Mittwoch, 29. April 2015
5. Nordrhein-Westfalen leistet „digitalen Widerstand“: Keine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung!
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8450
Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss:
„Der EuGH und das Bundesverfassungsgericht haben die anlasslose, massenhafte Vorratsdatenspeicherung zu Recht gekippt. Es werden massenhaft Grundrechte angegriffen und die Menschen werden unter Generalverdacht gestellt. Wir Piraten leisten digitalen Widerstand gegen eine neue Vorratsdatenspeicherung. Wir fordern, dass sich die rot-grüne Landesregierung gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung einsetzt.“
direkte Abstimmung
Unser Redner: Frank Herrmann
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung – Namentliche Abstimmung
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Protokoll der Rede von Frank Herrmann
Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger auf der Tribüne und im Stream! Um es gleich vorneweg zu sagen: Es ist völlig egal, ob von Quick Freeze, Mindestspeicherdauer oder Höchstspeicherfrist gesprochen wird es ist immer das Gleiche, nämlich die pauschale Vorratsdatenspeicherung über das Kommunikationsverhalten der Menschen in unserem Land.
(Beifall von den PIRATEN)
Wer spricht wann mit wem wie lange und von wo? Wer schickt wann wem eine SMS? Und wer ist wann wie lange mit welcher Kennung im Internet eingeloggt?
Sowohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2010 wie auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom letzten Jahr lassen keinen Spielraum für eine vorsätzliche, anlasslose und verdachtsunabhängige Speicherung von Kommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung. Der Europäische Gerichtshof führte dazu aus, dass die Speicherung ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte sei. Zudem erzeuge sie bei den Bürgern das Gefühl, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung sei.
Genau dieser Auffassung sind wir Piraten auch, und zwar seitdem die Europäische Richtlinie und die deutschen Gesetze dazu vor fast zehn Jahren in Kraft gesetzt worden sind. Es ist gut, dass diese Gesetze heute abgeschafft sind. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas hat noch vor vier Monaten in einem Tweet die Vorratsdatenspeicherung entschieden abgelehnt, weil sie, so schreibt er, gegen das Recht auf Privatheit und den Datenschutz verstößt. Was treibt nun Heiko Maas an, seine Meinung zu ändern? Offen gesagt, ich weiß es nicht.
In den Leitlinien, aus denen das Gesetz für Vorratsdatenspeicherung werden soll, wird sehr abenteuerlich argumentiert. Da heißt es, dass laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs nur die anlasslose Speicherung aller Daten unzulässig sei. Im Umkehrschluss soll dann die Speicherung in Ordnung sein, wenn man einige Daten, zum Beispiel die E-Mail-Kontakte, weglässt. Das macht mich wütend. Für wie dumm hält man die Menschen im Land eigentlich?
(Beifall von den PIRATEN)
Natürlich geht es nicht um alle Daten, sondern um die Daten von allen Menschen, der gesamten Bevölkerung, die wieder unter Generalverdacht gestellt werden soll. Das hat der Europäische Gerichtshof kritisiert und deshalb die europäische Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit den Grundwerten der europäischen Wertegemeinschaft erklärt. Für diese klaren Worte sind wir sehr dankbar.
(Beifall von den PIRATEN)
Offensichtlich erkennen nur die Gerichte, welchen Schaden die Speicherung des Kommunikationsverhaltens der gesamten Bevölkerung anrichten kann. „Wir wissen, was du die letzten zehn Wochen gemacht hast“, könnte der Slogan sein. Denn die gespeicherten Daten machen unser Leben aus. Die Daten zeigen, was wir tun, was uns interessiert, wo wir sind, mit wem wir uns treffen. Die Eingriffstiefe wäre heute viel intensiver als vor zehn Jahren, als die erste Vorratsdatenspeicherung eingeführt wurde. Denn die Smartphone-Revolution kam erst später und hat heute eine Abdeckung von fast 100 % erreicht.
Wollen wir wirklich eine Wohlverhaltensgesellschaft, die nach dem Motto „Verhaltet euch ruhig!“ ständig die Rückverfolgbarkeit der letzten zehn Wochen im Kopf hat? Ich glaube nicht. Wir Piraten wollen das auf jeden Fall nicht. Ein solches Vorhaben wäre auch schlicht unvereinbar mit den Grundprinzipien unseres Rechtsstaates, der Unschuldsvermutung, mit den Grundwerten unserer Gemeinschaft. Müssen wir tatsächlich wieder das Bundesverfassungsgericht anrufen? Eine Klage, die bereits von Bürgerrechtsgruppen und vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung angekündigt wurde, würde die volle Unterstützung der Piraten erhalten.
(Beifall von den PIRATEN)
Liebe SPD-Kolleginnen und -Kollegen hier im Saal, bei unserer letzten Debatte zum Thema „Vorratsdatenspeicherung“ meinten Sie, eine differenzierte Perspektive zur Vorratsdatenspeicherung zu haben. Ich bitte Sie, differenzieren Sie sie hin zur Rechtsstaatlichkeit und zur Achtung unserer Grundwerte! Senden Sie ein klares Signal nach Berlin! Wir in Nordrhein-Westfalen wollen keine anlasslose und massenhafte Überwachung unserer Gesellschaft. Wir in Nordrhein-Westfalen wollen nichts, was gegen unsere demokratischen Prinzipien verstößt. Wir in Nordrhein-Westfalen wollen kein unnützes Überwachungsinstrument, das keinen Mehrwert gebracht hat. Machen Sie es wie Ihre Kolleginnen und Kollegen der SPD in Dortmund, Frau Lüders, Frau Kieninger, Herr Jahl und Herr Minister Schneider, und stimmen Sie gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung! Stimmen Sie für unseren Antrag! Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN Vereinzelt Beifall von der FDP)
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