Plenarrede: Oliver Bayer zu Tempolimit auf den Autobahnen

Mittwoch, 15. Mai 2013

 

TOP 1. A k t u e l l e  S t u n d e

Kein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP
Unser 1. Redner : Oliver Bayer

Das Wortprotokoll zur Rede von Oliver Bayer:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Autofahrer im Saal, am Stream, bei Tempo 200 auf der Autobahn, die Sie vielleicht gerade zuschauen!

(Zuruf von Minister Johannes Remmel)

Egal, ob diese Aktuelle Stunde heute passt und ob Sigmar Gabriel sie als sinnvoll bezeichnet hätte, sie gibt uns Gelegenheit für folgende effekthascherische Warnhinweise: Achtung, ohne Tempolimit können Terroristen hier herumfahren wie in Afghanistan, Kommunisten wie in Nordkorea und Piraten wie in Somalia, also in Ländern, in denen es halt auch kein generelles Tempolimit gibt.

(Beifall von den PIRATEN)

Doch Achtung, wenn wir das Tempolimit einführen, können Terroristen viel leichter auf vorbeifahrende Pkw schießen oder zielen.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Ich hoffe, diese Schreckensszenarien haben Sie jeweils überzeugt. Das war mein polemischer Beitrag zur Aufregerdebatte Tempolimit.

Ich will natürlich auch die Gelegenheit nutzen, um die Position der nordrhein-westfälischen Piraten zu erläutern. Wir und unsere Wähler sehen in einem gedrosselten Internet eine größere Gefahr und Einschränkung der Freiheit als in einer gedrosselten Autobahnfahrt.

(Beifall von den PIRATEN)

Tempo 200 fahren zu können, ist ein tolles Feature und macht vielen Spaß. Jedoch handelt es sich nicht unbedingt um eine notwendige Zusatzfunktion, ähnlich wie eine Handykamera mit 12 Megapixeln, die auch Spaß macht. Aber warum den Spaß verbieten? – Unsere Position: Wir lehnen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ab. Wir halten flexible Tempolimits, eine flexible Verkehrssteuerung und deren Ausbau für weitaus sinnvoller.

Man fragt sich vielleicht: Passt das zu unserem Programm, zu der Verkehrswende, die ich sonst hier propagiere: mehr Rad, mehr Bus, mehr Bahn, Güter auf die Schiene, Mobilität für alle? – Ja, denn Freiheit und Teilhabe, die zentralen Elemente unseres Programms, bedingen einander. Wir möchten die Menschen nicht einengen, gängeln und dann überwachen, nicht verbieten, sondern Anreize schaffen, Alternativen anbieten, die die Auswahl erweitern oder die Freiheit zur Wahl des Verkehrsmittels vielleicht gar erst ermöglichen. Wir möchten, dass jeder Mensch an der Gesellschaft teilhaben kann. Mobilität ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Das ist unsere Prioritätensetzung. Es gibt keine gesellschaftliche Notwendigkeit für Tempo 180, kein Grundrecht auf schnelles Fahren. Doch wer dies gerne auf eigene Kosten und auf freier Strecke tun möchte – freie Wahl.

Was ist mit Umwelt- und Klimaschutz? – Hier brächten höhere Spritpreise weit mehr als Tempo 120. Höhere Spritpreise würden automatisch für umweltgerechte Geschwindigkeiten und eine Verlagerung auf alternative Verkehrsmittel sorgen.

(Jochen Ott [SPD]: Zulasten der Ärmeren!)

Schnell fahren ist bereits jetzt ein teures Hobby. Richtig. Viele Hobbys sind teuer, und nicht jeder kann sie sich leisten. Wir sollten das Hobby erhalten, aber die Kosten gerecht abrechnen.

Wenn es darum ginge, die Umweltbelastungen zu reduzieren, müssten wir unser Augenmerk sowieso mehr auf den Lkw-Verkehr richten, der vom Tempo 120 überhaupt nicht betroffen wäre. Der Lkw-Verkehr ist auch Hauptakteur bei den entstehenden Kosten für die Verkehrsinfrastruktur. Wir fordern die Verkehrswende auch, um langfristig die Kosten der Verkehrsinfrastruktur zu reduzieren. Ein generelles Tempolimit ist kaum geeignet, die Kosten für Instandhaltung und Ausbau zu verringern, eher schon die Reduzierung von Verkehrsspitzen im Berufsverkehr in den Ballungsräumen.

Natürlich muss nicht jedes Autobahnteilstück für höchste Geschwindigkeiten ausgelegt sein. Das wäre im Endeffekt langfristig schon teuer. So ist es ja auch bereits heute: Wo die Straßen zu schlecht sind oder Brückenpfeiler zu dicht stehen, gibt es örtliche Tempolimits.

Wie ist es mit der Bedeutung für die Volkswirtschaft? Das wird auch oft angeführt. Der unbedeutender werdende Absatzmarkt Deutschland mag ein Sonderfall sein. Es wird immer mehr Weltautos geben, die trotz ansonsten guter Ausstattung das Feature „Schnell fahren“ gar nicht bieten, weil es in anderen Teilen der Welt überhaupt nicht gebraucht wird. Das ist ein weiteres Argument dafür, dass wir in Zukunft im Durchschnitt langsamer fahren werden, aber kein Argument in der Tempolimit-Debatte. Denn während es hier verboten ist, querfeldein zu fahren, werden in Deutschland immer mehr SUVs verkauft. Und Porsche verkauft ganz gut in Ländern, in denen man damit höchstens 120 fährt.

Das große Argument für ein generelles Tempolimit – das will ich natürlich nicht verschweigen – ist die Verkehrssicherheit. Dem kann man sich nicht verschließen. Die Piraten diskutieren dies seit Jahren sehr breit und ausgiebig. Wir haben die Unfallstatistiken hier gehört und auch im Antrag dazu etwas gelesen. Wir haben sie unterschiedlich interpretiert. Ja, Verkehrstote und Verletzte sind auch dann relevant, wenn wir sie nur auf einige wenige herunterrechnen. Es ist einfach, davon auszugehen, dass ein generelles Tempolimit gegen Verkehrstote wirkt. Das ist auch richtig.

Doch wir wissen, dass die katastrophalen Unfälle auf Autobahnen geschehen, weil der Geschwindigkeitsunterschied zu groß ist und die Geschwindigkeit nicht der Situation – Regen, Nacht, dichter Verkehr – angepasst wird. Auch hier hilft das allgemeine Tempolimit nicht. Flexible Tempolimits, unterstützt durch immer mehr fahrzeuggesteuerte Maßnahmen, hätten den gleichen Effekt wie ein generelles Tempolimit. Weniger Holzhammer, mehr Schraubendreher!

Wenn es darum ginge, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, dann wären Maßnahmen zur Reduzierung von Gefahrenstellen und Verkehrsregelungen im Bereich von Baustellen weitaus sinnvoller. Noch wichtiger wäre die Reduzierung des Verkehrs in den Innenstädten und auf Landstraßen sowie ein angeglichenes generelles Tempolimit auf einspurigen Landstraßen. Dies wurde ja auch schon erwähnt: Wenn auf engen Landstraßen Lkw 60 und Pkw 100 fahren dürfen, kommt es unter anderem zu gefährlichen Überholmanövern. Tempo 80 auf Landstraßen für alle – für Lkw und Pkw – würde weitaus mehr Unfälle vermeiden und viele Leben retten.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns davon abkommen, die Menschen permanent zu kontrollieren, auszuspionieren und mit Verboten und Restriktionen zu gängeln. Und lassen Sie uns dazu übergehen, ihnen in konstruktiver Weitsicht ein Angebot zu unterbreiten, welches ihnen ermöglicht, in freier Entscheidung auf Autos und Staus zu verzichten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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Veröffentlicht unter Bauen, Wohnen und Verkehr (A02), Reden

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