Plenarrede: Dietmar Schulz zu Bevormundung von Wirten und Gästen bei NiSchG

Freitag, 21. Juni 2013

 

TOP 1. Aktuelle Stunde: Gegen Bevormundung und Entmündigung von Wirten und Gästen

Aktuelle Stunde FDP

Drucksache 16/3301

Unser 2. Redner: Dietmar Schulz

 

 

 

 

 

Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz

 

 

Wortprotokoll zur Rede von Dietmar Schulz:

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause am Stream! Vielen Dank für den Auftrittsapplaus.

Herr Kollege Bombis, Man könnte in der Tat sagen, es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Aber ich danke Ihnen für die Ausführungen, dass schon vor Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzänderungsgesetzes 80 % der gastronomischen Betriebe in Nordrhein-Westfalen rauchfrei waren. Es geht also hier und ging hier einzig und allein um die Verfolgung ideologischer Ziele. Die restlichen 20 % sollten gefälligst auch noch rauchfrei sein.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Sie selbst von den regierungstragenden Fraktionen sprechen davon: Raucheranteil 30 %. 30 % der Bevölkerung rauchen, vielleicht ein bisschen weniger. Da sprechen Sie von einer Minderheit. Bei mir sind 30 % noch keine Minderheit. Wenn wir in das Gesellschaftsrecht schauen, sehen die Minderheiten etwas anders aus. Da fangen wir bei 5 % an. Je nach Gesellschaftsvertrag können es vielleicht auch einmal 20 % werden, aber sicherlich nicht 30 %. Wir reden von einem Drittel der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen. Da sprechen Sie von Minderheiten.

(Beifall von der CDU)

Diese wollen Sie nicht schützen, sondern Sie wollen diejenigen schützen, deren Recht auf freie Entscheidung, wohin Sie gehen, in Gaststätten mit Rauchen oder in Gaststätten ohne Rauchen, damit schlicht und ergreifend vom Tisch gewischt wird. So läuft das nicht. Das ist Ausdruck eines Rechtsverständnisses, welches ich in diesem Hohen Hause ehrlich gesagt nicht nachvollziehen kann. Es gibt kein Recht auf Besuch einer rauchfreien Gaststätte.

(Serdar Yüksel [SPD]: Es gibt das Recht auf Gesundheit!)

– Herr Yüksel, zu Ihnen komme ich gleich noch. Sie haben hier erstaunlicherweise etwas gesagt – oder vielleicht auch nicht erstaunlicherweise –, was dieses Rechtsverständnis in der Tat unterstützt. Sie haben nämlich gesagt, Sie wollen diejenigen schützen, die sich zu lange – ich zitiere aus dieser Sitzung – einer großen Gefahr ausgesetzt haben. Man achte genau auf die Terminologie: die sich zu lange einer großen Gefahr ausgesetzt haben. – Wenn ich mich persönlich einer großen Gefahr aussetzen möchte oder ausgesetzt wissen möchte, werde ich das tun. Das wird keine Partei in diesem Hause, keine Landesregierung verhindern. Es ist mein gutes Recht, mich einer Gefahr auszusetzen, ganz einfach.

Kommen wir mal zurück zu den weiteren Fakten: Während die Gesetzeslage vor fünf Jahren noch von einem Miteinander ausging, geht es heute nur noch um ein Gegeneinander. Das Gesetz hat mittlerweile dazu geführt, dass teilweise tumultartige Szenen vor Gaststätten in Nordrhein-Westfalen zu beobachten sind.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

Es hat dazu geführt, dass Ordnungsämter vor Gaststätten einschreiten müssen. Es hat dazu geführt, dass der Lärmschutz nunmehr in besonderer Weise im öffentlichen Raum zu beachten ist, weil die Raucher auf die Straße gehen. Das stört die Nachbarn. Das wurde ja hier auch schon mehrfach angesprochen. Das führt zu einer Spaltung innerhalb der Gesellschaft. Dieses Gesetz, das wir letztens verabschiedet haben, ist ein Spaltungsgesetz.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Es geht ja nicht nur um das Rauchen, sprich Tabakverbrennen. Dieses Gesetz hat darüber hinaus ja auch den Verbotscharakter bezüglich der E-Zigarette. Das wurde noch gar nicht erwähnt, Frau Ministerin.

(Zuruf von Ministerin Barbara Steffens)

Es gibt mehrere Gutachten, die klar sagen, dass im Vergleich zum Konsum von Tabak der Konsum oder auch das Verdampfen von Liquids durch die sogenannten E-Zigaretten eben nicht den entsprechend schädlichen Gehalt für die Nichtraucher mit sich bringt. Aber auch das haben Sie ja verboten. Auch da fragt man sich: Wo ist eigentlich hier die Verhältnismäßigkeit?

Wenn ich, Herr Yüksel, Ihren Zwischenruf von eben mal aufgreifen darf: Als Herr Bombis davon sprach, es ginge bei Gesetzen um Verhältnismäßigkeit, haben Sie gefragt, wozu wir in diesem Bereich Verhältnismäßigkeit bräuchten, denn es gehe um Nichtraucherschutz. Auch das ist wiederum Ausdruck eines Rechtsverständnisses, welches ich in unserem Staat nicht verstehen kann.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP – Zuruf von Serdar Yüksel [SPD])

Ferner sprechen Sie davon, Frau Schneckenburger: Freiheit ohne Verantwortung. – Was ist denn das für ein Käse? Entschuldigung, mit Verlaub: Freiheit ohne Verantwortung? Dort, wo die Verantwortung von Bürgern nicht wahrgenommen wird, wo Sie davon ausgehen, dass hier nur noch Soziopathen miteinander umgehen, müssen Sie diese Verantwortung übernehmen und dem Rest der Bevölkerung auch noch Verbotsgesetze vor die Nase setzen?

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Es tut mir furchtbar leid. Es mag ja sein, dass Sie das Ganze hier als Wahlkampfgetümmel abstempeln. Ich sage Ihnen eines: Das wird es nicht sein. Denn auch nach der Bundestagswahl am 22. September wird dieses Thema, wird ein Thema der Freiheit von Bürgern, wird das Thema „Nichtraucherschutz“ weiterhin Thema bleiben, bis zur nächsten Kommunalwahl, nämlich dann, wenn die Bürger darüber zu entscheiden haben, ob sie in den Kommunen, in denen sie leben, rauchen dürfen, wo sie wollen, oder nicht.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Wenn Sie das in öffentlichen Gebäuden verbieten, ist das vollkommen in Ordnung. Aber im Bereich der Privatwirtschaft – und darum geht es – ist ein Verbot in dieser Art und Weise schlicht und ergreifend verhältnismäßig nicht akzeptabel. Es ist nicht akzeptabel.

Sie können davon ausgehen: Jedes Mitglied der Fraktionen der SPD und der Grünen hat – vielleicht haben Sie schon davon gehört – in vielen Gaststätten in Nordrhein-Westfalen mit dem Aushang Ihrer persönlichen Bilder Hausverbot.

(Heiterkeit)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Dietmar Schulz*) (PIRATEN): Ich verweise auf die Internetpräsenz www.raucherkneipen.eu. Ich habe das Plakat oben an meinem Arbeitsplatz liegen. Sie können es sich da einmal anschauen. Es hängt überall in den Fenstern. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Die Wirte und auch die Gäste wollen Sie in diesen Gaststätten definitiv nicht mehr sehen, und zwar in den jetzt rauchfreien Gaststätten. Ich sage Ihnen: Es wird die Quittung bei den nächsten Wahlen geben, vielleicht nicht bei der Bundestagswahl, aber sicherlich bei der nächsten Kommunalwahl. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Veröffentlicht unter Dietmar Schulz, Rechtsausschuss (A14), Reden
9 Kommentar auf “Plenarrede: Dietmar Schulz zu Bevormundung von Wirten und Gästen bei NiSchG
  1. Silvia Wölki sagt:

    Hallo !
    Herzlichen Dank Herr Schulz für ihre mutige Rede . Ich bin auch der Meinung , dass erwachsene Bürger nicht einem Gesundheitsdiktat seitens der Regierung unterstellt werden dürfen. Dem muß ein Ende gesetzt werden. Es gibt nicht den perfekten Menschen und die meisten gehen in eine Kneipe , um dort Alkohol zu trinken und evtl. auch dabei zu rauchen . Dieses Recht sollte nicht durch Verbote eingeschränkt werden. Es sollte Nichtraucherkneipen und Raucherkneipen zugleich geben ! Das ist gerecht !

    • Ute Plass sagt:

      Hallo Silvia Wölki,
      klingt erstmal einleuchtend:
      Raucher-innen, wie Nichtraucher-innen-Kneipen.
      Was ist mit dem Schutz des Personals vor Passivrauchen?
      Wenn argumentiert wird, die Leute könnten sich ja einen rauchfreien Arbeitsplatz suchen, dann klingt das angesichts fehlender gesunder Erwerbjobs wie eine Verhöhnung.

      Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass Pirat-innen meinen, sie müssten die Jobs von Wirt-innen retten. Die Partei vergisst ihre eigenen Grundsätze bezüglich schädlicher und überflüssiger Erwerbsjobs und dient sich, da Wahljahr, einer bestimmten Lobby an.
      Schade!!!!!!!

      • Sorry, das hat nichts mit einer Lobby, oder einem Wahljahr zu tun, sondern ist schlicht die Folge eines Parteitagsbeschlusses.
        Der letzte Antrag hier wurde mit großer Mehrheit beschlossen http://wiki.piratenpartei.de/NRW:Landesparteitag_2012.3/Antr%C3%A4ge/Sonstige_Antr%C3%A4ge

        • Ein Parteitagsbeschluss, den Ihr selbst bei besagtem, bereits in Auflösung befindlichem Parteitag durchgedrückt habt. http://www.youtube.com/watch?v=ievJymCQ5ig (ca. ab 06:08)
          http://wiki.piratenpartei.de/Schutz_vor_Passivrauch/NiSchG_NRW:_1._Offener_Brief
          – damit Ihr Euch nachher dahinter verstecken könnt. Durchaus virtuos, aber eben auch ganz klassische Politik 1.0 und vollkommen korrupt.

          Mal ganz abgesehen davon, dass Abgeordnete noch immer ausschliesslich dem eigenen Gewissen verpflichtet sind. Funktioniert natürlich nur, wenn man eines hat.

          • OK Eric, pass auf. Ich mache dir einen konstruktiven Vorschlag.
            Du verlässt den LV Hessen der Piraten und wechselst nach NRW. Dann stellst du Anträge, die Position hier zu ändern und wenn das geschehen ist, werden wir uns anders im Plenum verhalten. Bis dahin siehst du von weiteren Beleidigungen hier ab, oder wirst nach der nächsten schlicht im Filter landen.
            Ich habe irgendwo Grenzen und wenn irgendein Pirat aus irgendeinem LV meint, er müsse mir vorwerfen korrupt zu sein, weil ich nach den Positionen meines(!) LV handele, dann ist an der Stelle schlicht Schluss.
            Ich habe überhaupt kein Problem damit, beim nächsten Mal der Verbotsorgie der Grünen beizutreten, wenn mein LV die entsprechenden Beschlüsse fasst und werde dann auch nach diesen Abstimmen, wenngleich ich mit der Entscheidung nicht einverstanden wäre, weil es nicht meine Position ist. Dafür müsste ich dann aber mein Gewissen gar nicht bemühen.
            http://www.lexexakt.de/glossar/gewissen.php

        • Ute Plass sagt:

          @Kai Schmalenbach: „Der letzte Antrag hier wurde mit großer Mehrheit beschlossen“.
          Dann sei die große Pirat-innen-Mehrheit nochmal daran erinnert, dass sie auf dem besten Wege ist das Verhalten der sog. etablierten Parteien zu kopieren, die ständig von Arbeitsplatz-Beschaffung oder Erhalt schwadronieren, egal um welche Arbeit es sich handelt. Erinnert sei an Frau Merkels Ausspruch, dass „sozial ist, was Arbeit schafft!“.
          Ich erwarte von den Pirat-innen intelligentere Konzepte hinsichtlich des guten Lebens für alle und erinnere daran, dass es auch einen Pirat-innen-Mehrheitsbeschluss für das Bedingungslose Grundeinkommen gibt. Ein BGE ermöglicht es den Menschen Erwerbsarbeit abzulehnen, die ihre Gesundheit und das ihrer Mitmenschen gefährdet.
          Ein verstärktes Engagement der NRW-Pirat-innen in Richtung BGE halte ich daher für sinnvoller als das Festhalten an einer überholten Erwerbsarbeit-Ideologie.

          • Ja, dann erinnere die große Mehrheit daran, kein Problem. Aber tu das bitte auf der NRWML der Piraten, oder auf einem Landesparteitag. Wir handeln im Plenum nach der vorliegenden Beschlusslage. Das ist das eingeholte Positionspapier und das sind 4 Abstimmungen zu Anträgen, die wir geschrieben haben und durch das liquid feedback der Partei geschickt haben. 3 von 4 sind durchgekommen und wir halten uns ganz genau daran, was an Anträgen durchgegangen ist.
            Ändert sich daran etwas, dann ändere ich mein Verhalten im Landtag. As simple as that.

  2. Die Quittung, oh Du mutiger Dietmar Schulz und Israel-Experte, die Quittung für Dein und Euer absonderliches Geschwafel werden wir, die Piratenpartei, bereits zur Bundestagswahl bekommen. Schönen Dank auch.

  3. Ute Plass sagt:

    Abstimmungen sind das eine – eine eigene Meinung und Haltung haben, das andere!
    Gibt es in der P-Partei so etwas wie
    Grundwerte-Debatten, also auch die Auseinandersetzung mit wirtschaftsethischen Fragen?
    Empfehle dahingehend die folgende Deutschlandfunk-Reihe:
    „Ökonomie des glücklichen Lebens“
    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/2143176/

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