Dietmar Schulz über das Bundesteilhabegesetz zur Entlastung der Kommunen

Donnerstag, 10. April 2014

 

Top 2. Gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Land und Kommunen fortführen – Finanzielle Entlastung von Städten, Gemeinden und Kreisen im Zuge des angekündigten Bundesteilhabegesetzes sicherstellen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
direkte   Abstimmung
Unser Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Enthaltung
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Protokoll der Rede von Dietmar SchulzVizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat.  Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hörten wir eben den Vorwurf des parteipolitischen Geplänkels, und wir hörten auch, dass seit 2010 aufgrund der Regierung von SPD und Grünen die Stimme der Kommunen im Landtag wieder etwas gelte. All das ist schön. Aber werfen Sie sich doch bitte nicht alle das Gleiche vor. Das Gleiche macht nämlich die CDU mit der SPD und umgekehrt. Der entscheidende Punkt ist doch: Was wird denn hier vertreten?  Hier wird keine Sachpolitik vertreten, hier wird Bilanzpolitik vertreten eine Bilanzpolitik mit leeren Händen. Nichts haben Sie in der Hand.

Das ergeben beide Anträge, sowohl die Anträge der regierungstragenden Fraktionen als auch der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion. Da steht nämlich drin: Wir wollen etwas haben.  Nur ist Landespolitik vor dem Hintergrund struktureller Fragen, die hier auch im Zusammenhang mit der Finanzierung der Kommunen stehen, keine Frage von Wünschen, sondern eine Frage von Fakten und Zahlen. Und die Zahlen, die Sie hier einfordern  vor allen Dingen die Zahlungen, die Sie hier prospektiv einfordern , stehen, lieber Herr Körfges, so gar nicht im Koalitionsvertrag im Bund.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das kann ich Ihnen vorlesen!)

Sie sagen zwar: „Das steht so drin, und so möchten wir es haben“, aber wenn man den Text genau liest, stellt man fest, es steht dort, dass dieser Koalitionsvertrag in Bezug auf die Kommunen nichts weiter ist als ein Testament. Das hatten wir auch schon am 26. März in der Aktuellen Stunde, die die FDP-Fraktion beantragt und mit der sie ganz offensichtlich den Kern getroffen hatte. Da ging es nämlich gerade darum, wie es mit den Zahlungen des Bundes an die Kommunen bzw. an die Länder zugunsten der Kommunen aussieht. Das sieht es ganz einfach dunkel aus. Die Gesetze müssen erst noch verabschiedet werden. Sie sollen im Laufe dieser Legislaturperiode im Bund verabschiedet werden. Das kann am Ende sein.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD]) Das kann 2017 sein. Und was 2017 verabschiedet wird, wird 2014, 2015, 2016 und 2017 nicht mehr umgesetzt. Also bleibt es doch dabei: Es ist ein Wunschkonzert.

Jetzt loben Sie auf der anderen Seite die GFG-Erhöhung und auch den Stärkungspakt Stadtfinanzen.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist gut!)

Sie loben in Ihrem Antrag indirekt sogar noch den Kommunalsoli, der gerade auf dem gerichtlichen Prüfstand steht. Das wird sich noch herausstellen, Herr Kollege Hübner. Ich sage Ihnen noch eines: Bei der Verabschiedung des Stärkungspakts Stadtfinanzen stand der momentane Koalitionsvertrag noch nicht zur Debatte. Wie kann es also, bitte schön, sein  und das ist auch Gegenstand der heutigen Debatte

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

ja, ja, Herr Kollege Körfges, ich komme darauf zurück , dass noch am 26. März ausgerechnet Sie, Herr Kollege Körfges,

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

sagten: „Wenn der Stärkungspakt gelingen soll“  das haben wir im Kommunalausschuss schon infrage gestellt  „müssen wir die 5 Milliarden € im Jahr 2017 haben“?  Der Kollege Körfges hat eine Zwischenfrage.

(Heiterkeit)

Vizepräsident Oliver Keymis: Lieber Herr Kollege Schulz, obwohl gerade ein Vorsitzwechsel erfolgt ist, haben wir das registriert. Jetzt geht es los.  Herr Körfges, bitte schön.

Hans-Willi Körfges (SPD): Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass sich diese Äußerungen, wie alle anderen Äußerungen in dem Zusammenhang, auf die gemeinsame Beschlussfassung des Landtags im Jahr 2010 beziehen  es war vor Ihrer Zeit; seinerzeit gab es eine andere kleine Fraktion , als wir uns alle hinter die Forderung gestellt haben, dass der Bund zu 50 % in die Kosten der Sozialleistungen eintreten muss und dass das damals auch der Bezugspunkt für den Stärkungspakt gewesen ist? Wären Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Dietmar Schulz (PIRATEN): Herr Kollege Körfges, ich nehme das selbstverständlich sehr gerne zur Kenntnis. Nur darf ich doch in Zweifel ziehen, dass Sie genau diese 5 Milliarden € meinten.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ich will mehr!)

Sie wollen mehr. Wir alle wollen natürlich mehr. Wir alle wollen unter Umständen diese 5 Milliarden € jährlich haben. Das ist der Punkt. Das steht auch in dem Antrag. Das ist genau das, was ich hier kritisiere: dass alle im Prinzip das Gleiche wollen. Sie wollen mehr Geld vom Bund. In Wahrheit steht das Land Nordrhein-Westfalen mit leeren Händen da.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Kollege Mostofizadeh, man steht jetzt im Kommunalwahlkampf und weiß den Kommunen nicht zu sagen, wo sie, bitte schön, das Geld hernehmen sollen; denn das Land verfügt einfach nicht über die Mittel. Nehmen wir das doch bitte einfach mal zur Kenntnis! Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land müssen doch wissen, dass es nicht davon abhängig ist, dass wir hier im Landtag irgendetwas beschließen, sondern dass es davon abhängig ist, dass auf der Bundesebene, wo nämlich SPD und CDU in einer Großen Koalition sitzen, entsprechende Beschlüsse gefasst werden. Das sagt wiederum der Antrag in einem seiner letzten Beschlusspunkte aus: dass, bitte schön, der Bund diese mittelfristigen Zahlungen leisten soll.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was sagen Sie zum Antrag?)

Herr Kollege Mostofizadeh, ich sage Ihnen, was ich darüber denke.  Ich weiß, dass im Land Nordrhein-Westfalen über 60 Kommunen weiterhin auf der Kippe stehen. Nideggen hat gerade einmal die Konsolidierung durch den Sparkommissar geschafft. So weit, so gut. Altena klagt gegen die Einsetzung eines Sparkommissars. Wir wissen noch gar nicht, welche Kommunen im Laufe dieses Jahres und im Laufe des nächsten Jahres auf der Kippe stehen und wo ebenfalls ein Sparkommissar hin muss.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Noch einmal die Frage: Was sagen Sie dazu?)

Nun warten Sie doch ab, bis ich fertig bin. Ich habe noch ein bisschen Zeit, Herr Kollege. Wenn ich mich darauf versteifen würde, so wie Sie zu agieren, nämlich einfach nur auf irgendwelche Wortbeiträge der anderen Kollegen einzudreschen, wäre das sicherlich weniger konstruktiv.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich sage Ihnen noch etwas: Die Politik der ausgestreckten Hand, die die Ministerpräsidentin dieses Landes am Anfang der Legislaturperiode verkündet hat, und zwar gerade in Bezug darauf, dass es in diesem Lande auch in Bezug auf die kommunalen Finanzen zu einer konstruktiven politischen Zusammenarbeit kommen soll, sehe ich momentan noch nicht, insbesondere nicht anhand der Anträge. Wenn es denn so ist  das kam hier teilweise in Wortbeiträgen auch zum Ausdruck , dass die Anträge gar nicht so weit voneinander entfernt sind, ja, mein Gott, dann sollte man sich doch  da werden wahrscheinlich die Kommunalwahlen im Wege stehen, das sehe ich gerne ein  mit allen Fraktionen an einem Runden Tisch zusammenzusetzen und dafür Sorge tragen, dass man Mittel und Wege findet, wie hier die Kommunalfinanzen zur Konsolidierung derselben auf einen sauberen Weg gebracht werden können. Da mag auch ein Altschuldenfonds in der Debatte eine Rolle spielen, selbstverständlich.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Noch einmal Ihr Vorschlag jetzt!)

Bitte?  Ja, das ist der Vorschlag. Dann setzen wir uns doch alle zusammen.

(Heiterkeit von der SPD)

Dann sind wir jenseits jedweden parteipolitischen Kalküls, Herr Mostofizadeh, was Sie hier eingangs vorgeworfen haben. Dann sitzen wirklich alle zusammen. Dann brauchen wir kein parteipolitisches Kalkül, denn die Kräfteverhältnisse im Bund

(Martin Börschel [SPD]: Was wollen Sie denn?  Weiterer Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

sind nun einmal so, dass SPD und CDU an einem Strang ziehen müssen. Dann ziehen Sie doch hier im Land ebenfalls an einem Strang und gehen gemeinsam, SPD und CDU, von mir aus flankiert von den Grünen, der FDP und den Piraten, Richtung Berlin und sagen: Leute, so muss es im größten Bundesland dieser Republik laufen.

(Michael Hübner [SPD]: Was denn?]

Das ist doch der Vorschlag. Dann setzen wir uns doch zusammen. Deswegen sage ich Ihnen, die Anträge …

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Ich finde es großartig, dass Sie dabei so laut werden. Ganz offensichtlich habe ich auch da den Nerv getroffen. Sie alleine kriegen es nämlich nicht hin, nicht in Nordrhein-Westfalen. Das bekommen Sie nur dann hin, wenn Sie den Koalitionspartner im Bund, runtergebrochen auf das Land, mit ins Boot nehmen. Das wäre in dem Fall die CDU. Also setzen wir uns zusammen. Kein guter Vorschlag, Herr Kollege Hübner?

(Michael Hübner [SPD]: Dann machen Sie doch einmal einen Vorschlag!)

Okay, dann lesen Sie es im Protokoll nach. Was die Anträge angeht: Sowohl bei dem Antrag der SPD als auch bei dem der CDU werden wir uns jedenfalls vonseiten der Piratenfraktion enthalten. Wir sehen darin gute Wege von der Grundlage her, über die man diskutieren kann, über die man auch versuchen kann, Mittel und Wege zu finden, um gegebenenfalls auf die Große Koalition im Bund mithilfe des Bundesrates und der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen durch Vermitteln der Ministerpräsidentin des Landes entsprechenden Druck aufzubauen, und zwar auch mithilfe der anderen Bundesländer, denn die trifft es gleichermaßen. Es ist ja nicht nur NRW, wo die Kommunen in einer Schieflage sind. Es gibt noch andere Bundesländer.

Vizepräsident Oliver Keymis: Lieber Herr Schulz, bitte kommen Sie zum Schluss.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Und dafür sollten wir sorgen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön für den Wortbeitrag, Herr Schulz.  Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Schneider.

 

Veröffentlicht unter Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden

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