Plenarrede: Oliver Bayer zu bedrohter Schienenproduktion in Duisburg

Donnerstag, 28.02.2013

TOP 5. Schienenproduktion in Duisburg erhalten – Landtag Nordrhein-Westfalen erklärt Solidarität mit den Beschäftigten der TSTG Schienen Technik GmbH & Co. KG Duisburg

Antrag der Fraktionen SPD, CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und PIRATEN, Drucksache 16/2132

Unser Redner: Oliver Bayer

Audiomitschnitt der Rede von Oliver Bayer

Videomitschnitt der Rede von Oliver Bayer

Das Wortprotokoll zur Rede von Oliver Bayer:

 

Oliver Bayer (PIRATEN): Besten Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin es noch einmal. – Verehrte TSTG’ler, hier und später auf YouTube. Bis auf die kleinen Kabbeleien, wer jetzt zuerst darauf kam, waren das doch sehr schöne Redebeiträge und gute Argumente. Soweit sind wir uns einig. Ich bin noch darauf gespannt, ob Herr Ellerbrock auch auf diese Rede gleich noch eingehen wird. Als Vorsitzender des Duisburger FDP-Kreisverbandes wollen Sie sich sicher generell darauf konzentrieren, Sparvorschläge durchzusetzen. Sie sagten: Wir müssen versuchen, mit den Finanzen auszukommen. – Das ist auch löblich; aber an der falschen Stelle zu sparen, kann auch sehr teuer werden, insbesondere wenn Duisburger Arbeitsplätze verlorengehen.

Als Verkehrspolitiker sehe ich noch weitere Probleme, die durch eine Schließung der Schienenwerke in Duisburg verursacht werden. Ausgangslage ist ein derzeitiges Überangebot an Schienen. Die Preise fallen. Im Kurzfristdenken des Marktes mag eine Marktbereinigung sinnvoll sein; Arbeitnehmer, Steuerzahler und Bahnfahrer hingegen müssen langfristig Nachteile befürchten.

So reden wir hier nicht nur über die Versorgungssicherheit für den ICE- und Intercityfernverkehr, sondern auch über die Schienen für den Nahverkehr. Sie wissen ja, Nahverkehr ist Daseinsvorsorge. Das heißt, dass eine Versorgung der Bevölkerung als wichtiger angesehen wird als reine Profitabilität.

Deshalb müssen wir hier diskutieren, wie die langfristigen Auswirkungen sind, wenn wir das Schienenwerk verlieren. Müssten unsere Kommunen und die Bahn, also auch der Bund, schlimmstenfalls dauerhaft mehr bezahlen, um Schienenstrecken zu modernisieren oder neu zu bauen? Ich sage Ja. Dabei müssten wir doch alle dafür sorgen, dass die Einkaufspreise durch Monopole oder illegale Preisabsprachen nicht in astronomische Höhen steigen. Jetzt reden wir hier nicht über die Interessen eines Konzerns, sondern auch über öffentliches Interesse. Die Auftraggeber, Deutsche Bahn und Verkehrsbetriebe, zahlen mit öffentlichem Geld; also eignet sich das Thema überhaupt nicht für eine marktliberale Positionierung.

Zu Herrn Brockes gleich: Leider berücksichtigt Ihr Entschließungsantrag das übergeordnete öffentliche Interesse überhaupt nicht. Leider giftet dieser Entschließungsantrag demgegenüber gegen das Klimaschutzgesetz. Manche vergleichen die Situation mit Opel 2009. Damals sollten keine öffentlichen Gelder fließen, und der Bürger in diesem Land hat kein Recht auf ein öffentlich subventioniertes Auto. Aber er hat ein Recht auf Mobilität. Ein Recht auf Mobilität ist ohne Schienen nichts wert. Die öffentliche Hand braucht die Schienen.

Hier in NRW haben wir den Stahl. Den Stahl hier zu verarbeiten und direkt zu den zukünftigen Baustellen der Betuwe-Linie oder des Eisernen Rheins auf kurzem Wege zu transportieren, ist eindeutig der bessere und auch der effektivere Weg. Welchen Sinn macht es, den Stahl aus NRW oder vielleicht auch eher anderswoher nach Polen oder nach Österreich zu liefern und dort zu Schienen zu verwandeln, um diese dann wieder teuer zurück ins Ruhrgebiet zu schicken? Dezentrale Märkte und Cluster sind der bessere Weg. Daher sollten wir mit aller Kraft in die TSTG investieren.

Zu der Debatte gehört aber auch die lückenlose Aufklärung der illegalen Preisabsprachen. Ein Blick in den Bundestag zeigt, dass die Verantwortung auch auf anderen Schultern liegt. Ich verfolge dazu die aktuelle Kleine Anfrage der Grünen. Sollte die Antwort unbefriedigend sein, brauchen wir aus meiner Sicht im Bundestag endlich den Untersuchungsausschuss zu den illegalen Preisabsprachen.

Außerdem sollte sich die Deutsche Bahn nochmals genauer mit dem zivilrechtlichen Kauf des Werkes beschäftigen. Zur Deutschen Bahn gehören die Wittener Weichenwerke, die erfolgreich betrieben werden. Ein pauschales „Kein Interesse“ der Deutschen Bahn reicht mir nicht, vor allen Dingen, solange die Verquickungen zwischen Deutscher Bahn und voestalpine nicht aufgedeckt sind.

Natürlich muss die betriebswirtschaftliche Rentabilität eine zentrale Rolle spielen. Aber die Langfristperspektive darf nicht vergessen werden. Um diese zu sichern, bin ich durchaus bereit, noch weitere Schritte über die heutige symbolische Erklärung hinaus zu gehen, wie wir es eben auch von meinen Vorrednern gehört haben. Oder anders gesagt: Mal eben Solidarität erklären und Feierabend machen, das machen wir nicht. Lassen Sie uns also in den nächsten Monaten gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Bei der Anwesenheit von Abgeordneten und Ministern auf der Wiese vor dem Landtag kann man ja großes Interesse erkennen, und dann kann auch die Rettung funktionieren. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer.

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Veröffentlicht unter Bauen, Wohnen und Verkehr (A02), Reden

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