es keine historischen Beispiele und kein Erfahrungswissen gibt. Umso wichtiger sind für Politik und Gesellschaft die nüchterne Aufarbeitung von Daten und Fakten, die möglichst konkrete Beschreibung der Herausforderungen und die ideolo-giefreie, argumentative Beratung über sinnvolle bzw. abwegige Lösungsvorschläge.“

Aber was bitte ist denn eigentlich die Schuldenbremse? Sie ist ein ideologischer Begriff; das ist ein Fakt.

(Werner Jostmeier [CDU]: Der kommt von Steinbrück! Der hat das in die Verfassung geschrieben!)

– Deswegen ist es trotzdem ein ideologischer Begriff, egal, wo er herkommt.

Nach meiner Ansicht wirkt sich die Schuldenbremse zunächst als Investitionsbremse aus, die Politik und öffentliche Haushalte in ihren Handlungsspielräumen einschränken wird.

(Christian Lindner [FDP]: Bizarr!)

Auch die möglichst frühzeitige Einhaltung der Schuldenbremse als unerlässlicher Schritt zur Sicherstellung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte ist eine ideologisch aufgeladene Aussage und hat mit Ihrer Einforderung der ideologiefreien Beratung überhaupt nichts zu tun.

Des Weiteren gibt es auch begründbare Kritik an Ihrer Argumentation und der Zahlenarith-metik zum Thema „demografischer Wandel“.

Erstens. Prognosen für ein halbes Jahrhundert sind Esoterik. Wer 1950 für das Jahr 2000 Aussagen treffen wollte, hatte mit Sicherheit nicht die Entwicklung und die Verbreitung der Antibabypille im Blick. Hätte man 1900 Aussagen zum Jahr 1950 machen wollen, wären die beiden Weltkriege mit Sicherheit nicht mitgedacht worden.

 

Zweitens. Als Grundlage der Erhebung des Statistischen Bundesamtes ging man 2003 von einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren aus. Dass dies verändert wurde, ist in dieser Berechnung aber nicht mehr enthalten. Auch interessant ist, dass eine Verschiebung des realen Renteneintrittsalters in Zukunft die Zahl der Beitragszahler größer werden lässt.

Aber wir wollen in der Bewertung der Frage der CDU und ihrer Enquetekommission nicht zuvorkommen. Wir freuen uns auf eine kontroverse und nachhaltige Diskussion in der Enquetekommission, deren Einsetzung wir sehr gerne zustimmen.

Erlauben Sie mir noch eine kleine Schlussbemerkung. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bedienen Sie sich andauernd der Einschätzung einer steuerbegünstigten Stiftung? Es gibt viele wissenschaftlich validere Studien zu dem Thema. Die werden wir hoffentlich in der Enquetekommission bearbeiten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege.

 

Getagged mit:
Veröffentlicht unter Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*

*