Mittwoch, 2. Juli 2014
Top 8. Landesregierung muss Konzept zur flächendeckenden Einführung eines nicht-konfessionellen Werteunterrichts an Grundschulen vorlegen
Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6128
Unser Redner: Monika Pieper
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Überweisung
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Protokoll der Rede von Monika Pieper
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Pieper.
Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns ausdrücklich über den Antrag der FDP-Fraktion und begrüßen die Diskussion im Ausschuss. Religionsfreiheit ist uns ein hohes Gut. Die Freiheit und Vielfalt der religiösen und weltanschaulichen Einstellungen ist eine wichtige Errungenschaft der modernen Gesellschaft. Sie zu erhalten und zu entwickeln, ist eine beständige Aufgabe von Politik und Gesellschaft.
Wenn wir von Religionsfreiheit reden, dann ist für Piraten aber auch immer die negative Religionsfreiheit gemeint. Es ist auch die Freiheit von religiöser Bevormundung. Es ist mir wohl bewusst, dass wir heute noch keine konsequent säkulare Verfassung haben. Ich weiß auch um die historischen Gründe. Ich erwarte jetzt auch keine revolutionären Änderungen, aber Schritte zur Anpassung an die gesellschaftlichen Realitäten sind längst überfällig.
Die Einführung eines nicht konfessionellen Werteunterrichts an Grundschulen ist genau so ein Schritt in diese Richtung. Es ist das berechtigte Interesse zum Beispiel von Familien, deren Kinder keiner Konfession angehören, auch an Grundschulen ein alternatives Angebot zur Wertevermittlung neben dem konfessionellen Religionsunterricht zu haben. Das gilt auch für Angehörige anderer Religionen. Ich halte es daher für wünschenswert, dass Grundschulen allen Kindern, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ein alternatives Angebot machen können. Wir wissen alle, wie schwierig es ist, sowohl organisatorisch als auch pädagogisch, im Moment die Kinder anders zu betreuen, sie in anderen Klassen zu lassen. Ich sehe hier also auch dringenden Handlungsbedarf.
Ich möchte aber den nicht konfessionellen Werteunterricht tatsächlich in allen Schulen. Der Antrag der FDP differenziert da ja nicht, sondern es wird gesagt: Der Werteunterricht soll an allen Grundschulen in NRW stattfinden. Das wird dann aber kompliziert. Denn wir haben verschiedene Grundschulformen, die sich in der Frage des Religionsunterrichts unterscheiden.
An den Gemeinschaftsgrundschulen gibt es in der Regel Religionsunterricht in den großen christlichen Konfessionen, an einigen Schulen inzwischen auch Religionsunterricht anderer Konfessionen und Religionen. An den Bekenntnisgrundschulen gibt es meist nur Unterricht im Schulbekenntnis. In Ausnahmefällen gibt es Religionsunterricht in einem Minderheitenbekenntnis. Die Teilnahme am Religionsunterricht ist an der Bekenntnisschule Pflicht. An Weltanschauungsschulen gibt es dagegen überhaupt keinen Religionsunterricht. Insofern ergibt sich da die Problematik gar nicht.
Wenn wir aber sagen, wir wollen eine Veränderung der Gesellschaft, und wir müssen gucken, was sich verändert hat, wie Schule damit umgeht und welche Prioritäten wir haben, dann muss ich Frau Beer und Frau Hendricks zustimmen, dass wir im Moment tatsächlich die Priorität haben, über Bekenntnisschulen zu sprechen und nicht über Ethikunterricht an den Grundschulen. Mir scheint das das dringendere Problem zu sein. Denn als konfliktträchtig hat sich das Thema „Religionsunterricht“ anders als Sie es in Ihrem Antrag darstellen an den Bekenntnisschulen ergeben. Dort wurden nämlich Kinder, als sie sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, der Schule verwiesen. Die Rechtmäßigkeit von Schulverweisen im Falle der Abmeldung vom Religionsunterricht wurde von Verwaltungsgerichten bestätigt. Aber es gibt verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Praxis. Das ist ja auch in dem Forum zur Zukunft der Bekenntnisschule von Herrn Prof. Wißmann angesprochen worden.
Daher ist es für uns wichtig, dass auch die Bekenntnisgrundschulen in ein Konzept zur Einführung eines nicht konfessionellen Werteunterrichts einbezogen werden. Wir müssen uns mal die Zahlen vor Augen halten. Um wie viele Schulen handelt es sich? Wir haben 69 Kommunen, in denen es ausschließlich katholische Bekenntnisschulen gibt. So unterhält Borken mit 41.600 Einwohnern zum Beispiel ausschließlich neun katholische Grundschulen. Alternativen: keine. NRW ist neben Niedersachsen das einzige Bundesland, das die öffentliche Bekenntnisgrundschule überhaupt noch kennt. Die Piratenpartei hat sich ganz deutlich für die Umwandlung der Bekenntnisschulen in allgemeine Grundschulen ausgesprochen. Daher, liebe Sigrid Beer, begrüßen wir außerordentlich den Parteitagsbeschluss „Die Grundschule ist Schule für alle Kinder keine Segregation nach Religion und Konfession“ vom 14./15. Juni.
(Beifall von den PIRATEN)
Wir erwarten jetzt, dass die Landesregierung diese Beschlüsse zeitnah umsetzt.
Jetzt frage ich mich: Wo steht denn die FDP in Bezug auf die Bekenntnisschulen? Das ist ja gerade schon mal gesagt worden. Bereits vor Jahrzehnten haben auch Sie die Abschaffung der Bekenntnisschulen gefordert. In den 60er-Jahren waren die Liberalen die treibende Kraft, als in zahlreichen Bundesländern die Bekenntnisschulen abgeschafft wurden. Wenn Sie, meine Damen und Herren, liebe Frau Gebauer, es mit der von Ihnen postulierten Liberalität und mit diesem Antrag wirklich ernst meinen, dann müssen wir auch über Bekenntnisschulen reden. Herzlichen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, würden Sie noch eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Beer zulassen? Sie hat sich noch während Ihrer Rede gemeldet.
Monika Pieper (PIRATEN): Ja.
Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, das ist sehr nett. Ich begrüße es außerordentlich, dass Frau Gebauer wahrnimmt, was wir diskutieren, und auch die Piraten offensichtlich wahrnehmen, welche Beschlüsse wir auf Parteitagen fassen. Ich habe das aber immer so verstanden, dass dieses Parlament eigenständig arbeitet und nicht Parteitagsbeschlüsse, so wünschenswert sie auch aus der Sicht der unterschiedlichen Parteien sind, umsetzt.
Mich treibt aber noch etwas ganz anderes um, und zwar das, was Herr Kaiser eben gesagt hat. Ich gehe davon aus, dass auch die Piraten das so sehen ich habe Frau Gebauer ebenfalls so verstanden und sage Folgendes für SPD und Grüne: Mit der Einführung oder der Perspektive eines nicht konfessionell gebundenen Ethikunterrichts wollen wir nicht den Religionsunterricht aufheben. Das hat Herr Kaiser in seinem letzten Satz anklingen lassen.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
Absichtlich, genau, um das zu unterstellen.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
Da sind wir uns hoffentlich einig.
Monika Pieper (PIRATEN): Absolut. Es geht um Religionsfreiheit als Angebot an alle Schüler. Das ist doch selbstverständlich. Darüber brauchen wir nicht zu sprechen.
(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.
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