Der WDR und die Gottschalk-Millionengage

thomas-gottschalk-749858_640     „Nur wer etwas leistet, kann sich etwas leisten.“
     Michail Gorbatschow

Der WDR hat bestätigt, dass Honorarzahlungen insgesamt in Millionenhöhe an Thomas Gottschalk auch nach dem vorzeitigen Ende der ARD-Vorabendshow „Gottschalk live“ geflossen sind. In dem Vertrag, den die ARD-Tochter Degeto mit der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment über die Produktion der Sendung abgeschlossen habe, sei die Fortzahlung des Moderatorenhonorars bis zum Auslaufen des Vertrags zum Jahresende 2012 enthalten gewesen. Summen nannte der WDR nicht, offenbar war trotz des Endes aufgrund zu geringer Quoten nach etwa der Hälfte der vereinbarten Sendungen die gesamte Summe in Höhe von 4,6 Millionen Euro vertraglich fällig, so dass womöglich über 2 Millionen Euro ohne Gegenleistung flossen.

Der Vertrag erscheint ungünstig verhandelt, wenn die komplette Summe auch bei vorzeitigem Ende fällig ist: Mindestens sollten wenigstens die Gottschalk durch den Nicht-Auftritt ersparten Kosten abgezogen werden können.

Derartige Summen für Fernsehstars im Zusammenhang mit Gebührengeldern sind den Gebührenzahlern heutzutage kaum noch zu vermitteln.

Der WDR betont, dass die Sendung im von Werbung getragenen Vorabendprogramm des Ersten ausgestrahlt wurde, diese also ausschließlich über Werbeeinnahmen und nicht über Gebührengelder finanziert worden sei. Überdies hält sich der WDR zugute, dass das Honorar für Thomas Gottschalk an seinem Marktwert und seiner Bekanntheit als einem „der beliebtesten Moderatoren in Deutschland“ orientiert habe. Insofern sei der Vertrag in branchenüblicher Weise für ein erfolgversprechendes Format abgeschlossen worden.

Demgegenüber hat die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm darauf hingewiesen, dass von der WDR-Programmplanung selbst im Vorfeld eine Marktstudie unternommen worden sei, bei der achthundert Fernsehzuschauer telefonisch befragt wurden. Diese Studie habe zu dem Ergebnis geführt, dass 39 Prozent der Befragten im Vorhinein angaben, sie würden die geplante Sendung „wahrscheinlich nicht“ oder „bestimmt nicht“ ansehen, weil ihnen der ausgewählte Moderator nicht zusagte.

Bei der Programmplanung und den Vertragsverhandlungen fehlte es an Transparenz und nach Bekanntwerden der Missstände an Aufklärung: Die Konstruktion der Auftragsvergabe über Tochterfirmen des WDR sorgt für gezielt beabsichtigte Intransparenz und verunmöglicht demzufolge bewusst die Kontrolle durch die zuständigen Aufsichtsgremien.

Die Trennung zwischen Gebühren- und Werbegeldern, wie der WDR argumentiert, erscheint zudem mehr als fragwürdig. Denn Werbezeit ist auf die Vorabendzeit begrenzt, die dort erzielten Einnahmen sollen bestimmungsgemäß dem ganzen Sendebetrieb zu Gute kommen.

Nicht zuletzt sollte über Konsequenzen für die anstehende Novelle des WDR-Gesetzes nachgedacht werden, damit sich solche fragwürdigen Fälle nicht wiederholen können.

Ich habe heute an die Landesregierung zwei kleine Anfragen gestellt, um mehr Transparenz einzufordern, und die Bewertung der Landesregierung einzuholen.

Folgende Fragen habe ich gestellt:

Zum Themenblock „Transparenz und Aufklärung“:

  • Welche Summen sind an Thomas Gottschalk aufgrund dieses Vertrages geflossen bzw. fällig geworden? Schlüsseln Sie die Beträge auf nach Summen, die aufgrund ausgestrahlter Sendungen fällig waren und Summen, die auch nach dem vorzeitigen Ende der Produktion noch fällig wurden.
  • Warum hat sich die Sendeanstalten auf derart hohe Ausfallzahlungen festgelegt, obwohl nach den vorliegenden Erkenntnissen des Controlling aus dem eigenen Haus an Warnungen über mangelndem Zuspruch nicht gefehlt hat und ein vorzeitiges Ende der Show daher bereits vorhersehbar war?
  • Sind die Einnahmen aus den Werbeeinahmen des Vorabendprogramms nach Ansicht der Landesregierung tatsächlich losgelöst vom allgemeinen Gebührenaufkommen zu betrachten?
  • Ist die Landesregierung der Ansicht, dass die Aufsichtsgremien und zur Auf-sicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verpflichteten und berechtigten Stellen ihrer Aufgabe ausreichend nachkommen konnten, wenn von Tochterunternehmen des Senders geschlossene Verträge dort nicht vorgelegt werden bzw. deren Kontrolle nicht unterliegen?
  • Seit wann ist die Landesregierung in Kenntnis über den Vertrag und die Um-stände seines Zustandekommens?

Zum Themenblock „Bewertungen und Konsequenzen“:

  • Ist der Abschluss von Verträgen mit persönlichen Honoraren in Millionenhöhe durch öffentlich-rechtliche Sender, wie hier mit Thomas Gottschalk, angemessen? Begründen Sie Ihre Antwort.
  • Sind der Vertragsschluss und dessen Geheimhaltung durch ein Tochterunternehmen angemessen? Begründen Sie dies, gehen Sie auf die Fragestellungen der Transparenz gegenüber Gebührenzahlern und den Aufsichtsgremien bzw. den zur Aufsicht berechtigten und verpflichteten Stellen ein.
  • Ist die Vereinbarung einer vollständigen, ungekürzten Zahlung auch im Falle einer vorzeitigen Beendigung angemessen? Begründen Sie Ihre Antwort.
  • Welche Konsequenzen sind aus diesen Vorkommnissen für die Novelle des WDR-Gesetzes zu ziehen? Gehen Sie darauf ein, ob Transparenzerfordernisse ausgedehnt werden müssen, zum Beispiel auf Tochterunternehmen.
  • Welche Konsequenzen sind aus diesen Vorkommnissen durch die Landesregierung zu ziehen? Nennen Sie geplante und bereits ergriffene Maßnahmen.

"Politik aus Notwehr". Manchmal muss man was tun, wenn sich was ändern soll. Meine Schwerpunkte sind die "klassische" Netzpolitik, das Internet, Urheberrecht, Medien, Wirtschaft, und darin die Leitlinien der Transparenz, Partizipation und Plattformneutralität. Geek, zerstreut und niemals erwachsen.

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