Donnerstag, 10. April 2014
Top 7. Hochschulzukunftsgesetz (HZG NRW)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Schulze. Als nächster Redner spricht für die Fraktion der Piraten der Fraktionsvorsitzende, Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Da ist er endlich, der lang ersehnte Hochschulgesetzentwurf. Zum Glück, kann man sagen, nur ein Entwurf; denn das, was wir da lesen müssen, hat mit Hochschulzukunft leider nicht wirklich viel zu tun.
(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN und Dr. Stefan Berger [CDU])
Ach! Warten Sie mal ab! Zaghafte Anstrengungen zur Demokratisierung der Hochschulen sind zwar zu erkennen, werden allerdings nicht klar formuliert, sondern eher auf die Grundordnungen der Hochschulen abgewälzt. Sie, Frau Ministerin Schulze, haben immer betont, Leitplanken einziehen zu wollen. Dem wird nach unserer Auffassung dieser Gesetzentwurf nicht gerecht. Wir müssen aber das bisherige sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz durch ein modernes Gesetz ersetzen, das den Ansprüchen von Demokratie und Transparenz wirklich gerecht wird. Dabei sind folgende auch in den bisherigen Zuschriften als wichtig angesehene Grundsätze zu beachten:
Erstens. Der Senat nimmt anstelle des abzuschaffenden Hochschulrates die Kontrollfunktion gegenüber der Hochschulleitung wahr. Hochschulräte sind, wie von mehreren Gerichten schon bestätigt, demokratisch nicht legitimiert und auch aus Sicht der grundgesetzlichen Freiheit von Forschung und Lehre nicht sachdienlich.
Zweitens. Im viertelparitätisch besetzten Senat werden alle Entscheidungen über die Ausrichtung und Wirtschaftsführung der Hochschulen getroffen; denn genau da gehören sie demokratisch auch hin.
Drittens. Die akademische und die studentische Selbstverwaltung bleiben erhalten. Ihre Strukturen werden gestärkt. Demokratie kann nur funktionieren, wenn sie auch gelebt wird. Dafür sind akademische und studentische Selbstverwaltungen ein Garant. Viertens. Ein neues, modernes und transparentes Finanzberichtswesen muss etabliert werden, damit Politik und Gesellschaft nachvollziehbar wissen, was mit den öffentlichen Geldern in Milliardenhöhe an den Hochschulen geschieht. Das wollen die Hochschulen auch. Aber dieser Gesetzentwurf ist da nicht konkreter geworden.
Fünftens. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ihr Bestreben der Erforschung, Vermehrung und Vermittlung von Wissen und Informationen werden in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Hochschulen sind immer nur Orte der Wissenschaft und nicht die Wissenschaft selbst.
Sechstens. Die Arbeitsverhältnisse an den NRW-Hochschulen müssen überprüft und die Anzahl von Befristungen und prekären Beschäftigungsverhältnissen muss minimiert werden, damit der Arbeitsplatz Hochschule wieder an Attraktivität gewinnt, auch in dem Sinne, dass den dort Beteiligten so etwas wie eine Lebensplanung ermöglicht wird. Hier reichen Freiwilligkeit und das Hoffen auf die Einsicht der Hochschulen nicht aus.
Es war ein Fehler, den Hochschulen die Personalhoheit anzuvertrauen; denn für die Beschäftigten ist das ein Nachteil. Auch das gehört zu den bisher ungenannten Wahrheiten des Hochschulfreiheitsgesetzes.
Siebtens. Die Offenlegung der Zahlen und Verträge aller Drittmittelprojekte der NRW-Hochschulen muss garantiert werden. Hier haben Sie, Frau Ministerin, der aufgebauten Drohkulisse der Abwanderung von Unternehmen vom Forschungsstandort NRW nicht standhalten können. Die Abschwächung im Regierungsentwurf ist nicht zu rechtfertigen. Wir wollen doch nicht, dass, wie an der Universität zu Köln, weiterhin Prozesse zur Informationsveröffentlichung geführt werden. Auch hier sieht man, dass die Interessen der Wirtschaft höher bewertet werden als die der Bürgerinnen und Bürger.
Achtens. Die Implementierung von Open Access in den Hochschul- und Forschungsalltag wird festgeschrieben. Dazu wird mein geschätzter Kollege Bayer nachher noch horizonterweiternd für Sie tätig werden.
(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh!)
Neuntens. Die Grundprinzipien eines offenen, innovativen Netzwerks der akademischen Bildung in Nordrhein-Westfalen, in denen sowohl Wettbewerbs- als auch Kooperationserfordernisse in ausbalancierter Weise zur Geltung kommen, werden durch die Hochschulen selbst erarbeitet. Der aktuelle Gesetzentwurf schneidet zwar viele Dinge an das ist erfreulich, aber er bleibt auf halber Strecke stehen. Wir bleiben bei unserer Bewertung, dass der Landesregierung der Gestaltungswille und der nötige Mut fehlen, auch unpopuläre Entscheidungen gegen Lobbyinteressen der Wirtschaft und der Hochschulleitungen zu treffen. Das zu ändern liegt jetzt an uns im Parlament. Aber wenn wir uns anschauen, in welche Reflexhaltungen SPD und Grüne verfallen, wenn der Wind entgegenbläst, erkennen wir, dass wir da leider nicht so viel erwarten können.
Diskutieren Sie in der Sache, und diskutieren Sie vor allem mit den Betroffenen auf Augenhöhe, und zwar mit allen Betroffenen, nämlich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Der sogenannte offene Dialogprozess hat anscheinend zu einer breiten Ablehnung der Pläne geführt. Aber wir freuen uns auf die Debatten im Ausschuss.
Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Schultheis.
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