Donnerstag 06. November 2014
Top 8. Gesetz zum Ausbau des Kinderschutzes in Nordrhein-Westfalen – Änderung des Heilberufsgesetzes (HeilBerG)
Gesetzentwurf der Fraktion der CDU der Fraktion der FDP und der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4819
in Verbindung damit
Kinderschutz geht alle an – Prävention stärken, Zusammenarbeit von Jugend- und Gesundheitshilfe ausbauen
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7146
Unser Redner: Olaf Wegner
Abstimmungsempfehlungen: Zustimmung
Antrag SPD/Grüne: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Olaf Wegner
Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Frau Hack und auch Frau Asch, Sie haben vorhin gesagt, als Sie über Ihren Antrag gesprochen haben, es gehe um präventiven Kinderschutz. Richtig, so verstehe ich Ihren Antrag auch. Sehr wahrscheinlich haben Sie nicht so richtig erkannt, worum es in unserem Antrag geht. In unserem Antrag geht es um einen kleinen Bereich des Kinderschutzes, und zwar um das Erkennen und Beenden von Kindesmisshandlung. Das ist das Schrecklichste, das Perverseste, was wir uns vorstellen können. Dabei sind die Ärzte derzeit alleingelassen.
(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)
Ich habe mich gewundert, als ich in den Anhörungen erfahren habe, dass Kindesmisshandlung eine Diagnose nach ICD 10 ist. Die Ärzte müssen entscheiden: Liegt diese Diagnose vor oder nicht? Das heißt, sie kommen irgendwann an eine Grenze. Wenn es eindeutig ist, ist es klar. Dann sind sie sogar verpflichtet, das zu melden. Was tun sie, wenn sie kurz davor stehen, wenn sie nicht wissen, ob der eine Punkt wirklich zutrifft? Sie haben keine Möglichkeit, sich mit irgendjemandem auszutauschen. Sobald sie das tun, machen sie sich strafbar. Es kann doch nicht sein, dass wir die Ärzte damit völlig alleinlassen.
(Vereinzelt Beifall von der CDU)
Das ist das Einzige, worum es in dem Antrag geht: dass die Ärzte einen Kollegen fragen, den Fall schildern und sich absprechen dürfen, ob die Diagnose richtig oder falsch ist.
(Andrea Asch [GRÜNE]: Das machen die doch schon! Machen Sie sich doch mal schlau! Gegenruf von der CDU: Jetzt lassen Sie ihn doch mal reden!)
Das ist ein Schutz davor, dass Familien fälschlicherweise beschuldigt werden; es ist aber auch ein sehr wichtiger Schutz dafür, dass eben nicht genau das Gegenteil passiert, dass also nicht erkannt wird, wenn Kindesmisshandlung oder Kindesmissbrauch vorliegt.
(Beifall von den PIRATEN und der CDU)
Wenn ich jetzt von Ihnen höre, Frau Asch, dass die Ärzte das schon machen, dann kann ich nur sagen: Ja, sie machen es zum Teil. Es gibt diese Datenbank. Es ist aber so, dass Ärzte dafür zunächst einmal die Unterschrift der Eltern brauchen. Das heißt: Alle Kindesmisshandlungen, bei denen die Eltern die Täter sind, sind hier schon ausgenommen. Das wird da also nicht funktionieren.
Wenn die Ärzte es trotzdem machen, dann muss man ganz klar sehen: Sie begehen eine Straftat. Wenn wir das jetzt so hinnehmen, weil es für eine gute Sache ist, dann wäre es doch nur folgerichtig, dort endlich Rechtssicherheit zu schaffen. Das ist das Einzige, was die Ärzte in der Anhörung gefordert haben: Rechtssicherheit.
(Andrea Asch [GRÜNE]: Kriegen Sie aber nicht! Gegenruf von der CDU: Ja, von Ihnen nicht!)
Darum geht es.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Wegner, würden Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Dr. Beisheim zulassen?
Olaf Wegner (PIRATEN): Ja.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte, Frau Kollegin.
Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Herzlichen Dank. Ich möchte gern noch einmal das aufgreifen, was Frau Kollegin Asch vorhin angedeutet hat, nämlich den Widerspruch aus dem Plenarprotokoll vom, ich glaube, April 2013. Darin steht zu lesen, dass Sie selber datenschutzrechtliche Bedenken bezogen auf eine webbasierte Datenbanklösung angemeldet hatten. Könnten Sie vielleicht erklären, wie es bei Ihnen zu diesem Sinneswandel gekommen ist?
(Zuruf von der CDU: Das hat keiner verstanden!)
Olaf Wegner (PIRATEN): Ich kann mich jetzt nicht daran erinnern, dass in diesem Zusammenhang eine solche Äußerung von uns kam.
Natürlich sind wir bei solchen Sachen prinzipiell sehr kritisch. Als uns wir damals der Antrag der CDU erstmals vorlag, überwog auch bei uns noch die Skepsis. Ebenso war auch noch bei der ersten Anhörung der Sachverständigen die Skepsis größer als der Wille zur Zustimmung, obwohl wir auch die Problematik dahinter erkannten. Aber wir sahen eben zunächst insbesondere das Problem des Datenschutzes.
Nachdem wir uns aber mit diesem Problem auseinandergesetzt haben, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die webbasierte Datenbanklösung in dieser Form unserer Meinung nach die einzige Möglichkeit ist, den Datenschutz so weit wie möglich hochzuhalten und trotzdem einen möglichst optimalen Schutz für die Kinder zu gewährleisten.
(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, zwischenzeitlich gibt es weitere Wünsche, Ihnen Fragen stellen zu dürfen.
Olaf Wegner (PIRATEN): Ja, bitte.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Sie sagen schon Ja. Wunderbar, dann kann ich Ihnen mitteilen, dass die erste Frage von Frau Kollegin Scharrenbach kommt, und dann hat Ihr Fraktionskollege Düngel auch noch Aussprachebedarf. Zunächst also Frau Kollegin Scharrenbach, Sie antworten dann, und dann ist Herr Düngel dran.
Ina Scharrenbach (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Wegner, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Es geht hier um die Anhörung vom Mai 2014; das war die Anhörung zum Gesetzentwurf. Ich möchte Sie gerne fragen, ob insbesondere zwei Aussagen von Sachverständigen Ihrer Erinnerung entsprechen. Die kommunalen Spitzenverbände haben gesagt: „Die im Gesetzentwurf angelegte Änderung des Heilberufsgesetzes halten wir für sinnvoll. Hier kann man an einer kleinen Stellschraube drehen, um den Kinderschutz insgesamt zu verbessern.“ Die Vertreter der Spitzenverbände Freie Wohlfahrtspflege haben gesagt: „Ich kann allerdings nach dieser Diskussion verstehen, dass die Rechtssicherheit bei den Ärztinnen und Ärzten sehr gewünscht ist. Das erlebe ich ja tagtäglich, wenn wir in der Jugendhilfe auch die Überlegung anstrengen.“
…
„Wenn das gewährleistet ist und dann auch in einem weiteren Gesetzentwurf schnell nachgezogen wird, … dann, denke ich, würde sich die Freie Wohlfahrtspflege …
diesem Gesetzentwurf von CDU, FDP und Piraten
nicht verschließen.“
Entspricht das auch Ihrer Erinnerung?
Olaf Wegner (PIRATEN): Das entspricht vollständig meiner Erinnerung.
(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann ist jetzt Herr Kollege Düngel dran. Bitte schön.
Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Mein lieber Kollege Wegner,
(Andrea Asch [GRÜNE]: Was für ein Theater!)
mir ist auf die erste Nachfrage bzw. die Antwort darauf eine Nachfrage durch den Kopf geschossen.
(Zuruf von den GRÜNEN: Echt?)
Können Sie sich vorstellen, Herr Kollege Wegner, dass es eine Fraktion oder vielleicht auch mehrere Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen gibt, die ihre Haltung zu einem Gesetzentwurf vielleicht im Beratungsverfahren oder auch nach der Anhörung verändern und den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen?
(Zuruf von der FDP: Bei den Grünen jedenfalls nicht!)
Olaf Wegner (PIRATEN): Ich würde mir wünschen, dass so etwas viel häufiger geschieht. Bis jetzt habe ich so etwas nur sehr selten wahrgenommen, und wenn überhaupt, dann aufseiten der Opposition.
Bei diesem Gesetz ist es nun einmal so, dass wir im Grunde eine Kehrtwende um 180 Grad gemacht haben, nachdem wir mit den Vertretern von RISKID gesprochen hatten. Wir haben uns genau erklären lassen, wo die juristischen Probleme liegen und wo das Problem beim Datenschutz liegt. Den Datenschutz sollte man eben sehr hochhalten, und deswegen bestehen Probleme, schon vor der Diagnose mit Nicht-Ärzten darüber zu kommunizieren.
(Andrea Asch [GRÜNE]: Das ist alles so lächerlich!)
Das Wichtigste ist im Grunde schon gesagt worden, auch durch meine Antworten auf die Zwischenfragen. Was ich noch sehr wichtig finde, ist Folgendes: Es wird immer wieder auf die Freie Wohlfahrtspflege verwiesen. Der größte Kritikpunkt, den die Freie Wohlfahrtspflege angebracht hat, ist ihre Angst davor, dass nach diesem Gesetz keine weiteren Handlungen folgen, dass keine weiteren Gesetzesinitiativen und keine Initiativen mehr von diesem Landtag ausgehen.
(Andrea Asch [GRÜNE]: Der Kinderschutzbund!)
Ich sage einmal so: Dies ausgesprochen von einem Verband, der außerhalb des Landtags steht und sehr wahrscheinlich unter der Trägheit dieses Gebildes leiden muss, kann ich das verstehen. Sie haben gesagt: „Wenn danach noch weitere Bausteine kommen, dann können wir uns dem Ganzen nicht verschließen. Für uns als Politiker sollte das aber doch die Marschrichtung sein, sodass wir ganz klar sagen: Okay, diesen kleinen Punkt nehmen wir schon einmal heraus, den setzen wir schon um.
(Beifall von der CDU)
Ich bin ganz bei Ihnen: Auch präventiver Kinderschutz ist sehr wichtig. Aber hier geht es eben nicht um präventiven Kinderschutz, sondern es geht darum, was geschieht, wenn der präventive Kinderschutz versagt hat. Und das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge.
Selbst wenn wir den präventiven Kinderschutz so gut gestalten, wie wir es nur eben machen können er wird nie hundertprozentig funktionieren. Das heißt, wir werden immer wieder auf das Erkennen und Beenden von Kindesmisshandlungen achten müssen und ihnen die Möglichkeit geben. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN und der CDU)
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