Mittwoch, 9. April 2014
Top 14. Parteispendensumpf trocken legen: Evonik-Parteispendenaffäre als Ausdruck der Selbstbedienungsmentalität in der Politik
Audiomitschnitt der kompletten Debatte als Download
Protokoll der Rede von Nico Kern
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Kern das Wort. Bitte sehr.
Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal oder zumindest zu Hause! Die RAG-Stiftung wurde im Juni 2007 als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet und mit der Aufgabe betraut, die Abwicklung des subventionierten deutschen Steinkohlenbergbaus zu bewältigen samt der Finanzierung der daraus entstehenden Ewigkeitskosten. Zur Bewältigung ihrer Aufgaben ist die RAG-Stiftung finanziell auf die Evonik AG als Vermögensmasse angewiesen. Auslöser unseres Antrages ist nun die Tatsache, dass seit 2007 von der Evonik AG 1,4 Millionen € Spenden an CDU, SPD, Grüne und FDP flossen. Zwar sind Spenden nach dem Parteiengesetz von privaten Unternehmen an Parteien grundsätzlich zulässig, aber nur, wenn der Staat maximal zu einem Viertel Anteilseigner ist. Nun ist die Evonik AG formal ein privates Unternehmen. Doch die RAG-Stiftung übt über ihr Kuratorium einen großen politischen Einfluss auf die Evonik AG aus. Das Stiftungskuratorium ist mit Bundes und Landesministern besetzt. Auch Frau Ministerpräsidentin Kraft sie ist leider nicht hier gehört diesem Kuratorium an. Es handelt sich hierbei also nicht um den vom Gesetz vorgesehenen Normalfall der Parteispende eines privaten Unternehmens.
(Sven Wolf [SPD]: Doch!)
Was wir hier erleben, ist eine Umleitung von Steuermitteln, die eigentlich für die Ewigkeitskosten vorgesehen sind weg von der RAG-Stiftung in die Kassen von SPD, CDU, CSU, FDP und Grünen.
(Beifall von den PIRATEN)
Je weniger Finanzmittel die Evonik AG und damit auch die Stiftung zur Verfügung hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass später der Steuerzahler in die Bresche springen muss, um die Ewigkeitskosten zu schultern. Bereits jetzt fehlen geschätzt ca. 6 Milliarden €. Im letzten Plenum wurde uns zu diesem Thema eine Diskussion im Rahmen einer Aktuellen Stunde verwehrt. Die Präsidentin begründete dies mit mangelnder Aktualität. Es mag sein, dass für die vier etablierten Parteien dieses Thema nicht aktuell ist, weil sie schon länger von der Spendenpraxis des Unternehmens wussten und profitieren. Für uns Privaten hingegen sind die Summen, welche die Parteien sich sozusagen selbst überweisen, Ausdruck einer demokratieschädlichen Selbstbedienungsmentalität.
(Beifall von den PIRATEN)
So bekamen seit Stiftungsgründung CDU/CSU 464.000 €, die SPD 441.000 € und die FDP 283.000 €. Letztes Jahr bekamen auch die Grünen eine Spende von Evonik, und zwar 20.000 €. Interessant ist, dass seit 2012 auch die Grünen im Kuratorium vertreten sind. Ein zufälliger Zusammenhang? Skandale zu Parteispenden gab es in Deutschland schon zuhauf. Ich darf an die Flick-Affäre der FDP in den 80er-Jahren, an die CDU-Spendenaffäre Ende der 90er-Jahre und an die Spendenaffäre der Kölner SPD im Jahre 2002 erinnern. Der damalige und heutige Vorsitzende der Kölner SPD, Herr Ott er ist leider jetzt nicht hier, wenn ich es richtig sehe , gab in der „WAZ“ vom 8. März 2002 den vermeintlichen Aufklärer im Spendenskandal Zitat : Ich will dafür sorgen, dass wieder mehr Sauberkeit in die Politik kommt. – Zitat Ende. Auch die jetzige stellvertretende Ministerpräsidentin Löhrmann prangerte in ihrer damaligen Rede die Selbstbedienungsmentalität genauso an wie den Schaden, den die Demokratie dadurch nehmen würde. Ganze drei Mal erwähnte sie den Satz: Nur Transparenz und Konsequenz schaffen Vertrauen. Ja, schön. Es muss bei den Bürgern wie Hohn klingen, wenn man sieht, wie Sie sich jetzt zulasten des Steuerzahlers selbst bedienen.
Und dass jemand wie Helmut Linssen, Ex-CDU-Finanzminister von NRW, weiterhin Finanzvorstand der RAG-Stiftung bleibt, während er als CDU-Bundesschatzmeister wegen seiner Steueraffäre zurücktreten muss, passt da gut ins Bild. Vielleicht liegt es daran, dass Herr Linssen bei der RAG-Stiftung im Gegensatz zum Parteiehrenamt 650.000 € pro Jahr vereinnahmen kann. Wir Piraten fordern die sofortige Einstellung von Parteispenden durch die Evonik AG. Die verwerfliche Parteispendenpraxis der letzten Jahrzehnte hat bereits genug zur Wahlmüdigkeit und Parteienverdrossenheit in Deutschland beigetragen. Stimmen Sie unserem Antrag zu und erteilen Sie der zwielichtigen Parteispendenpraxis von Evonik eine Abfuhr! Kehren Sie zurück zur redlichen Parteienfinanzierung!
Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Kern. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wolf das Wort.
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