Frank Herrmann zum Stopp der PKW- Maut

Donnerstag 06. November 2014

 

Top 1. A k t u e l l e  S t u n d e

Erst Bürokratie-, jetzt Datenmonster – NRW  muss PKW-Maut stoppen. Keine Totalüberwachung in NRW!
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7213
in Verbindung damit
Interessen von Nordrhein-Westfalen werden übergangen – Pkw-Maut schadet Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7214
MdL Frank Herrmann Foto Anke KnipschildUnser 2. Redner: Frank  Herrmann
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Videomitschnitt der kompletten Debatte:

Protokoll der Rede von  Frank  Herrmann

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Systematik der Maut wurde jetzt schon mehrfach beschrieben. Aber immer wieder sollte man deutlich machen, wie absurd es ist, dass für die Dobrindt-Maut eigentlich ein einfach umgewidmeter Teil der Kfz-Steuer, ein pauschaler jährlicher Betrag von vielleicht 100 €, die kompletten Fahrten, die jemand individuell über das Jahr macht, digital erfasst und gespeichert werden sollen. Ich finde das völlig absurd.

(Beifall von den PIRATEN)

Damit der Verlust der Freiheit nicht so wehtut, wenn das Projekt weitergeführt wird, gibt es wahrscheinlich das elektronische Zwangsfahrtenbuch für die Heimanwendung noch kostenlos dazu, auch als App fürs iPad und Smartphone. Das passt dann auch in unsere Zeit, wo keiner mehr nach den Hintergründen fragt.

Apropos Hintergründe: Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat vergangenen Donnerstag eine neue Serie gestartet: „Die Verschwörungstheorie der Woche“. „War 9/11 ein Komplott der CIA?“ war das Thema der Startausgabe. Heute erschien die zweite Ausgabe. Die Verschwörungstheorie der Woche ist leider nicht die Maut. Aber ich denke, die Geschichte taugt sehr gut für eine Verschwörungstheorie. Denn vor ziemlich genau elf Jahren begann die Geschichte der Lkw-Maut. Der Gedanke, die Lkws, die Straßen und Brücken stark beanspruchen, nach dem Verursacherprinzip zur Kasse zu bitten, ist ja gar nicht verkehrt. Technisch funktioniert die Maut, vereinfacht ausgedrückt, mit einem kleinen Kästchen, das die Lkw eingebaut haben und in dem ein GPS-Empfänger und ein Telefon integriert sind. Damit werden die Positionsdaten an das Rechenzentrum gemeldet. Jeder kennt die schönen Kamerabrücken auf den Autobahnen. Hier wird zusätzlich von allem, was da durchfährt, ein Foto gemacht, vor allem wegen der ausländischen Lkw-Fahrer, die keine kleinen Kästchen haben. Aber auch Pkws werden fotografiert. Von den Pkws werden die Fotos aber sofort gelöscht, sagen die Betreiber oder auch nicht, sagen die Verschwörungstheoretiker.

Die von den Lkw anfallenden Daten sind übrigens ganz besonders sicher, sagt die Bundesregierung. Es gibt einen wasserdichten Zweckbindungsgrundsatz. Nach diesem dürfen die Daten nur für Abrechnungszwecke verwendet werden oder für genau beschriebene andere Fälle. Wer zum Beispiel extra bezahlt, bekommt die Daten auch für das Tracking, also die Nachverfolgung der Fahrer. So weiß die Spedition immer, wo gerade die Wagen sind in Echtzeit. Die Logistikbranche ist da ziemlich durchoptimiert und transparent.

Imme wieder einmal kam der Wunsch, dieses System auch für die Pkw-Maut zu nutzen. Das konnte bisher nur nicht durchgesetzt werden, weil die sinnvollen Argumente fehlten und weil es starke Datenschutzbeauftragte gab. Aber seit dem letzten Jahr gibt es offenbar ein neues Argument, nämlich Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen. Da scheinen dann alle Schranken zu fallen. Peinlich ist es, wenn als Argument hier angeführt wird, die individuelle Freiheit für Koalitionsverhandlungen zu opfern. Herr Voussem, das ist wirklich sehr peinlich.

Auch wenn es völlig widersinnig ist, für eine pauschale Jahreszahlung, eine Abgabe, eine Erfassung jeder einzelnen Fahrstrecke vorzunehmen, so genau soll das jetzt gemacht werden. Hier kommen dann wieder die Verschwörungstheorien ins Spiel. Einer der stärksten Unterstützer des Projekts Pkw-Maut aus der Wirtschaft ist AGES aus Langenfeld, im Moment beteiligt an Toll Collect und wahrscheinlich Hauptprofiteuer eines Systems Pkw-Maut. Zufälligerweise läuft der Vertrag für Toll Collect gerade aus, und es muss neu ausgeschrieben werden. Weiterer Punkt: Die anfallenden Daten sind auch der Schlüssel zu vielen Projekten, die gerade von Sicherheitsbehörden diskutiert werden. „Precops“ und „PredPol“ sind Projekte, die aus vorhandenen Datensammlungen Verbrechen vorhersagen sollen. Das soll uns vor Einbrechern schützen. Dann kommt noch eCall hinzu. Das wurde uns gerade von der Bundesregierung und Brüssel als Notrufbox für das Auto untergeschoben: Pflichtausstattung für Pkw-Neuzulassungen ab 2017. Technisch gesehen ist es das kleine Kästchen, das die Lkws jetzt schon haben. Den Rest mag sich jeder selber denken. In Bezug auf all das ist anzumerken, dass es auch jetzt schon viele Begehrlichkeiten hinsichtlich der Daten aus einer Pkw-Maut gibt. Meine Damen und Herren, bei dem Projekt „Pkw-Maut“ geht es um nichts anderes als um das Ende der Freizügigkeit des Individualverkehrs.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir müssen hier nicht über Datenschutz, sondern über Datenvermeidung sprechen. Die Daten über individuelle Aufenthaltsorte und Fahrten aller Bürger dürfen gar nicht erst entstehen, und genutzt werden dürfen sie schon gar nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Dass wir mit Smartphones und ausufernden Funkzellenabfragen bereits ein Problem haben, ist bekannt, Herr Ott; aber das wird an anderer Stelle hier im Landtag besprochen.

Der Versuch, mit der Dobrindt-Maut eine neue Vorratsdatenspeicherung huckepack mit einer Infrastrukturabgabe zu etablieren, muss verhindert werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich hoffe, dass es in den Parlamenten dafür Mehrheiten geben wird. Wenn nicht, muss mit Protest auf der Straße, in Karlsruhe sowie bei der nächsten Wahl entschieden werden; denn mit uns Piraten wird es in Koalitionsverhandlungen keine Gespräche über Vorratsdatenspeicherung für Bewegungsprofile geben. Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Herrmann.

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