Beim Umgang mit Fake News darf die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland nicht eingeschränkt werden

I. Sachverhalt

Fake News sind gezielt gestreute, falsche oder manipulierte Nachrichten, in der Regel zum Verfolgen privater, monetärer Interessen und/oder um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Sie sind somit sowohl ein wirtschaftliches als auch politisch-gesellschaftliches Phänomen des digitalen Zeitalters. Fake News können zur Bildung von voneinander getrennten Filterblasen beitragen, die unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Weltbilder zementieren.

Der wirkliche Einfluss von Fake News auf die (politische) Meinungsbildung, insbesondere rund um Wahlen, ist weiterhin unklar. Obwohl sie zweifelsohne die Meinungsbildung auf die eine oder andere Weise beeinflussen, wurde bisher kein flächendeckender Effekt nachgewiesen. Jüngst haben zwei US-amerikanische Forscher von den Universitäten Stanford und New York in einer Studie (Allcott & Grentzkow, 2017) dargelegt, dass der Einfluss von Fake News auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 überaus gering war. Gemäß ihrer Analyse waren soziale Netzwerke bei weitem nicht die wichtigste Informationsquelle für die meisten US-Amerikaner; sogar die am weitesten verbreiteten manipulierten Nachrichten seien nur von einem Bruchteil der US-Wähler gesehen worden. Gleichzeitig räumen die Forscher ein, dass Wähler zukünftig, je nach ihrer politischen Zugehörigkeit, weiter auseinander getrieben werden könnten.

Eine gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit Fake News ist in jedem Fall geboten. Leider zeigt sich aber, dass die deutsche Bundesregierung gegen Fake News vornehmlich mit gesteuerten staatlichen Eingriffen, die allesamt die Meinungs- und Pressefreiheit potentiell einschränken, vorgehen will. So hat sich die deutsche Bundeskanzlerin im Rahmen der Generaldebatte zur Verabschiedung des Haushalts 2017 im Bundestag für eine gesetzliche Regulierung sogenannter Fake News ausgesprochen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte zudem man müsse „Verfälschung der politischen Kultur“ und „bösartig intelligente Nutzung des Internets“ unterbinden. Bis heute hat die Bundesregierung keine konkreten Vorschläge zum Umgang mit Fake News gemacht. Denkbar ist aber die Einführung des Straftatbestands der Desinformation.

In der gesamten Debatte ist nun wichtig, dass die unterschiedlichen Phänomene der manuellen und automatisierten Meinungsbeeinflussung voneinander getrennt werden. Eine vorschnelle, nicht wissenschaftlich fundierte Regulierung kann schnell zur Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit sowie zu einer weiteren Absenkung des öffentlichen Vertrauens in Nachrichten und die Medien im Allgemeinen führen. Vielmehr sind Gegenmaßnahmen zu diskutieren, die darauf abzielen, die auf die Anforderungen der digitalen Kommunikation abgestimmte Medienkompetenz in der Bevölkerung sowie den Qualitätsjournalismus, der das Vertrauen der Bevölkerung in die eigene Berichterstattung gewinnen kann, zu stärken.

Geht es nach dem ausgesprochenen Willen der deutschen Bundesregierung, bewerten die betroffenen privatwirtschaftlichen Unternehmen selber, staatliche Behörden oder vom Staat beauftragte „Faktenchecker“ die Qualität von Nachrichten und Nutzer-Kommentaren und entscheiden über deren Umgang, bis hin zur Löschung. Letzteres könnte in vielen Fällen als demokratieschädliche Zensurmaßnahme, die zukünftig beispielsweise gezielt gegen gesellschaftliche Minderheiten eingesetzt werden könnte, gewertet werden.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat diesem staatlichen Vorgehen, das die Meinungs- und Pressefreiheit massiv einschränken könnte, bisher nicht klar widersprochen.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Die Meinungs- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler des deutschen Grundgesetzes.
  1. Auch erfundene, falsche oder verfälschte Nachrichten, also Fake News, sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit abgedeckt. Staatliche Vorgaben zur Löschung oder zum Widerlegen von Nachrichten bergen die Gefahr einer staatlichen Vorabzensur.
  1. Jede Form von staatlicher Kontrolle oder Prüfung auf die Richtigkeit von Nachrichten oder Meldungen, egal ob durch staatliche, bzw. halbstaatliche Einrichtungen oder im Auftrag des Staates durchgeführt (Faktenchecken), ist abzulehnen. Die mögliche Einführung des Straftatbestands der Desinformation ist ebenfalls abzulehnen.
  1. Maßnahmen zum Umgang mit Fake News müssen solche sein, die zur Stärkung der auf die Anforderungen der digitalen Kommunikation abgestimmten Medienkompetenz in der Bevölkerung sowie des Qualitätsjournalismus in NRW und Deutschland beitragen.
  1. Der bereits im Presserecht verankerte Grundsatz der Einhaltung der publizistischen  Sorgfaltspflicht bei der Berichterstattung darf nicht durch darüber hinaus gehende Gesetze verschärft werden.

III. Der Landtag beschließt:

  1. Die nordrhein-westfälische Landesregierung wird aufgefordert, sich auf allen politischen Ebenen gegen jede Form von staatlicher Kontrolle oder Prüfung auf die Richtigkeit von Nachrichten oder Meldungen, egal ob durch staatliche, bzw. halbstaatliche Einrichtungen oder im Auftrag des Staates durchgeführt (Faktenchecken), einzusetzen.
  1. Die Landesregierung wird insbesondere aufgefordert, sich auf allen politischen Ebenen gegen die mögliche Einführung neuer Straftatbestände zur Bekämpfung von Fake News einzusetzen.
  1. Die Landesregierung wird aufgefordert, eine wissenschaftlich fundierte, ganzheitliche Landesstrategie zum Umgang mit Fake News zu formulieren, die auf Maßnahmen setzt, die zur Stärkung der auf die Anforderungen der digitalen Kommunikation abgestimmten Medienkompetenz in der Bevölkerung sowie den Qualitätsjournalismus in NRW und Deutschland beiträgt. Eine erste Version ist dem Landtag vor Ende der laufenden Legislaturperiode vorzulegen.

Mitschnitt der kompletten Dabatte:

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