Joachim Paul über zerstörtes Vertrauen nach Gehälteraffäre

Top 2. Neustart in der Wissenschaftspolitik notwendig – zerstörtes Vertrauen nach Gehälteraffäre und ungenügendem Gesetzentwurf wiedergewinnen

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/5271

in Verbindung damit

Rektorengehaltsaffäre: Skandal lückenlos aufklären, Rechtsverletzungen nicht verharmlosen, sondern konsequent ahnden und vorbeugen!

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache16/5287

Unser 1. Redner: Joachim Paul

Abstimmungsempfehlung: CDU Antrag ablehnen und FDP Überweisung zustimmen und unserem Entschließungsantrag zustimmen.

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Protokoll der Rede von Joachim Paul

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank.  Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und daheim! Irgendwie scheint mir die Analy-se, die die Union in ihrem „Antrag des Tages“ an den Tag legt, nicht mehr ganz zeitgemäß zu sein und entsprechend substanzlos. Bei Herrn Bergers Redebeiträgen gewinne ich immer mehr den Eindruck: Sie haben nur den Zweck, die Luft im Plenum umzuwälzen. Etwas anderes kann man daran nicht finden.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN) Aber ich bin Philanthrop und gebe die Hoffnung nicht auf  das heißt das nämlich. Damit Sie, Herr Berger, im Ausschuss vielleicht wieder auf Ballhöhe kommen, empfehle ich Ihnen, sich zur Abwechslung ein paar sachliche Argumente zum Thema wenigstens anzuhören. Erstens. Hochschulen sind Orte der Wissenschaft und nicht Wissenschaft selber. Sie sind auch keine Unternehmen. Daher erfordern sie ein eigenes, organisatorisches Rahmenwerk  und keine betriebswirtschaftliche Flickschusterei wie im Hochschulfreiheitsgesetz. Vielleicht können wir uns bei der weiteren Debatte hier im Plenum und im Ausschuss einmal darüber unterhalten, was Wissenschaft voranbringt, statt irgendwelche Steigbügelhalterdiskussionen für irgendwelche Lobbygruppen mit ihren Partikularinteressen zu führen. Denn  zweitens  die Gruppe der Hochschulrektoren ist eine von vielen Gruppen an den nordrhein-westfälischen Hochschulen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Dass sich die Hochschulrektorenkonferenzen und die Landesrektorenkonferenzen als Stimmen der Hochschulen bezeichnen, kann man als Anmaßung werten. Es ist offensichtlich falsch: Sie sind die Leiter eines Ortes der Wissenschaft. Dass die Hochschulrektoren neuerdings auch diejenigen sein sollen, die Drittmittel an Land ziehen und/oder Studierende in Grundlagenseminaren über wissenschaftliches Denken und Arbeiten informieren und lehren, das ist mir persönlich bislang entgangen. Daraus folgt  drittens : Die Leistungsbilanz, die Sie hier immer wieder ansprechen, hat die Leistung aller Beteiligten darzustellen, also das Zusammenspiel von Hochschulleitungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden sowie Wirtschaft und Politik. Alle Seiten benötigen die konstruktive Mithilfe der jeweils anderen. Alle sind Teil des komplexen Mosaiks der Wissenschaftslandschaft in Nordrhein-Westfalen. Das sollte man wirklich nicht kleinreden. Die Hochschulen kommen ohne den Staat nicht aus, die Gesellschaft nicht ohne die Hochschulen und der Staat nicht ohne die Gesellschaft. In genau diesem Spektrum bewegen wir uns, wenn wir über ein Hochschulgesetz reden, von dem bislang leider nur wenige profitieren und an dem viele Hochschulmitglieder Schaden genommen haben.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Ach, das ist doch lächerlich!)

Sie alle wissen, dass der Anteil der sachgrundlosen Befristungen bei den Beschäftigten an den Hochschulen durch das Hochschulfreiheitsgesetz auf teilweise bis zu 80 % angestiegen ist. Das gehört auch zur Wahrheit der sogenannten Hochschulautonomie und dem Spielzeug „Personal“, neudeutsch: Human Resources. Alles in allem müssen wir zusammenfassen, dass der offene Dialogprozess des Ministeriums nicht die gewünschte Befriedung des Konfliktes gebracht hat. Auch beim Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf selbst bleiben viele Fragen offen. Sie, Frau Ministerin Schulze, sind nach unserer Auffassung leider vor den all zu lauten Rufen der Rektoren und der Hochschulräte eingeknickt. Ich darf hier noch ein weiteres Mal dezent an das SPD-Wahlprogramm 2010 und das grüne Wahlprogramm von 2012 erinnern, mit denen beide Parteien die Abschaffung der Hochschulräte gefordert haben. Das Parlament hat jetzt aber noch reichlich Gelegenheit, auf den Gesetzentwurf einzuwirken. Wenn es Ihnen ernst ist mit einer sachlichen Debatte um das Hochschulgesetz, sind wir auch gerne dazu bereit. Denn Sie wissen doch: Uns geht es um die Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen und die damit befassten Menschen. „Neoliberal“ ist ein anderes Wort für „wissenschaftsfern“ und „innovationsfeindlich“. Auf die Wünsch-dir-was-Rhetorik der Markteffizienz der anderen Oppositionsparteien, Frau Schulze, lassen wir uns nicht ein. Wir betreiben das nicht weiter, denn es ist weder konstruktive Oppositionspolitik noch Innovationsmanagement. Noch ein Wort zum FDP-Antrag: Der enthält sicher Wichtiges und Richtiges, aber er weist an einigen Stellen leider gravierende technische Mängel auf, sodass ich meiner Fraktion zur Enthaltung raten muss.  Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul.  Nun spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Schulze.

Veröffentlicht unter Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (A10), Joachim Paul, Reden

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