Plenarrede: Dirk Schatz zu hohen Krankenständen im öffentlichen Dienst am Beispiel der Polizei

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Top 7. Ursachenforschung: Die große Anzahl an Krankenständen im öffentlichen Dienst am Beispiel der Polizei in NRW

 

Große Anfrage 1 der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/763

Zwischenbericht der Landesregierung

Drucksache 16/1570

Antwort der Landesregierung

Drucksache 16/3389

Unser Redner: Dirk Schatz

Die Polizeibehörden in NRW brauchen ein einheitliches und verbindliches Gesundheitsmanagement. 2008 war ungefähr jeder Fünfte der Polizistinnen und Polizisten in NRW länger als sechs Wochen im Jahr als arbeitsunfähig gemeldet. Wegen dieses Krankenstands in den Polizeibehörden fehlen rund 1450 Vollzeitstellen pro Jahr.  Unsere Große Anfrage verlangt von der Landesregierung Antworten auf Fragen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, behördlichen Gesundheitsmanagement und zur polizeilichen Dienstfähigkeit. Sie soll die Ursachen der hohen Krankenstände aufdecken, um in Zukunft eine bessere gesundheitliche Versorgung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu ermöglichen.

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Protokoll der Rede von Dirk Schatz:

Vielen Dank. – Mein allerliebster Lieblingspräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer hier im Saal! Ein gutes Team ist nur so gut wie sein schwächstes Mitglied, sei es im Sport oder eben auch bei der Belegschaft eines Betriebes bzw. einer Behörde.

Die uns nun vorliegende Antwort auf unsere Große Anfrage stellt in alarmierender Weise dar, was passiert, wenn in einem Betrieb mit mehreren Tausend Beschäftigten immer mehr Menschen immer weniger einsatzfähig sind. Beharrlich versucht die Landesregierung, in ihren Antworten auf unsere Fragen den Eindruck zu erwecken, es werde alles in ihrer Macht Stehende getan, um Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung bei der Polizei sicherzustellen.

In Wahrheit aber – und das belegen die Zahlen – steigt die Anzahl der Krankentage seit Jahren kontinuierlich an.

Nicht mitgerechnet sind dabei diejenigen Beschäftigten, die zwar im Dienst sind, krankheitsbedingt aber nicht in der Lage sind, die volle Leistung erbringen zu können.

Anstatt dieses Problem nun offen anzugehen und endlich die Ärmel hochzukrempeln, werden die Zahlen auch noch frisiert. So werden zum Beispiel im PersIS, in dem entsprechenden System, in einem Jahr eben nicht volle 365 Tage berechnet, wie beispielsweise bei den Krankenkassen üblich, sondern nur 252 Tage erfasst, sprich: ein Arbeitsjahr ohne Wochenenden und Feiertage.

Das heißt im Klartext: Bei einem Polizisten, der am Wochenende krank wird, obwohl er Dienst hätte, werden zwei Krankheitstage statistisch nicht erfasst. Die Folgen liegen auf der Hand: Die verbleibenden Beschäftigten werden dadurch zusätzlich enorm belastet. Alleine im Jahr 2012 haben die Kolleginnen und Kollegen in NRW 1,8 Millionen Überstunden erarbeitet. Davon wurden 1,2 Millionen durch Freizeit und 550.000 durch Vergütungen ausgeglichen, 50.000 Überstunden wurden einfach unter den Teppich gekehrt.

Die Landesregierung scheint jedoch weiterhin krampfhaft an ihrem Führungsstil festzuhalten. So versuchte sie, uns im ersten Zwischenbericht noch davon zu überzeugen, dass durch die krankheitsbedingten Ausfälle lediglich eine Umverteilung der anfallenden Arbeiten stattfinden würde. Irgendwann hat sie dann erkannt, dass es wohl doch nicht so einfach ist und eben nicht nur eine Umverteilung stattfindet, und hat daraufhin das Wort „lediglich“ im zweiten Bericht gestrichen. Von den knapp 6 Millionen Überstunden, die die Polizeibeamten ohnehin schon vor sich herschieben und die immer weiter aufgebaut werden, will ich gar nicht erst sprechen.

Was viele bereits ahnten, wurde nicht ausgesprochen. Anzeichen wurden einfach ignoriert – und das, obwohl bereits 2009, liebe Grüne, durch Ihre Anfrage schockierende Ergebnisse ans Licht gebracht wurden. Alarmierend hoch nannten Sie die Krankenstände in Ihrem Antrag, in dem Sie eine verbindliche Umsetzung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements forderten. Auch die Experten im anschließenden Sachverständigengespräch waren sich darüber einig, dass akuter Handlungsbedarf besteht.

Vier Jahre und ein Regierungswechsel später jedoch sind die guten Vorsätze schon wieder vergessen. Verbindlich werden sollten die Maßnahmen mit dem Ziel der frühzeitigen Prävention und der langfristigen Arbeitsplatzsicherung. Dabei herausgekommen ist hingegen ein freiwilliges System, das viele Behörden nur auf dem Papier stehen haben. Die fehlende Ernsthaftigkeit belegen Sie mit diesen Antworten schwarz auf weiß.

Die Landesregierung versucht insofern zu beschwichtigen, als ohnehin zwei von drei angebotenen Verfahren von den Beschäftigten abgelehnt würden. Das spiegelt aber nicht die gesamte Realität wider. Es darf uns nicht wundern, wenn Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements aufgrund mangelnder Erfahrung im Umgang mit diesen Verfahren sowie aufgrund fehlerhafter Ausführung abgelehnt werden. Das löst bei den Beschäftigten natürlich Unbehagen aus.

Die Ablehnung geschieht in der Regel deshalb, weil in der Maßnahme das Wort „Ausgliederungsmanagement“ gleich mitschwingt. Ich kann Ihnen auch erklären, warum das so ist: Der Datenschutz wird in diesem Bereich immer noch nicht ernst genommen. Die Informationen, gerade zu den Gesundheitszuständen, werden nämlich auch für weitere Verfahren, wie zum Beispiel zur Feststellung der Dienstfähigkeit, benutzt. Selbst die Bekanntgabe einer Schwerbehinderung oder die Erkenntnisse über Diagnosen werden häufig zum Anlass genommen, die Dienstfähigkeit eines Beamten feststellen zu lassen.

Und dann wundern Sie sich, dass keiner mitmachen will. Es muss endlich die versprochene landesweite verbindliche Dienstvereinbarung her, damit kontinuierliche Fortbildungen erfolgen können und Integrationsteams beteiligt werden. Darüber hinaus müssen dringend umfassende Standards zur Einhaltung des Datenschutzes erstellt werden. So kann es jedenfalls nicht weitergehen.

Mir fehlt leider die Redezeit, um noch auf weitere Einzelheiten in der Antwort der Regierung einzugehen. Ich kann jedoch zusammenfassend sagen, dass Sie mit dem Sprichwort „Problem erkannt, Gefahr gebannt“ alleine nicht weiterkommen werden. Vielmehr sind konkrete Handlungsschritte notwendig. Dazu gehört unter anderem auch die Verbesserung von Arbeitsschutzmaßnahmen, die Beteiligung von Betriebsärzten, die regelmäßige Durchführung von Gefährdungsanalysen und vieles mehr.

Es gibt viel zu tun, liebe Landesregierung. Sie sind nun in der Verantwortung, Ihr Team wieder einsatzfähig zu machen. Denn Sie wissen ja: Gesunde und motivierte Mitarbeiter sind der Schlüssel zu einem erfolgreichen Betrieb und einer hohen Arbeitszufriedenheit. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Veröffentlicht unter Dirk Schatz, Innenausschuss (A09), Reden

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