Schülerinnen und Schüler vor Werbung an Schulen bewahren – Schulsponsoring ver­antwortungsvoll gestalten

Antrag im Plenum 09.06.2016, TOP 10, ca. 15.35 Uhr

 

I. Sachverhalt

Angesichts der zunehmenden Finanznöte der Schulträger, versuchen Schulen an zusätzliche Mittel zu kommen. Dabei hat neben der traditionellen Unterstützung durch Fördervereine das sogenannte Schulsponsoring an Bedeutung gewonnen. Allerdings stellen sich bei Dritt­mittelfinanzierungen durch Sponsoring schwierige Rechtsfragen.

Das nordrhein-westfälische Schulgesetz erlaubt in §99 Abs. 1 Schulsponsoring nur unter be­stimmten Bedingungen. Voraussetzungen für zulässiges Schulsponsoring sind, dass die Hin­weise auf die Leistungen von Sponsoren mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vereinbar sind und dass die Werbewirkung deutlich hinter dem schulischen Nutzen zurücktritt. Die Entscheidung über ein Schulsponsoring trifft für die Schule die Schulleiterin oder der Schulleiter mit Zustimmung der Schulkonferenz und des Schulträgers.

Werbung hingegen ist an nordrhein-westfälischen Schulen grundsätzlich verboten. (§99 Abs. 2 SchulG). Hierfür gibt es gute Gründe. Das allgemeine Werbeverbot ist als eine konkrete Ausprägung der Unparteilichkeit der Schule anzusehen. Daher untersagt es jede Werbung, die nicht schulischen Zwecken dient, insbesondere jede Art wirtschaftlicher oder parteipoliti­scher Werbung. Das Werbeverbot berücksichtigt außerdem, dass die Schülerinnen und Schüler sich in der Schule Werbung kaum entziehen können und im Rahmen eines öffent­lich-rechtlichen Schulverhältnisses nicht einer privaten Interessen dienenden „Zwangswer­bung“ ausgesetzt werden dürfen. (Vgl. Schulrechtshandbuch NRW, Kommentar zum Schul­gesetz NRW mit Ratgeber und ergänzenden Vorschriften, hrsg. v. Christian Jülich. In Zusam­menarbeit mit Werner van den Hövel, Köln/Neuwied 2005 ff.)

Doch das allgemeine Werbeverbot kann offensichtlich nicht verhindern, dass einzelne Werbemaßnahmen darauf abzielen, Schulen, sowie Lehrerinnen und Lehrer, zu instrumentalisieren und in den Schulen für bestimmte Produkte und Aktionen zu nutzen. Solche Versuche der Einflussnah­me kann es auch im Rahmen von Schulsponsoring geben, die daher seitens der Schulen sorgfältig zu prüfen sind. In einem schriftlichen Bericht für die 77. Sitzung des Ausschuss für Schule und Weiterbildung zu “Kooperationsvereinbarungen der RWE mit nordrhein-westfäli­schen Schulen” (Vorlage 16/3426) legt Ministerin Löhrmann dar, nach den bisherigen Erfah­rungen seien die Schulleitungen in der Regel der Thematik der Einflussnahme durch Dritte gegenüber sehr sensibel und handelten verantwortungsbewusst.

Dennoch wurde im Mai dieses Jahres öffentlich bekannt, dass unter dem Deckmantel des Sponsorings Werbeprodukte an vielen nordrhein-westfälischen Grundschulen verteilt wur­den. Dieses wurde seitens des Schulministeriums als unvereinbar mit dem Schulrecht eingeschätzt. Diese Fälle zeigen auch, die Verteilung von Sponsoringartikeln speziell an Grund­schulen wird in Nordrhein-Westfalen systematisch und professionell betrieben.

Zudem haben in diesem und in den vergangenen Jahren einige nordrhein-westfälische Grundschulen an einem Schulwettbewerb eines Versandhändlers teilgenommen. Diese Ver­anstaltungen, die auch in anderen Bundesländern stattfinden, wurden seitens des hessischen Kul­tusministeriums als schulrechtswidrig eingeschätzt, da es dem Unternehmen ausschließlich um das eigene Image in der Öffentlichkeit gehe. Deshalb hat das hessische Kultusministeri­um Anfang Mai diesen Jahres die hessischen Schulen angewiesen, an dem Wettbewerb nicht mehr teilzunehmen. Eine öffentliche Bewertung dieses Sachverhalts durch der nord­rhein-westfälischen Landesregierung steht bis heute aus.

II. Der Landtag stellt fest

Es ist zu gewährleisten, dass an den Schulen und bei außerunterrichtlichen Schulveranstal­tungen Kinder und Jugendlichen vor der Beeinflussung durch Interessen außerschulischer Natur, insbesondere vor wirtschaftlicher oder parteipolitischer Werbung, bestmöglich ge­schützt werden. Daher ist das Werbeverbot an Schulen strikt einzuhalten.

III. Der Landtag appelliert

Schulkonferenzen, Schulleitungen und Schulträger mögen sorgfältig prüfen, ob bei Möglich­keiten von Schulsponsoring die schulischen Zwecke überwiegen und in Zweifelsfällen die Sponsoringangebote ablehne

IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf

  • die Schulen und die Öffentlichkeit über die bestehenden Regelungen zum Schulspon­soring wirksam zu informieren.
  • die Themen Werbeverbot und Schulsponsoring in den Angeboten der Schulleitungs­qualifizierung zu verankern.
  • die bestehenden Regelungen zum Schulsponsoring vor dem Hintergrund der neusten Erkenntnisse zu prüfen und diese gegebenenfalls so zu präzisieren, dass an Schulen und in außerunterrichtlichen Schulveranstaltungen der Schutz der Kinder und Ju­gendlichen vor der Beeinflussung durch Interessen außerschulischer Natur zuverläs­siger gewährleistet wird.
  • die Schulträger in die Lage zu versetzen, eine sachgemäße Ausstattung der Schulen zu gewährleisten, so dass die Schulen in Nordrhein-Westfalen auf Sponsoring ver­zichten können.

Mitschnitt der kompletten Plenardebatte:

Protokoll der Rede von Michele Marsching:

Michele Marsching (PIRATEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause! Grundsätzlich gilt – ich glaube, da sind wir uns alle einig –, Werbung hat an Schulen nichts verloren. Warum ist das so? Schule ist eine öffentliche Institution Wir haben den Schulzwang, wir haben die Schulpflicht, und wir können es nicht rechtfertigen, wenn Kinder und Jugendliche beim Besuch einer Schule einem Einfluss ausgesetzt wären, der nicht unmittelbar etwas mit dem Erziehungs- oder Bildungsauftrag der Schule zu tun hat. Offensichtlich ist das bei Werbung nicht der Fall.

Bei Sponsoring ist das Ganze ein bisschen komplizierter. Denn das Schulgesetz erlaubt Sponsoring, und da gibt es dann eine Grauzone. Denn jeder Einzelfall muss beurteilt werden. Das Schulsponsoring ist dann erlaubt, wenn schulische Zwecke überwiegen. Es ist also in der Schule durch den Schulträger und die Schulleitung abzuwägen, ob ein jeweiliges Spon-soring tatsächlich zulässig ist oder nicht. Die jüngeren Fälle zeigen, dass dies aus unter-schiedlichen Gründen nicht immer so gut funktioniert. Zwar hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung im Jahr 2010 eine Broschüre herausgebracht. Das wird die Frau Ministerin gleich noch zehnmal betonen.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Einmal!)

– Einmal. Okay. Ich werde mitzählen. Aber wir sehen, das Problembewusstsein ist möglich-erweise trotzdem nicht überall vorhanden, sonst käme es nicht zu diesen Fällen.

Seit Beginn der Legislaturperiode fragen wir hier: Wie sieht es aus mit Werbung? Wie sieht es aus mit Schulsponsorin? In einer Kleinen Anfrage der Kollegin Rydlewski zu Sammlungen von Schülerdaten durch Gutscheinaktionen an Schulen Schon im Frühjahr 2013 bekommen wir die Antwort: A: Die Gutscheinaktion sei unzulässig, B:es wären nur aus zwei Regierungsbezirken wenige Fälle bekannt und C: man werde – Zitat – kurzfristig im Rahmen von Dienst-besprechungen die Bezirksregierungen noch einmal auf die geltende Rechtslage hinweisen und diese bitten, die Schulen in entsprechender Weise zu unterrichten.

Im Herbst 2015 wird durch LobbyControl bekannt, dass Schulen mit RWE eine Kooperations-vereinbarung abgeschlossen haben. Da wird dann ein Bericht angefordert. Da sagt das Mi-nisterium: A: Es sind ja nur zwei Fälle bekannt, B: die Vereinbarungen sind unwirksam und widersprechen dem Schulgesetzt – sehr löblich – und C: nach bisherigen Erfahrungen seien die Schulleitungen in der Regel der Thematik der Einflussnahme durch Dritte gegenüber sehr sensibel und würden verantwortungsbewusst entscheiden. Dann kommt noch ein D: Dennoch, die zuständige Bezirksregierungen – das habe ich schon einmal gehört – werden gebeten, die Schulen darauf hinzuweisen, dass die Kooperationsvereinbarungen überprüft werden müssen und die Anwendungspraxis der geltenden rechtlichen Regelung angepasst wer-den muss. Anscheinend haben wir da immer noch ein Problem.

Jetzt haben wir innerhalb von einer Woche zwei Fälle von unzulässigem Sponsoring, und das an einer größeren Anzahl von Schulen. Das ist nicht im Sinne der Schülerinnen und Schüler, das ist aber auch nicht in unserem Sinne. Denn es gefährdet die Akzeptanz der Institution Schule.

Erstes Beispiel: Amazon. LobbyControl hat schon am 5. November über die Amazon-Aktion berichtet. Das Ministerium hat aber erst dann reagiert, als das hessische Kultusministerium die weitere Teilnahme an ähnlichen Veranstaltungen untersagt hat. Die „Frankfurter Rund-schau“ zitiert das Kultusministerium Hessen mit den Worten, es sei offensichtlich, dass es dem Unternehmen ausschließlich um das eigene Image in der Öffentlichkeit geht. Jetzt hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung letzte Woche – allerdings nachdem wir den Antrag eingereicht haben – gegenüber der Presse die Teilnahme als unzulässig erklärt.

Ich habe drei Fragen, Frau Ministerin Löhrmann. Erstens eine Frage von allgemeinem Interesse. Werden die Schulen und die Schulträger durch das MSW jetzt noch einmal informiert, und zwar nicht nur über die Broschüre, sondern gibt es weitere Maßnahmen? Dann habe ich eine Frage für das Fachpublikum. Was sind die Gründe für die Entscheidung, dass die Teil-nahme an diesem Wettbewerb für unzulässig erklärt wurde? Und ich habe eine Frage für Lobby Control. Denn die müssen sich ja veräppelt vorkommen, wenn sechs Monate gar nichts passiert und erst ein Signal aus Hessen kommen muss, bevor das Schulministerium reagiert. Warum wurde der Verstoß erst nach drei Jahren entdeckt, und was haben Sie jetzt vor, an Schulen gegen Meinungsmache und Marketing zu unternehmen?

Wir hatten einen zweiten Fall, Stichwort Panini. Da wurden in Schulen Produkte durch eine professionell und systematisch organisierte Aktion platziert, organisiert durch eine Firma. Da gehen Schulen offensichtlich Sponsoring-Verträge ein, wo sie vorher gar nicht wissen, was sie hinterher bekommen, sozusagen ein Sponsoring-Abo. Jetzt sagen Sie mir bitte, wie man da beurteilen kann, ob das Sponsoring einem schulischen Zweck dient. Nämlich gar nicht. Auch hier, Frau Ministerin, hätte ich gern Ihre Sicht auf diese Problematik.

Die Debatte ist nicht möglich, ohne dass wir uns fragen, warum es das Sponsoring überhaupt gibt. Ich möchte zum Schluss kommen mit einem Zitat: „Angesichts der zunehmenden Finanznöte der Schulträger versuchen Schulen, an zusätzliche Mittel zu kommen.“
Das ist aus dem Ratgeber im Schulrechtshandbuch NRW.

Wir müssen also mit den kommunalen Schulträgern erörtern, wie man an eine bessere säch-liche Ausstattung der Schulen kommt. Denn klar ist: Wenn die öffentliche Hand ihre Aufgaben nicht ordentlich finanzieren kann, wenn Schulen auf die Zuwendungen Dritter angewiesen sind, dann untergräbt man die Akzeptanz der öffentlichen Schule. Das darf uns nicht passie-ren. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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