Streit bei den Grünen um Nuklearpolitik – Fraktionsvorsitzender der Grünen übernimmt Piratenforderungen und stellt sich gegen grüne Landtagsfraktion
Der Vorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion Anton Hofreiter übernimmt Forderungen der Piratenfraktion im Landtag NRW zur Nuklearpolitik und stellt sich damit gegen die Landtagsfraktion seiner Partei. Am gestrigen Mittwoch (23.07.2014) forderte er in der „Aktuellen Stunde“ des WDR, Atomtransporte künftig auch den Kommunen und Katastrophenschützern vor Ort bekannt zu geben und die Urantransporte zu reduzieren, indem man „zum Atomausstieg passend auch die Urananreicherung unterläßt und die dafür zuständigen Fabriken nach und nach schließt.“
Damit übernimmt er Forderungen, die wir im Landtag gestellt haben [1], [2] und die dort und im zuständigen Ausschuss [3] mit den Stimmen der vier Pro-Atom-Parteien inklusive der grünen Landtagsfraktion niedergestimmt wurden. Gefahrgutinformationssysteme, wie von uns gefordert, gibt es bereits in anderen Bundesländern, auch rot-grün regierten.
Aktuell stehen wir vor dem Problem der Räumung des Lagers Jülich. Herr Markert von den Grünen zitierte im Zusammenhang mit unseren Anträgen im Sommer 2013 den Koalitionsvertrag mit dessen Aussage, es dürfe aus Jülich nur noch einen Transport geben, den in ein Endlager. Von den Grünen hört man nichts dazu, dass diese Aussage im Koalitionsvertrag jetzt Makulatur ist.
In Bälde soll das neue Uranoxidlager in Gronau in Betrieb gehen. In Gronau können jetzt schon bis zu 50.000 Tonnen Uranhexafluorid gelagert werden. Zusätzlich beschloss die damalige rot-grüne Landesregierung im Jahre 2005 die Genehmigung für ein Lager für weitere 60.000 Tonnen Uranoxid. Da die Umwandlung in Südfrankreich stattfindet, wird Uranhexafluorid von Gronau dorthin gekarrt, umgewandelt und kommt als Uranoxid zurück. 20.000 Tonnen Uranoxid warten bereits in Südfrankreich auf den Transport. 7.000 Tonnen produziert Gronau jährlich neu dazu, auch das neue Lager wird bald voll sein. Es handelt sich um Atomabfall, der im Laufe der Zeit kritischer wird. Hauptbestandteil ist 238Uran, dessen Zerfallsprodukte stärker strahlen als das Ursprungsmaterial, so dass die Gefährlichkeit mit der Zeit zunimmt.
Das bedeutet, wie von Anfang an kritisiert, weitere Transporte. Ohne Gefahrgutinformationssystem, mit unzureichender Information der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen und erwartbarem Chaos im Falle eines Unfalls oder einer Sabotage mit unabsehbaren Folgen für die Betroffenen.
Abgesehen von NRW lässt sich zur Atompolitik in Deutschland insgesamt sagen, dass unklar bleibt, was für einen „Atomausstieg“ Herr Hofreiter meint. Bisher gibt es nur Laufzeitgarantien für Atommeiler bis in die 2020er Jahre hinein mit einer augenzwinkernden Option auf Verlängerung zwischen den Zeilen, die von der SPD-Grünen-Koalition unter Schröder und Fischer vor ca 15 Jahren beschlossen und in der letzten Bundestagslegislatur mit den Stimmen der Grünen nochmals bestätigt wurde. Zuvor hatte die damalige Bundesregierung die Option der weiteren Laufzeitverlängerung gezogen und nahm diese Entscheidung nach dem katastrophalen Seebeben vor Japan und der folgenden Zerstörung der AKW in Fukushima unter dem Druck der Öffentlichkeit und nicht etwa wegen besserer Einsicht vorläufig zurück.
Natürlich produzieren auch die noch laufenden AKW in Deutschland weiteren hoch- und höchstradioaktiven Atommüll. Da es nach wie vor kein Endlager gibt, wird die Forderung des Atomgesetzes nach geregelter Endlagerung nach wie vor nicht erfüllt. Bisher behalf man sich mit Zwischenlagerung, was die Gerichte akzeptierten. Angesichts der geänderten Lage mit einem neuen Endlagersuchgesetz und einer neuen, dazu gehörigen hilflos agierenden Endlagersuchkommission stellt sich die Frage, ob die Atompolitik in Deutschland überhaupt noch mit geltendem Recht vereinbar ist. Das Zwischenlager Brunsbüttel war es jedenfalls nicht.
Auch der Versuch, kommerzielle Reaktoren zu Forschungsreaktoren umzudefinieren, hat nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Abgebranntes Material aus kommerziellen Reaktoren darf nicht exportiert werden, Material aus Forschungsreaktoren schon. Und sofort werden in der Öffentlichkeit Begriffe wie „Versuchsreaktoren“ und „Entwicklungsreaktoren“ zum Zwecke der Begriffsverwirrung und -Aufweichung für den trotz seines Namens kommerziellen AVR Jülich und den ebenfalls kommerziellen sozialdemokratischen Staatsreaktor THTR Hamm lanciert.
Wir fordern einen kompletten Ausstieg aus der Nuklearwirtschaft im Zusammenhang mit Stromerzeugung, aus allen Bereichen des Kreislaufes, so schnell wie möglich. Das ist zunehmend nicht nur eine politisch durchzusetzende Forderung. Dank der abnehmenden Rechtsstaatlichkeit wird auch die juristische Ebene eine zunehmende Rolle spielen, das zeigt das Beispiel Brunsbüttel.
[1) http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-3242.pdf
[2] http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-3243.pdf
[3] http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMA16/294
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