Plenarrede: Sommer zu Elternassistenz für gehörlose Eltern

Plenarsitzung 19, 14. Dezember 2012

Elternassistenz für gehörlose Eltern durch Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/1617

Mitschnitt der Rede von Torsten Sommer

Redeprotokoll:

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! So wie Sie, liebe Kollegen, und wie auch ich fühlen sich gehörlose Menschen regelmäßig in unserer Gesellschaft. Man weiß erst mal nicht: Was hat derjenige jetzt gesagt? Was ist da passiert? Das ist schade. Denn die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hängt zu großen Teilen von der Kommunikation ab, sei sie verbal oder wie bei Menschen mit Fehl- und Schwerhörigkeit nonverbal.

Viele hörbehinderte Menschen, die auf die Kommunikation in der Gebärdensprache angewiesen sind, haben hörende Kinder. Die Eltern neigen dazu, ihre Kinder in Alltagssituationen als Familiendolmetscher einzusetzen, so zum Beispiel beim Einkauf, bei Behördengängen, beim Fernsehen, beim Telefonieren sowie bei den Elterngesprächen in Schule und Kindergarten. Diese Möglichkeit der Kommunikationshilfe wird von den Eltern dann genutzt, wenn aus Kostengründen nicht rechtzeitig ein Dolmetscher zu einem Gesprächstermin bestellt wurde.

Hier wird hörbehinderten Eltern die Möglichkeit, ihre grundrechtlich geschützten Rechte als Eltern auszuüben, extrem erschwert. Wie kann es sein, dass in diesem unserem Land die Eltern nach § 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit § 2 …

Ist Herr Alda noch da? – Nein, sehe ich nicht, schade.

(Zuruf: Doch!)

– Ah, danke schön.

… der Kommunikationshilfeverordnung Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ein Recht auf Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers haben – an dieser Stelle vielen Dank an Julia Probst, die mich per Twitter daran erinnern ließ, dass es „Gebärdensprachdolmetscher“ heißt und nicht „Gebärdendolmetscher“, wie er volkstümlich genannt wird, leider auch im Antrag der CDU –, dies aber beispielsweise für Veranstaltungen wie Elternabende und allgemeine Informationsabende in Schulen und Kindergärten nicht gilt?

Wie ist das mit der Intention des Aktionsplans der Landesregierung „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ zu vereinbaren? – Gar nicht, steht zu befürchten. Missstände, die durch die Kommunikationshilfeverordnung Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2004, übrigens unterzeichnet vom damaligen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück sowie der damaligen Gesundheitsministerin Birgit Fischer, entstanden sind, wurden im Evaluationsbericht der Landesregierung vom 24. September 2008 nicht einmal thematisiert. Erst durch Einreichung diverser Petitionen wurden die gesamten Missstände der Kommunikationshilfeverordnung deutlich.

Die aktuelle Situation grenzt an einen Skandal, da sich die Landesregierung in den letzten beiden Jahren außerstande sah, diesen unhaltbaren Zustand abzustellen. Selbst der Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen hat schon vor über einem Jahr festgestellt – ich zitiere; mit Verlaub –, dass derzeit keine für hörgeschädigte Eltern befriedigende und vor allem verlässliche gesetzliche Regelung besteht.

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt in seiner letzten Sitzung fraktionsübergreifend fest, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Das war zumindest mein Eindruck.

Sehr geehrte Damen und Herren, in Anbetracht des eben geschilderten Prozesses stellt sich hier die Landesregierung ein Armutszeugnis aus. Nach wie vor besteht kein gesetzlicher Anspruch auf die Übernahme von Gebärdensprachdolmetschern, wenn es sich nicht um die Wahrnehmung der eigenen Rechte der Verwaltung gegenüber handelt.

Hier ist die Landesregierung gefordert, sofort die angekündigten Maßnahmen des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ umzusetzen und unbürokratisch Übergangsregeln für den betroffenen Personenkreis zu schaffen

(Beifall von den PIRATEN)

– ich wiederhole das kurz für den Stream: Beifall leider nur von der Piratenfraktion –, damit gehörlose Eltern ihrem Erziehungsauftrag uneingeschränkt nachkommen können.

Damit deutlich wird, wie die Hilfebegehren derzeit beschieden werden, zitiere ich – mit Verlaub – aus einem dieser ablehnenden Bescheide:

Die Veranstaltungen sind kein Bestandteil der Tätigkeit des Landkreises, und ihre Durchführung dient auch nicht der Vorbereitung oder dem Erlass von Verwaltungsakten. Vielmehr stellen sie Informationsangebote der von ihnen zur Betreuung ihres Kindes gewählten privaten Elterninitiative dar. Ihre Teilnahme daran ist ein rein privat-rechtlicher und kein öffentlich-rechtlicher Vorgang.

Es darf in dieser Gesellschaft nicht sein, dass Eltern mit solchen Argumenten abgespeist werden. Da wir hier noch erheblichen Verbesserungsbedarf sehen, stimmen wir zur Nachbesserung der Überweisung in den Ausschuss natürlich zu.

An dieser Stelle möchte ich auch noch anregen, dass zukünftig alle Plenarsitzungen durch einen Gebärdensprachdolmetscher begleitet werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung erteile ich nun in Vertretung für Herrn Minister Schneider Herrn Minister Groschek das Wort.

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