Joachim Paul zu gentechnikfreier Landwirtschaft in NRW

Donnerstag, 10. April 2014

Top 9. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaft soll gentechnikfrei bleiben!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/5484

Unser Redner: Joachim Paul

Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

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Protokoll der Rede von Joachim Paul

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Höne.  Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Nordrhein-Westfalens Landwirtschaft soll gentechnikfrei bleiben. Toll! Das wollen wir auch. Wir sagen gleich noch dazu: Wir Piraten sind grundsätzlich gegen Patente auf Lebewesen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir unterstützen  um es gleich vorweg zu sagen  den Unionsantrag, weil wir ihn inhaltlich für gut halten. Weil er aber eben nicht die Frage der Patente berührt, haben wir als Fraktion beschlossen, uns dazu zu enthalten.

Man könnte jetzt natürlich auch argumentieren, dass das für den Kommunalwahlkampf in NRW richtig ist. Das ist sicher richtig; aber da sage ich als Kölner: Man muss auch jönne könne. Aufgrund der Tatsache, dass die Bundesregierung sich dazu bei der EU enthalten hat, ist es sicher wichtig, von einem Landesparlament aus einmal eine Initiative zu ergreifen. Zur Faktenlage: Der Mais ist eine Pflanzenart innerhalb der Familie der Süßgräser. Er stammt ursprünglich aus Mexiko. Weltweit werden jährlich über 850 Millionen Tonnen im Rahmen der Getreideproduktion geerntet.

(Zuruf von der CDU: Das ist auch gegoogelt!)

Nein, das habe ich nicht gegoogelt, das kann man auch so wissen.  In den USA beträgt der Anteil an transgenen Sorten mittlerweile 85 %. Herr Höne, 2006 hat Puerto Rico die hier behandelte Maisserie 1507 vom Markt genommen. Wissen Sie, warum?

(Henning Höne [FDP]: Erst Uruguay, dann Puerto Rico!)

Nein, Puerto Rico hat sie deshalb vom Markt genommen, weil der Schädling gegen das Cry1F-Enzym, das dort produziert wird und mit dem er vernichtet werden sollte, resistent geworden ist. Komisch  wenn man immer nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt und nur straight linear denkt, produziert man gerade im Bereich der Gentechnik  und nicht nur in der neuen Gentechnik, sondern auch in der Old-School-Gentechnik  über Züchtungen Dinge, die uns, wenn wir nicht aufpassen, an den Rand einer Katastrophe führen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Mais 1507 ist im Genom an genau zwei Punkten modifiziert: Zum einen produziert er das Enzym Phosphinothricin-Acetyl-Transferase, welches gegen das Herbizid Glufosinat unempfindlich machen soll, und das eben schon genannte Protein Cry1F, wogegen ein Maisschädling in Puerto Rico schon Resistenzen entwickelt hat.

Ich denke, das können wir uns nicht leisten. Ich möchte zunächst versuchen, fernab von den ethischen Fragestellungen, die auch wichtig sind, einmal grundsätzlich zu werden. Dazu erzähle ich Ihnen ein ganz anderes Beispiel: Im Jahr 1950 hatte die Sowjetunion Devisenprobleme und hat versucht, über Pelzproduktion den westlichen High-Society-Pelzmantelmarkt zu befüttern, und das mit Silberfuchspelzen, die es nur in Russland gibt. Das Problem bei diesen Tieren ist aber, wenn man sie in Gefangenschaft hält, dass sie aggressiv werden, auch gegen sich selbst, bis hin zur Sterilität. So erhielt der russische Genetiker Dmitri Beljajew den Auftrag, zahme Silberfüchse zu züchten. Das hat er dann auch getan.

Er hat aus einer Riesenpopulation von 500 Tieren die am wenigsten aggressiven herausgesucht und diese sich miteinander verpaaren lassen. Das hat er fünfzehn Mal gemacht, über 15 Generationen hinweg. Die Veränderungen waren hochinteressant: Die Silberfüchse hatten Schlappohren, warfen sich auf den Rücken, wenn der Pfleger kam, um gestreichelt zu werden, und bellten.

(Zuruf von den PIRATEN]: Und wurden zum FDP-Wähler!)

Das Problem war aber: Sie hatten nunmehr gescheckte Felle und waren daher nicht verwendbar für die Pelzmantelproduktion. Das heißt: Wenn man genetisch irgendeinen Eingriff vornimmt, kommt in einer Nebenwirkung immer etwas anderes heraus als das, was man ursprünglich beabsichtigt hat. Das hat einen ganz einfachen Grund  vorhin haben wir ja über die Wissenschaftslandschaft debattiert: Es liegt daran, dass das Denken im wissenschaftlichen Mainstream geschieht, dass unsere Verstandesmechanik noch nicht ausreicht, um die  in Anführungszeichen  „Mechanik des Lebens“ voll zu begreifen. Von daher haben wir immer mit Nebenwirkungen zu rechnen. Das ist einfach so.

Von daher schließen wir uns natürlich dem Antrag an. Was die EFSA, die Europäische Lebensmittelbehörde, angeht, so muss man hier noch einmal vorstellig werden; denn sie hat zum Thema der Zulassung von Mais 1507 sehr schlampig recherchiert. Es gibt andere Untersuchungen, die besagen, dass bei der EFSA nur Analogieschlüsse gezogen worden und nicht Cry1F selber betrachtet worden ist. Es hat keine Untersuchung dahin gehend stattgefunden, wie sich das toxische Enzym im Boden gegenüber anderen Insekten verhält. Da muss man auf die EU einwirken.

Darüber hinaus besteht noch eine weitere Gefahr; selbst wenn wir einen Beschluss herbeiführen und die Bundesregierung dem zustimmt, dass wir keinen gentechnisch modifizierten Mais in Nordrhein-Westfalen oder in ganz Deutschland verwenden. Wenn wir ein Freihandelsabkommen mit den USA abschließen, besteht nämlich die Gefahr, dass uns in zwei, drei Jahren eine Klage von DuPont Chemicals ins Haus flattert, die auf einer Marktzulassung von Mais 1507 besteht. Und davor kann ich nur warnen.

Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul.  Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Veröffentlicht unter Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (A10), Joachim Paul, Reden

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