Bürger werden nicht nur von Prism & Co. ausgespäht
Mehr als zehn Mal jeden Tag checkt die Polizei NRW, welche Handys sich in einer vorgegebenen Region aufhalten: Auf eine Kleine Anfrage der Piratenfraktion im Landtag NRW gab die Landesregierung zu, dass in den vergangenen drei Jahren 10.330 Funkzellenabfragen zur Feststellung von Verbindungs- und Standortdaten von Handys durchgeführt wurden.
Frank Herrmann, Sprecher für Datenschutz und Privatsphäre der Piratenfraktion im Landtag NRW:
„Diese skandalöse Menge an Funkzellenabfragen ist kaum zu glauben. Bei jeder dieser 10.330 Abfragen wurden Mobilfunkdaten aller der in der Zelle befindlichen Handys an die Polizei übermittelt. Das können pro Abfrage und Zelle schnell weit über tausend Handys sein. So kommen schnell millionenfache Daten von unbescholtenen Bürgern zusammen, die durchsucht und ausgewertet werden.
Jeder ist hier betroffen. Wer zur falschen Zeit in der falschen Funkzelle war, gegen den wird ermittelt, ohne Grund und ohne Verdacht.
Müssen wir jetzt, wenn wir unbeobachtet sein wollen, das Handy zu Hause lassen oder die Batterie rausnehmen? Eine Funkzellenabfrage darf per Gesetz nur dann genutzt werden, wenn bei besonders schwerwiegenden Straftaten andere Ermittlungsmethoden keinen Erfolg versprechen. Die Menge der Abfragen zeigt jedoch, dass die Funkzellenabfrage offensichtlich zum Standardinstrument der Polizei geworden ist!
Diese Dauerüberwachung der Bürger muss abgestellt werden. Die nicht-individualisierte Funkzellenabfrage gehört abgeschafft, vor allem bei nicht schwerwiegender Kriminalität.
Die Summe der Überwachungsmethoden hat einen Punkt erreicht, an dem wir nicht mehr von einer freien Gesellschaft sprechen können. Hier muss endlich umgesteuert werden. Wir brauchen mehr Transparenz über bestehende Überwachung, die Generalüberprüfung aller Methoden in Hinblick auf Grundrechte und Effektivität, und letztendlich starke Initiativen zum Aufbau von echter Privatsphäre in der digitalen Welt.
Die Statistik über die Hintergründe der jeweiligen Funkzellenabfragen weist zudem große Lücken auf. Bei fast jeder zweiten Abfrage wurde noch nicht einmal der Abfragegrund festgehalten. Die Antwort der Landesregierung gibt auch keinerlei Hinweise darauf, wie lange die Funkzellenüberwachung jeweils gedauert hat. Mit jeder Minute und Stunde, die eine Funkzellenabfrage andauert, potenziert sich der Überwachungsskandal. Die Dauer dieser Abfragen werden wir als nächstes in Erfahrung bringen.“
Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Piratenfraktion im Download.
Ich werde noch Paranoid wen das so weiter geht …
Richtig interessant würde es, zu wissen, wann und genau wo diese Abfragen geschahen.
Allerdings sind doch Funkzellen nicht das einzige, es gibt auch die Überwachung durch Big Google Glasses oder durch Private Drohnen und durch Busse. Wie will man sich dagegen wehren. Wegen mobiler Kameras steht m.W. nicht einmal etwas im BDSG.
Solche unseriösen Zahlenspiele kann ich auch.
Nimmt man die bislang bekannte Höchstzahl aus 2012 und setzt diese in das Verhältnis zur Bevölkerung NRW, so besteht eine Chance von 0,024% in das Raster einer Funkzellenabfrage zu geraten.
Zahlenspiele sind ja schön, allerdings habt ihr euch doch Transparenz ganz besonders groß auf die Fahnen geschrieben. Dann muss man auch die erhobenen Zahlen relativieren und nicht einen künstlichen Skandal aufblasen wollen.
Richtig unseriös wird es für mich, wenn man unbegründete Ängste schüren will.
Ich finde, das 10 Abfragen pro Tag sehr wohl ein Grund sind, sich mit dieser Ermittlungsmethode zu befassen. Schließlich wurde die, im Wissen um den starken Grundrechtseingriff und die Überwachung unschuldiger Bürger, „mit großen Bauchschmerzen“, „als letztes Mittel“, deshalb zunächst auch nur befristet, nur Monate nach 9/11 eingeführt und ist heute offensichtlich ein Standardinstrument.
Die Chancen betroffen zu sein sind übrigens wesentlich höher! Die Antwort des Ministeriums geht nicht darauf ein, wie viele Funkzellen jeweils pro Abfrage gespeichert wurden, sie sagt nicht, wie viele Anschlüsse betroffen waren und sie sagt auch nicht, wie lange die Abfrage jeweils gedauert hat. Die Chancen betroffen zu sein, potenzieren sich so sehr schnell. Wir bleiben da dran.
10 Abfragen pro Tag ist doch eine reine Rechengröße. Genauso könnte man argumentieren, dass an einem Tag 100 und an 10 anderen Tagen keine Abfrage erfolgte. Und natürlich dürft ihr euch mit diesen, allen anderen Ermittlungsmethoden und sonstigem befassen.
Das war auch gar nicht Kern meiner Anmerkung. Mir ging es nur um die, aus meiner Sicht, unseriöse Darstellung der Zahlen. Die sind eben nicht absolut. Mir gefällt diese völlig vereinfachende Form der Darstellung nicht.
Ich denke es ist wichtig, blanke Zahlen auch mal in einen einfachen Vergleich zu setzen. Und mehr als 10.000 Abfragen in 2,5 Jahren sind halt ungefähr 10 am Tag. Genauere Antworten haben wir ja leider nicht bekommen. Dazu müssen wir auf weitere Antworten warten. Ich befürchte aber, das wir eher unter- als übertrieben haben.