Freitag, 12. September 2014
Top 6. Keine Zeltstädte in Nordrhein-Westfalen – Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten, Schulen und Turnhallen verhindern
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Abstimmungsempfehlung: Überweisung in den Ausschuss
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Protokoll der Rede von Frank Herrmann
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Abgeordneten Herrmann sehr gerne das Wort. Bitte, Herr Kollege.
Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Saal, im Stream und natürlich auch nachher auf YouTube oder wo auch immer diese Aufzeichnungen verwertet werden! Wir haben uns schon gestern und heute Morgen über die katastrophale Situation rund um die Flüchtlingsaufnahme in Nordrhein-Westfalen ausgetauscht. Einige Unterschiede zwischen unseren Vorschlägen, damit umzugehen, und denen der FDP und der Landesregierung habe ich dabei schon ausgeführt.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir wollen die Kommunen bei der Flüchtlingsaufnahme entlasten, und wir wollen, dass die Perspektive der Flüchtlinge viel mehr Berücksichtigung findet, als das derzeit der Fall ist. Der Schutz der hilfesuchenden Menschen muss im Vordergrund stehen. Wir müssen in der Asylpolitik weg vom Gedanken der Abschreckung, und zwar auf allen Ebenen: in der Kommune, im Land und im Bund.
Mit den vermutlich mehr als 40.000 Flüchtlingen, die in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen zu erwarten sind, und den voraussichtlich weiter steigenden Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 werden wir nur fertig, wenn es endlich ein tragfähiges und nachhaltiges Konzept zur Aufnahme und Unterbringung von Schutzsuchenden gibt, das auch den Anforderungen des Grundrechts auf Asyl entspricht.
Unser heutiger Antrag „Keine Zeltstädte verhindern“ steht daher auch im Zusammenhang mit unserer Forderung nach einer Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme in Nordrhein-Westfalen: hin zu einer humanen und dezentralen Unterbringung im ganzen Land.
(Beifall von den PIRATEN)
Denn die Lage in Nordrhein-Westfalen ist nicht erst seit gestern dramatisch. Dabei sehen wir die Anstrengungen, die die Landesregierung zurzeit unternimmt, um Notplätze zu errichten, durchaus. Ich möchte mich an dieser Stelle auch einmal sehr herzlich bedanken bei allen Mitarbeitern und Ehrenamtlern, die sich zurzeit in den Unterbringungseinrichtungen um die Nöte der Flüchtlinge kümmern. Diese Menschen verausgaben sich, um den Menschen in Not in diesem Chaos irgendwie zu helfen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich muss aber leider auch sagen, dass Flüchtlinge schon seit Jahren oft nur stiefmütterlich und notdürftig versorgt werden. Containerdörfer, Hotelunterbringungen, Notunterkünfte in Schulen und stillgelegten Schrottimmobilien gibt es nicht erst seit heute. Städte mit menschenwürdigen Unterbringungskonzepten wie Münster, Köln, Wuppertal, Lünen und Leverkusen bilden doch immer noch die Ausnahme. Es hätte daher längst Vorgaben der Landesregierung für die Unterbringung geben müssen Konnexität hin oder her. Ich sagte es schon gestern: Menschenwürde ist kein Deutschen-Recht.
Für die nahe Zukunft sehe ich wiederum schwarz, denn der Winter steht vor der Tür, und wenn schon ein paar Fälle von Masern das System zum Kollabieren bringen, sind Zeltstädte möglicherweise nicht auszuschließen. Die Wirkung wäre aber fatal, weil dadurch Ressentiments in der Bevölkerung geschürt würden. Wir müssen aber unbedingt verhindern, dass sich Ereignisse wie die in Rostock, Mölln und Solingen wiederholen.
Der Eindruck einer nicht beherrschbaren Flüchtlingswelle die überhaupt nicht da ist sollte nicht künstlich herbeigeführt werden. Deshalb fordern wir eine Bestandsaufnahme. So etwas haben andere Bundesländer übrigens schon gemacht: um sich ein Bild von den Möglichkeiten zu verschaffen und genau zu wissen, wo die Probleme liegen.
Ich habe hier einen Beispielbericht aus Schleswig-Holstein. Dort war man sich bewusst, dass die Probleme durch die steigenden Flüchtlingszahlen im Land zunehmen werden, und man wollte dort vorbereitet sein. Der Bericht wurde durch eine gemeinsame Initiative des Parlaments eingefordert, und es wird im Parlament auch regelmäßig Bericht erstattet. So etwas scheint in anderen Bundesländern möglich zu sein.
Aber bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Auch nach unserer Ansicht hätten es die Kommunen leichter und die Flüchtlinge tausendmal besser, wenn wir das unsägliche Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen würden. Wir können das als kleinste Oppositionspartei aber nicht alleine tun. Aber Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, können eine Bundesratsinitiative dazu starten. Wir unterstützen Sie dabei sehr gerne.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
In der Zwischenzeit wäre aber vielen Kommunen schon damit geholfen, wenn Sie auf eine private und kostengünstige Wohnungsunterbringung setzen würden. Dass wir dies mit unserem neuen Antrag nicht abermals fordern, sondern erst einmal nach Daten und Zahlen verlangen, liegt einzig daran, dass wir auch das nicht alleine durchsetzen können. Es gibt schon einige, die unsere Ansicht teilen, zum Beispiel die Flüchtlingsorganisationen, die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen gehören auch dazu und einige Kommunen. Aber wir müssen auch die kommunalen Spitzenverbände und die Kolleginnen und Kollegen von der SPD mitnehmen. Dafür brauchen wir Zahlen, schwarz auf weiß. Ich wünsche mir konstruktive Gespräche in den Ausschussberatungen und dass wir baldmöglichst eine Bestandsaufnahme der Unterbringungssituation in Nordrhein-Westfalen haben und damit Bescheid wissen, wo bei weiter steigenden Flüchtlingszahlen Probleme bei der Unterbringung zu erwarten sind, damit wir eines nicht bekommen: Zeltstädte in Nordrhein-Westfalen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den PIRATEN)
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