Plenarrede: Lukas Lamla zu ehrenamtlichen Rettungsdiensten

Mittwoch, 24. April 2013

 

TOP 14. Ehrenamtliche Strukturen nicht zerschlagen: Rettungsdienst in Nordrhein-Westfalen sichern!

Antrag der Fraktion der   CDU
Direkte Abstimmung
Unser Redner : Lukas Lamla
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung

Das Wortprotokoll zur Rede von Lukas Lamla:

Lukas Lamla (PIRATEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht so lange reden. Aber es ist trotzdem einiges an Textmaterial, das ich loswerden möchte. Das ist für mich als Rettungsdienstler ein sehr wichtiges Thema.

Ich fange am besten mit einem Zitat aus dem Antrag der CDU an. Dort steht: Ein bewährtes System zerschlägt man nicht.

Unter ITlern oder Piraten sagt man: Never touch a running system. Das ist ein bekannter Spruch. Aber was bedeutet das eigentlich? Dieses System, das wir kennen, ist ein Wechselspiel zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Strukturen. Und man muss sagen: Es funktioniert. Das Ehrenamt profitiert vom Hauptamt und umgekehrt. Dieses System ist seit Jahrzehnten gewachsen, und ich kenne es – wie gesagt – aus meiner Berufserfahrung ziemlich gut, übrigens von beiden Seiten.

Doch wir müssen ehrlich sein und berücksichtigen, dass sich bewährte Systeme auch einmal verwachsen und sich überholen können. Sie können sprichwörtlich verkrusten. Und verkrustete Systeme, starre Systeme, veraltete Systeme sind ein Einfallstor für Schädlinge. Im Bereich des Rettungsdienstes meine ich damit konkret Korruption, Bestechung und illegale Absprachen.

(Beifall von den PIRATEN)

Seien wir ehrlich: Viele von Ihnen sind in der Kommunalpolitik tätig. Geht dort alles mit rechten Dingen zu? – Ich glaube, Sie können die Augen davor nicht verschließen. In Gelsenkirchen ist erst kürzlich durch eine Ausschreibung ein jahrzehntelanges Monopol des Deutschen Roten Kreuzes aufgebrochen worden.

Die Einbindung von Ehrenamtlern in den Rettungsdienst ist für einen gewissen Standard und für eine Sicherheit notwendig. Ja, aber nicht in dem von der CDU geforderten Rahmen.

Meiner Auffassung nach kann im Rettungsdienstgesetz NRW eine Regelung eingeführt werden, durch die alle Dienstleister im Rettungsdienst, auch die privaten, dazu verpflichtet werden, Praktikantenstellen für Mitglieder von Katastrophenschutzeinheiten verbindlich zur Verfügung zu stellen. Es wäre für die ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen möglich, die gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildungsabschnitte zu absolvieren, ohne dass das Haupt- und Ehrenamt aus einer Hand stammen.

Denn was wir momentan haben, ist oft ein schamloser Missbrauch der Einsatzkräfte. Ehrenamtliche Rettungssanitäter und ‑assistenten besetzen unter dem Vorwand „Ausbildung an Wochenenden“ komplette Einsatzfahrzeuge des regulären Rettungsdienstes. Dafür bekommen sie zwischen 50 und 120 € Aufwandsentschädigung für eine 24-Stunden-Schicht. Man muss sich einmal vor Augen führen, was ein regulärer Rettungsassistent nach TVöD VII oder VIII mit Wochenendzuschlägen kosten würde. Das können Sie in den entsprechenden Tabellen selbst nachlesen.

Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen sind zudem strengen und schlechten Tarifverträgen unterworfen. Es sind im Vergleich zum TVöD deutlichere Abzüge zu verzeichnen. Das ist auf jeden Fall eindeutig sichtbar.

Eine der Privatanbieter hingegen schließen in ihren eigenen Haustarifverträgen deutlich mitarbeiterfreundlichere Verträge ab. Das sollte einmal gesagt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Anwendung des Tariftreuegesetzes ist hier zwingend notwendig, kann jedoch durch die Hilfsorganisationen durch eigene Flächenverträge umgangen werden. Das machen sie, und das ist Wahnsinn. Gleichzeitig sind die Mitarbeiter von Johanniter und Malteser dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfen und haben deutlich zurückgesetzte Arbeitsrechte. Denn der Zwang zur Kirchenmitgliedschaft, Kündigung bei Scheidung oder Homosexualität, das, meine Damen und Herren, kann es nicht sein. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall von den PIRATEN)

Natürlich fehlen bei vielen Privatanbietern Tarifverträge. Aber das kann man durch die verpflichtende Anwendung des Tariftreuegesetzes ausgleichen.

Abschließend möchte ich sagen, dass nicht alles schlecht ist, was neu ist. Lassen Sie uns mit den Hilfsorganisationen gemeinsam daran arbeiten, ihre Strukturen zu erneuern. Was wir brauchen, ist Transparenz im Vergabeverfahren. Das würde die verkrusteten Strukturen aufbrechen. Profitieren würden davon die Mitarbeiter.

Der Ansatz der CDU-Fraktion, hier zu sagen, wir führen eine Bereichsausnahme ein und alles bleibt so, wie es ist, ist viel zu kurz gedacht. Ich habe daher meiner Fraktion empfohlen, diesen Antrag abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Lamla. – Frau Ministerin Steffens steht schon am Pult und hat jetzt das Wort.

Veröffentlicht unter Arbeit, Gesundheit, Soziales (A01), Reden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*

*