Dietmar Schulz zur Aktuellen Stunde über Finanzplanung der Landesregierung

Donnerstag, 5. Juni 2014

Top 1. A k t u e l l e  S t u n d e

auf Antragder Fraktion der FDP
Drucksache 16/6024
Zwei Wirtschaftsforschungsinstitute aus Nordrhein-Westfalen rügen Finanzplanung der Landesregierung – Finanzminister Dr. Walter-Borjans riskiert erneut einen Verfassungsbruch durch Nichteinhaltung der Schuldenbremse und schlägt Warnungen der Institute in den Wind
Unser Redner: Dietmar Schulz
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Protokoll der Reden von Dietmar Schulz

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. Für die Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Wir haben eine Aktuelle Stunde zur Haushaltsentwicklung und zur Schuldenbremse 2020. Die Antizipation der Haushaltsberatung, die zu führen wir eigentlich nach der Sommerpause vorgesehen haben, können wir machen. Gut, die Aktualität ergibt sich aus den vorgelegten Zahlen zweier Wirtschaftsforschungsinstitute in Nordrhein-Westfalen. So neu und so aktuell sie sind, so erwartbar waren sie gleichwohl.

Ich könnte natürlich auch noch mal den Geschäftsklimaindex für NRW zitieren, wie es der Kollege Optendrenk gemacht hat. Dieser Index hat nur bedingt Auswirkungen auf die Entwicklung der finanziellen Lage in Nordrhein-Westfalen, weil die wiederum damit zusammenhängt, wie es bei der Zinsentwicklung weitergeht. Wir haben im Moment ein extrem niedriges Zinsniveau innerhalb Europas. Das wirkt sich auch positiv auf Nordrhein-Westfalen auf. Allerdings ist es richtig, dass wie von Herrn Kollegen Mostofizadeh oder vom Kollegen Börschel gesagt worden ist in die mittelfristige Finanzplanung und in den Schuldenabbaupfad zumindest eine moderate Erhöhung der Zinslast eingerechnet ist.

Nun hat der Landesrechnungshof NRW hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode, nämlich im Januar 2012, wie folgt gewarnt: Der Landesrechnungshof hat Zweifel, ob die vorgesehene, gegenüber dem Vorjahr nochmals erhöhte globale Minderausgabe von 750 Millionen € für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung geeignet ist.

Damit sind wir an einem Punkt, der für jeden Landeshaushälter und Finanzminister einen schönen Spielball bedeutet, nämlich bei den Globalposten, die im Haushalt eingerechnet sind. Es ist ja nicht nur zweifelhaft, dass die Globalposten für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung geeignet sind. Die Globalposten sind auch ein Instrument der Verschleierung. Wir Piraten haben vom ersten Tag an, als wir hier im Landtag über Haushalte mitdiskutiert haben, gesagt: Wir müssen die Globalpositionen egal ob bei Minderausgaben oder bei Mehrausgaben offenlegen. Wir müssen sie transparent machen. Es geht um Globalausgaben von round about 800 Millionen €. Gut: für 2014 sind sie mit 672 Millionen € angesetzt. Wir müssen den Menschen sagen, wo gespart werden soll, wo die Daumenschrauben in den jeweiligen Ressorts angesetzt werden sollen.

Denn auf der einen Seite reden wir von KiBiz, von Inklusion, von Mehrausgaben, die gerade im Bereich der Bildung wichtig und notwendig sind. Auf der anderen Seite soll teilweise in denselben Ressorts wieder eingespart werden. Das deckt sich nicht. Also, machen Sie es offen, Herr Finanzminister.

Ich meine, der nächste Haushalt ist sicherlich ein guter Ansatzpunkt dafür, sich schon jetzt Gedanken zumindest darüber zu machen, wie die Globalpositionen offengelegt werden. Das ist eine prospektive Forderung, die wir nicht erst neuerlich, sondern seit Anfang der Legislaturperiode gestellt haben.

Nach wie vor ist auch nicht ausgewiesen, wie die Mehreinnahmen erzielt werden und woher diese kommen sollen. Auch in der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung bis 2017 wird letztendlich das ist teilweise auch schon angeklungen ein wenig Schönfärberei betrieben. Denn in den Schaubildern und Grafiken sind Ausgaben in Milliardenhöhe nicht enthalten, die das Land beispielsweise für die Abwicklung der ehemaligen WestLB sicher noch wird aufwenden müssen; das hat der Finanzminister hier am Pult schon mehrfach betont. Diese Ausgaben tauchen einfach nicht auf. Wir wissen nicht, wann sie getätigt werden müssen.

Mit Recht wird behauptet, es handele sich dabei nicht um strukturelle Ausgaben, sodass sie nicht unbedingt in die Schuldenbremsproblematik hineinfielen. Aber das Geld muss ja nun einmal irgendwo herkommen. Es wird nicht irgendwo geparkt, es liegt nicht auf der Bank herum. Wenn es auf der Bank herumliegt, dann muss man es holen. Dafür muss man Zinsen zahlen. Die Zinsen, die dafür aufgewendet werden müssen, die sind immer auch struktureller Natur, und die werden selbstverständlich miteingerechnet, wenn es darum geht, 2020 die Null erreichen zu können.

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen wir nun einfach mal alle Wirtschaftsforschungsinstitute, weil sie vielleicht politisch gefärbt sind, außen vor und nehmen nur den Landesrechnungshof. Der schreibt in seinem Bericht für 2013 mit Blick auf den von der Landesregierung aufgezeigten Verlauf der Nettoneuverschuldung, die zielorientierte Rückführung der Nettoneuverschuldung bis auf null in 2020 sei der Planung nicht zu entnehmen.

Der Landesrechnungshof hat auch in allen vorangegangenen Jahren immer wieder betont, dass der Schuldenabbaupfad bis 2020 vonseiten der Landesregierung im Prinzip um 500 Millionen € jährlich „gerissen“ wird. Das geht ganz klar aus dem Bericht des Landesrechnungshofs hervor.

Wie schon in einer der letzten Aktuellen Stunden und auch heute wieder hat Herr Kollege Börschel angedeutet, dass die Nettoneuverschuldung ja nun mal sinkt, von 2014 auf 2015 um 500 Millionen €, von 2015 auf 2016 um 300 Millionen € und von 2016 auf 2017 wiederum um 300 Millionen €.

(Martin Börschel [SPD]: Das ist doch toll!)

Moment! Dann sind wir 2017 bei 1,3 Milliarden € Nettoneuverschuldung. Ich erinnere mich auch an einen Debattenbeitrag vom Kollegen Hahnen, der im letzte Jahr sagte: Dann liegen wir 2020 bei null.

Also: 2017 sind wir bei 1,3 Milliarden € bei einer schrittweisen Rückführung um 300 Millionen €. Rechnen wir das weiter, bleibt einfach etwas übrig. Denn dann haben wir nur noch die Jahre 2018, 2019 und 2020. Und am Ende bleiben rund 700 bis 800 Millionen € übrig.

Das ist auch die Prognose des Landesrechnungshofs: Wenn das so weitergeht, landen wir 2020 nicht bei null, sondern bei rund 1 Milliarde € Nettoneuverschuldung. Und das muss mal geklärt werden.

Da haben wir verschiedene Dinge aber noch gar nicht miteingerechnet, die wiederum struktureller Natur sind; das wurde hier schon erwähnt. Nicht eingerechnet ist, dass aufgrund einer Verfassungsgerichtshofentscheidung möglicherweise Beamtenbesoldung nachgezahlt werden muss. Nicht eingerechnet sind möglicherweise weitere Steigerungsraten im Personalbereich aufgrund von Tarifanpassungen. Nicht eingerechnet sind aber auch die Milliardenlasten wie ich es gerade erwähnte aus der Konsolidierung des WestLB-Desasters.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

Präsidentin Carina Gödecke: Sehr schön.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Herr Finanzminister, sagen Sie den Menschen in NRW, dass sie bei Bildung, Sozialem, Daseinsvorsorge und nicht zuletzt bei der Restaurierung der Infrastruktur weiterhin Einbußen werden hinnehmen müssen. Oder sagen Sie den Menschen, wie Sie es hinbekommen wollen, auf der einen Seite mit Ihrem Schuldenabbaupfad die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse bis 2020 zu erreichen und auf der anderen Seite dafür Sorge zu tragen, dass den Menschen in Nordrhein-Westfalen entsprechende Leistungen zugutekommen. Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Stein.

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Veröffentlicht unter Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden

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