Top 10. Daniel Schwerd zu den Chancen des Freihandelsabkommen „TTIP“ für NRW

Donnerstag, 21. Mai 2015

 

Top 10. Nordrhein-Westfalens Wirtschaft braucht Freihandel – Wachstumschancen von TTIP nutzen

Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8644
Daniel Schwerd Foto: Tobias M. EckrichUnser Redner: Daniel Schwerd
Abstimmung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung
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Protokoll der Rede von Daniel Schwerd

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Vor knapp drei Jahren ist das hinter verschlossenen Türen ausgehandelte ACTA-Abkommen am zivilen Widerstand in ganz Europa gescheitert. Mit an vorderster Front damals: wir Piraten. Das war ein schöner Erfolg. Aber ACTA war gestern. TTIP, Ceta und TiSA sind heute. Viele der Regeln, die schon in ACTA drohten, sind heute wieder Vertragsbestandteile und Schlimmeres.

TTIP ist weiterhin hart umkämpft. Große internationale Konzerne, die zugehörigen Lobbyistengruppen sowie die daran hängenden Wurmfortsätze von Parteien versprechen uns bedeutende Arbeitsplatzgewinne. Kritiker warnen vor der Aushöhlung von demokratischen Entscheidungsfindungen sowie Daten-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzstandards. Und das sind nicht alles Wutbürger. Oder, Herr Brockes, zählen Sie die Katholische Kirche auch zu den Wutbürgern?

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben sich von Wutbürgern treiben lassen!)

Wirtschaftswissenschaftler rechnen mit einem sehr geringen Wirtschaftswachstum und wenigen neuen Arbeitsplätzen. Es gibt sogar Studien, die von einem Verlust von Arbeitsplätzen ausgehen. Aber in jedem Fall wird das Wachstum mit Kosten für die Allgemeinheit erkauft. Auf die Gefahren von TTIP für Demokratie und Rechtsstaat haben wir im Landtag schon mehrmals hingewiesen. Diese Freihandelsabkommen begrenzen den gesetzgeberischen Spielraum der demokratisch legitimierten Gremien. Herr Töns nannte das eben so schön „Selbstenteierung“. Ich finde das Wort sehr schön. Aber es wäre natürlich prima, Sie würden zu Herrn Gabriel gehen und ihm das auch erklären.

(Christian Lindner [FDP]: Mit dem Argument müssten Sie den Europäischen Binnenmarkt absagen!)

Aus landespolitischer Sicht kann man TTIP ebenfalls nur ablehnen. Denn schon heute müssen wir davon ausgehen, dass TTIP schwerwiegende Folgen für die nordrhein-westfälische Bevölkerung haben wird. Regionale Unternehmen und Kommunen sind betroffen. Nur zwei Beispiele dazu: Egal, wie man die jetzt nennen mag, mit TTIP sollen immer noch die Investorstaatsschutzklagen eingeführt werden. Es wird ein Einfallstor für milliardenschwere Schadenersatzklagen gegen konzernunliebsame Regelungen auf Bundes- und Landesebene geschaffen.

(Zuruf von den PIRATEN: Siehe Australien!)

Es gibt krasse Beispiele solcher Klagen, beispielsweise gegen den Nichtraucherschutz in Uruguay von Philip Morris oder gegen den Mindestlohn in Ägypten von Veolia. So etwas werden wir in Deutschland jetzt auch erleben oder vielmehr nicht erleben, denn solche Prozesse laufen unter Geheimhaltung. Selbst auf kommunaler Ebene werden wir solche Probleme betreffend kommunale Unternehmen erleben. Wenn US-amerikanische Datenkraken wie Facebook und Google keinerlei europäischen Einschränkungen bei Datentransfers unterliegen, ist das de facto eine Absenkung der hiesigen Datenschutzstandards.

Gleichzeitig tut die Bundesregierung in Brüssel alles, die EU-Datenschutzreform zu verwässern und hinauszuzögern.

TTIP wird den steinzeitlichen und innovationsfeindlichen Status quo des europäischen Urheberrechts manifestieren, obwohl hier größte Reformbemühungen auf EU-Ebene vonnöten wären, die bereits teilweise begonnen haben. Das ist nur ein Effekt des sogenannten Lock-in-Prinzips des Freihandelsabkommens. Jedwede Verbesserung von Standards, zum Beispiel von Verbraucherschutz-, Datenschutz- und Umweltstandards, wird nicht mehr möglich sein, wenn sie Wirtschaftsinteressen berührt. Eine Erhöhung eines Schutzniveaus kann es in Zukunft nicht mehr geben.

Herr Dr. Bergmann, Sie sagten gerade, dass wir den Umfang und den Inhalt der Vereinbarungen im Einzelnen noch gar nicht kennen. Nichtsdestotrotz wird im vorliegenden CDU-Antrag gefordert, man solle dem TTIP-Abkommen uneingeschränkt pauschal die Unterstützung erklären, man solle ihm gewissermaßen schon jetzt zustimmen, die Katze im Sack kaufen. So geht das nicht!

(Beifall von den PIRATEN)

Sie versuchen im Antrag, einige der Befürchtungen gegen TTIP zu entkräften mit eben jener Pauschalität und Unsachlichkeit, die Sie selber den TTIP-Kritikern vorwerfen. Als Beweis für die angeblich positiven Effekte von TTIP ziehen Sie als Studien getarnte Kaffeesatzleserei und Befindlichkeitsumfragen von Unternehmen heran. Das ist lächerlich! Kein Wunder, dass Ihnen das niemand mehr abnimmt.

(Beifall von den PIRATEN)

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Freihandel ist grundsätzlich eine gute Sache. Der Abbau von Handelsschranken, die Schaffung eines gemeinsamen Handelsraums sind Wege, um Grenzen zu überwinden und Menschen zusammenzuführen. Aber das muss auch der Kern eines Freihandelsabkommens sein: dem Menschen zu dienen und nicht den Interessen internationaler Konzerne. Bilaterale Handelsabkommen bauen zudem Grenzen nach innen ab, verstärken jedoch diese nach außen. Solange die Dritte Welt ausgeschlossen ist, wird sich dadurch die Ungleichheit auf der Erde weiter erhöhen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit, Herr Kollege.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Solche Abkommen müssen also auch eine Entwicklungslandkomponente haben.

Wir fordern weiterhin ein Ende der Verhandlungen unter den jetzigen Bedingungen. Ein kritisches Begleiten der Freihandelsabkommen ist nicht möglich.

Unsere Haltung werden wir auch so in die Beratungen im Ausschuss einbringen. Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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