Mittwoch, 17. Dezember 2014
Top 2.
Gesetz zur Novellierung des Gesetzes über die Zuweisung und Aufnahme ausländischer Flüchtlinge (Flüchtlingsaufnahmegesetz – FlüAG)
Abschiebung in die Kälte stoppen – NRW muss eine Anordnung zur Aussetzung von Abschiebungen gemäß § 60a Abs.1 AufenthG in ausgewählte Staaten während der Wintermonate erlassen
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7543
Unser Redner: Frank Herrmann
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
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Videomitschnitt der kompletten Debatte
Protokoll der Rede von Frank Herrmann:
Frank Herrmann (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es passt nicht zusammen, dass wir den großen Showdown rund um die Flüchtlingsaufnahme gemeinsam mit unserem Antrag für einen Abschiebestopp während der Wintermonate beraten. Es ist sehr schade, dass anscheinend an beiden Plenartagen nicht einmal eine halbe Stunde mehr Zeit da war –
(Beifall von den PIRATEN)
ein bisschen mehr Zeit, um die Situation von Geflüchteten in Deutschland und die Situation in angeblich sicheren Herkunftsstaaten zu beraten. Das wären diese Menschen schon wert gewesen.
(Beifall von den PIRATEN)
Aber hier geht es anscheinend nur um Augen zu und durch. Der Haushalt ist abgestimmt – mit viel Eigenlob und noch mehr Selbstverleugnung. Frau Düker, die Zahlenspiele, die Sie eben gebracht haben, waren schon abenteuerlich. Denn ohne die 108 Millionen € vom Bund für den Verkauf Ihrer Stimme im Bundesrat hätte es hier für den Haushalt und für die Unterstützung der Unterbringung von Geflüchteten in den Kommunen ganz schlecht ausgesehen.
(Beifall von den PIRATEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Sind 90 Millionen € nichts?)
Meine Damen und Herren, die mutlose und kraftlose Politik der rot-grünen Landesregierung im Bereich der Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen wird fortgesetzt. Daran haben weder Lampedusa noch Burbach etwas geändert. Es wird also ein „Weiter so“ geben. Das steht nun fest.
Ich finde es nicht nur bedauerlich, sondern fatal, dass wir erneut die dringende Reform der Flüchtlingsaufnahme, nämlich die Neukonzeption, aufschieben. Natürlich sehen wir Ihre Anstrengungen. Aber einfach nur mehr Geld in ein gescheitertes System zu stecken, ist falsch.
(Beifall von den PIRATEN)
Wir haben sehr viele gute Vorschläge unterbreitet, seit Monaten und schon seit Jahren. Für den Haushalt waren sechs sehr konkrete Lösungen für nachhaltige, humane und praktische Konzepte vorgeschlagen – alle abgelehnt.
Dennoch geben wir auch heute nicht auf und schlagen nun erneut Änderungen für das vorliegende Flüchtlingsaufnahmegesetz vor. Kommunen, die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen, betreuen und versorgen, sollen belohnt werden und Fördermittel erhalten. Ihr Gesetzentwurf garantiert bisher nicht, dass das versprochene Geld die Situation für die Flüchtlinge wirklich verbessert. Dafür bräuchte es verbindliche Mindeststandards, wie sie zum Beispiel der Flüchtlingsrat erarbeitet hat.
Sie überlassen es aber weiterhin den 396 Kommunen, ob Flüchtlinge angemessen versorgt bzw. untergebracht werden. Das kann gut gehen, wie in Lünen, Leverkusen und Mülheim. Es gibt aber gerade im ländlichen Raum viele Kommunen, da schlafen Flüchtlinge auf dreckigen Matratzen, und über dem Schimmel wächst schon Moos. Solche Geschichten hört man, wenn man einmal mit den ehrenamtlichen Helfern vor Ort spricht. Dieses Glücksspiel bei der Unterbringung muss endlich aufhören!
(Beifall von den PIRATEN)
Ein weiterer Punkt: Von sozialer Betreuung fehlt in ländlichen Gegenden oft jegliche Spur, auch weil die im Gesetz festgeschriebenen 4,5 % der Mittel nicht einmal für die Einrichtung eines Minijobs reichen. Wir wollen deshalb die Prozentzahl im Gesetz verdoppelt sehen. Dann können, nein dann müssen auch kleinere Kommunen sich um soziale Betreuung bemühen.
Meine Damen und Herren, liebe Frau Düker, lieber Herr Körfges, wir müssen endlich den Weg gehen und Standards für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen im ganzen Land setzen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich mag das Wort „Konnexität“ wirklich nicht mehr hören; es ist gleichbedeutend mit „Verantwortungslosigkeit“. Andere Bundesländer sind längst den Weg der gesetzlichen Festschreibung von Mindeststandards gegangen. Und Fördertöpfe unterliegen keinem Konnexitätsgebot. Sie haben einfach keinen Mut und keine Kraft!
(Beifall von den PIRATEN)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu unserem Antrag für einen Winterabschiebestopp kommen. Wir sind sehr gespannt darauf, wie Sie die Abschiebung in Kälte, Hunger und Verfolgung in diesem Winter rechtfertigen. Wieder machen es Ihnen andere Bundesländer vor und zeigen, wie grüne Flüchtlingspolitik aussehen kann.
Ein Erlass aus NRW wäre ein Signal gegen die flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen à la PEGIDA. Wenn wir hier im Landtag einen Abschiebestopp über den Winter auch für Roma beschließen würden, würden wir damit auch ein Zeichen gegen Feindlichkeit gegenüber dieser Volksgruppe setzen und den Vorurteilen über angeblichen Asylmissbrauch entgegentreten.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat unlängst wieder an uns, an die Politik, appelliert, mehr gegen Antiziganismus und Antiromanismus zu tun. Dringender Handlungsbedarf wurde angemahnt. Dass Roma in den Herkunftsstaaten nicht wirklich sicher sind, das wissen auch Sie, Frau Düker; Sie haben es eben auch angedeutet. Das Verwaltungsgericht Münster hat daran ebenfalls starke Zweifel.
Stimmen Sie deshalb für den Wintererlass, wie Thüringen und Schleswig-Holstein das bereits getan haben, und sorgen Sie für Sicherheit und Menschenwürde für Flüchtlinge im Winter! – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
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