Plenarrede: Birgit Rydlewski zu Schulentwicklung in der Sekundarstufe I

Mittwoch, 19. Juni 2013

TOP 2. Schulkonsens wirkt – Schulentwicklung in der Sekundarstufe I

Antrag SPD/ GRÜNE
Block I

Direkte Abstimmung

Unsere Rednerin:  Birgit Rydlewski

Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

 

 

 

 

Audiomitschnitt der Rede von Birgit Rydlewski

Wortprotokoll zur Rede von Birgit Rydlewski:

Birgit Rydlewski (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Wie so oft in diesem Haus kann man Gutes und Schlechtes bei dem Antrag der Regierungsfraktionen mit dem interessanten Titel „Schulkonsens wirkt – Schulentwicklung in der Sekundarstufe I“ finden.

Gut daran ist die grundsätzliche Idee, dass jemand, der nach langem Ringen ein neues System etabliert hat, dann auch klug genug ist, dieses System nach einiger Zeit auf den Prüfstand zu stellen, um es zu evaluieren und gegebenenfalls weiter zu verbessern.

Schlecht daran ist, dass die Behauptung, der – Zitat – „Schulkonsens wirkt“, bereits das Ergebnis vorwegzunehmen scheint und leider den Verdacht nahelegt, der Antrag diene primär dazu, sich seitens der Regierungsfraktionen selbst auf die Schultern zu klopfen.

Es spricht nichts gegen eine echte Evaluierung. Selbsterkenntnis ist bekanntermaßen immer der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung. Daher halten wir eine Überprüfung des Großprojekts „Umbau der Schullandschaft in NRW“ grundsätzlich für sinnvoll. Dann müssen die gestellten Fragen aber natürlich auch echte Fragen sein. Und da haben wir unsere Zweifel.

Im Antrag heißt es weiter – Zitat –: „Kernziel des Schulkonsenses ist ein Schulsystem, das der Verschiedenheit der Kinder und Jugendlichen gerecht wird.“ Auch das ist ein Ziel, das wir richtig finden und grundsätzlich unterstützen.

Leider existieren aber an den Schulen in NRW – nicht nur dort, aber auch dort – nach zwei Jahren immer noch gravierende Probleme. Hier einige Beispiele:

–   auf der einen Seite das Scheitern einiger Gründungsinitiativen von Sekundarschulen. Pulheim-Brauweiler oder Heinsberg, um nur zwei zu nennen. Warum haben die Sekundarschulen dort nicht die notwendige Akzeptanz gefunden? Was sind die Ursachen dafür?

–   auf der anderen Seite die Kritik, die an den Verfahren der Elternbefragungen geäußert wurde. An manchen Orten wird Kritik laut, dass diese Elternbefragungen und auch die Informationsveranstaltungen zu den weiterführenden Schulen vor Ort sehr einseitig auf die Sekundarschulen abzielen.

Insbesondere bei dem wichtigen Thema „längeres gemeinsames Lernen“ scheint uns noch eine Menge konkreter Fragen unbeantwortet zu sein – zum Beispiel die Frage, welche Erfahrungen mit dem Unterricht in heterogenen Lerngruppen vorliegen. Es reicht nicht, wie im Antrag nur allgemein nach – Zitat – „der Entwicklung der Schulen des längeren gemeinsamen Lernens“ zu fragen. Wichtig ist nämlich: Welche Erfahrungen haben die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort konkret mit dem längeren gemeinsamen Lernen gemacht? Und was lässt sich aus diesen Erfahrungen lernen, um sich weiter zu verbessern?

In diesem Zusammenhang drängt sich eine weitere Frage geradezu auf: Wie werden die Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote zum individuellen Lernen von Lehrerinnen und Lehrern angenommen? In welchem Ausmaß besteht die Bereitschaft, sich in diesem Bereich fortzubilden und sich auf die neuen Herausforderungen einzustellen? Wo ist hier noch Verbesserungsbedarf?

Wir alle wissen: Je heterogener die Lerngruppe wird, desto eher müssen wir weg von dem teilweise noch vorherrschenden Frontalunterricht, desto eher müssen wir hin zu echtem individuellen Lernen für jeden einzelnen Schüler.

Uns ist völlig schleierhaft, wie gerade die Problematik der ausreichenden Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer, die eine Schlüsselfunktion für die erfolgreiche Umsetzung des Schulkonsenses hat, in einer Evaluierung desselben überhaupt nicht gewürdigt werden soll.

Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Menge Probleme und Schwierigkeiten, die nicht unmittelbar mit der Schulform zusammenhängen. Nach wie vor hängt der Bildungserfolg zu stark von der sozialen Herkunft ab. Weiterhin geht es um Unterfinanzierung, um Unterrichtsausfall, um zu große Klassen und um unbesetzte Schulleitungen.

Wir möchten daher anregen, gerade diese schon bekannten Probleme bei einer solchen Evaluierung zu berücksichtigen und möglicherweise sogar in den Fokus der Untersuchungen zu stellen. Es spricht nichts dagegen, nach neuen Problemen zu suchen; wir sollten darüber aber nicht die Probleme vergessen, die uns schon bekannt sind.

In der jetzigen Fassung scheint uns der vorliegende Antrag leider noch nicht ausgereift genug zu sein, um die weitere Umsetzung des Schulkonsenses wirklich voranzubringen. Wir schlagen daher eine Überarbeitung vor und wollen dabei offene Fragen berücksichtigt wissen. Einem entsprechend geänderten Antrag könnten wir zustimmen; einem bloßen Antrag zur Selbstbeweihräucherung allerdings nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Noch ein kurzer Satz zur CDU: Es gibt das Gerücht, dass ein Entschließungsantrag vorliegen soll. Einen solchen habe ich bisher nicht gesehen. Ich finde es unsäglich, dass wir über Dinge debattieren, die wir nicht vor uns auf dem Tisch liegen haben.

(Zurufe: Doch! Den gibt es! – Mehrere Abgeordnete von der CDU und von der FDP halten Blätter in die Höhe.)

Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

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