Plenarrede: Oliver Bayer zu fahrscheinlosem ÖPNV für alle Vorschulkinder

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Top 10. Fahrscheinloser ÖPNV für alle Vorschulkinder

Antrag der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/4163

 

Block I

Unser Redner: Oliver Bayer

Unser Antrag fordert die fahrscheinlose Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs für alle Kinder im Vorschulalter. Damit sollen insbesondere auch die Kinder eine ermäßigte Zeitkarte nutzen können, die zwar das 6. Lebensjahr vollendet haben, aber noch nicht eingeschult wurden. Bis zur Einschulung müssen diese Kinder derzeit für Zeitkarten den vollen Preis zahlen. Erst mit der Einschulung können sie die Schülertickets im ÖPNV nutzen.

Oliver Bayer, Sprecher der Piratenfraktion im Ausschuss Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: „Das ÖPNV-Gesetz sieht vor, die Bedürfnisse von Kindern zu berücksichtigen. Die Regierungskoalition hat sich dieses Ziel zum Motto gemacht. Jetzt gilt es, den schönen Worten Taten folgen zu lassen und die seit Jahren bestehende Lücke zu schließen.“

Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde einstimmig an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (federführend) sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend überwiesen.

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Protokoll der Rede von Oliver Bayer:

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Liebe Eltern! Liebe Vorschulkinder! Dabei hoffe ich natürlich, dass die Vorschulkinder nicht verpflichtet werden, Landtagsdebatten zu verfolgen.

(Jochen Ott [SPD]: Und Sie haben Kinder?)

Ich fand das jedenfalls immer sehr doof, wenn „Die Sendung mit der Maus“ für wichtige Bundestagsdebatten ausfiel. Kommen wir aber nun zum Antrag.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD] – Heiterkeit von der SPD)

Wenn Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, dann muss man handeln. Bei der folgenden Regelungslücke ist das der Fall, und das Handeln dürfte hier wirklich leichtfallen. Wir haben den Anspruch in der Politik – und gerade in der Verkehrspolitik –, die besonderen Bedürfnisse von Kindern zu berücksichtigen.

Die Formulierungen im ÖPNV-Gesetz sind eindeutig in der Feststellung, dass den spezifischen Belangen von Kindern Rechnung zu tragen ist. Dem wird auch dadurch versucht, Rechnung zu tragen, dass Kinder unter sechs Jahren unentgeltlich und fahrscheinlos – daher unser schöner Antragstitel – mit Bus und Bahn fahren können.

Ab dem Alter von sechs Jahren erhalten Kinder ermäßigte Einzelfahrscheine. Ermäßigte Zeitkarten – also Monatskarten – gibt es allerdings erst ab der Einschulung. Das sind die vergünstigten Schülertickets mit der Bedingung „Schulpflicht“. Nicht jedes sechsjährige Kind ist jedoch auch zeitgleich schulpflichtig.

Zwischen dem sechsten Geburtstag und der Einschulung können einige Monate vergehen, und das sind bis zu zehn Monate, in Einzelfällen auch bis zu 22 Monate und mehr. Für diese Kinder gibt es ausschließlich die Zeitkarten zum Erwachsenenvollpreis. Das ist eine vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigte Lücke in einer Kette von entgeltfreien und ermäßigten Fahrtmöglichkeiten bis hin zum jungen Erwachsenenalter.

Dass viele Eltern ihre Kinder als Fünfjährige ausgeben und somit schwarzfahren lassen und viele Kontrolleure erst gar nicht nach dem Alter der Kinder fragen, mag eine Umgehungsmöglichkeit sein; deshalb fällt auch die Lücke nicht so auf.

(Jochen Ott [SPD]: Haben Sie eigentlich Kinder von sechs oder sieben?)

Aber diese Art von Bug-Fix ist nicht in unserem Sinne.

(Beifall von den PIRATEN – Jochen Ott [SPD]: Mich hat noch nie einer nach dem Alter meiner Tochter gefragt!)

Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, diese Lücke zu schließen: durch Aufnahme der betroffenen Kinder in den Geltungsbereich des Schülertickets, durch die Schaffung einer neuen Kategorie von nichtschulpflichtigen Kindern unter 14 Jahren – wie sie beim Einzelticket besteht – oder durch die Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung von Kindern bis zur Einschulung.

Die dritte Variante ist die beste; sie ist auch am einfachsten umzusetzen. Hierzu muss nämlich lediglich eine einzige Zeile in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen von Nordrhein-Westfalen etwas geändert werden.

Das Verkehrsministerium als oberste Aufsichtsbehörde hat gemäß ÖPNV-Gesetz die Möglichkeit, entsprechenden Einfluss auszuüben, wie wir das zum Beispiel vom Sozialticket kennen.

Somit stehen wir vor einem ähnlichen Problem wie schon beim Thema „Roaming“, haben aber eine sehr einfache und elegante Lösungsmöglichkeit, die schnell umzusetzen ist.

Vor 14 Jahren wurde hier schon einmal ein verwandtes Thema besprochen. Damals ging es um das Pilotprojekt zum verbundweiten Schülerticket. Der Tenor des damaligen Verkehrsministers Steinbrück war, man müsse versuchen, die Unlogik zwischen dem billigen Semesterticket und dem Jobticket und dem relativ teuren Tarif für Schüler zu beseitigen. Der Abgeordnete der Grünen, Peter Eichenseher, sagte, dass es seit Jahren das Ziel der Grünen gewesen sei, ein preiswertes, landesweit einheitliches Schülerticket zu entwickeln.

Auch wenn beide Redner inzwischen nicht mehr Mitglieder des Landtages sind, gehe ich davon aus, dass sich die Positionen und Zielsetzungen von Rot-Grün seitdem nicht geändert haben. Damals ging es um ein verbundweites Schülerticket für 14,50 DM, also ca. 7 €. Der heutige Ist-Stand fällt im Vergleich weit zurück. Wir behandeln in diesem Antrag auch nur eine vergleichsweise kleine Fehlerbehebung im System. Es handelt sich also nur um einen ganz kleinen Ausschnitt dessen, was damals verlangt wurde.

Man fragt sich vielleicht: Warum muss man das Parlament dafür bemühen? Könnte das nicht auch anders gehen? Immerhin geht es um die Beförderungsbedingungen. Daran sind doch auch die Verkehrsbetriebe beteiligt. – Diese Sache hat jedoch nicht funktioniert. Die Verkehrsbetriebe verweisen auf den Landtag, wenn man sie fragt. Insofern machen wir es doch so, wie wir es auch in vergleichbaren Situationen gemacht haben. Außerdem können wir damit eventuelle Probleme bezüglich des Konnexitätsprinzips lösen. Wie im Antrag erwähnt, kostet das auch ein bisschen Geld.

Im Koalitionsvertrag werden Kinder und ihre Ansprüche mehr als 100 Mal erwähnt. Machen wir doch einmal einen kleinen Schritt für sie! Trotz der Eindeutigkeit, wie dieses Problem zu lösen ist, wollen wir es zunächst im Ausschuss besprechen. Dann können wir vielleicht noch ein paar Änderungen hinzufügen, damit es zur Zufriedenheit aller umgesetzt wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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