Plenarrede: Pieper zur Schließung der Opelwerke in Bochum

Plenarsitzung 18, 13. Dezember 2012

Aktuelle Stunde
Betriebsbedingte Kündigungen bei Opel in Bochum verhindern!

auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/1667

Mitschnitt der Rede von Monika Pieper

Redeprotokoll:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Ich stehe hier heute in erster Linie als Bochumerin. Plötzlich und unerwartet steht Opel Bochum vor dem Aus. Wie konnte das passieren? Wer hätte das erwartet? Pressekonferenzen vor Ort, Krisensitzungen und jetzt hier die Aktuelle Stunde.

Als sich mein Sohn im Jahre 2005, im Jahr des Zukunftsplans, der die Existenz des Bochumer Werkes sichern sollte, im Rahmen seines Studiums um einen Ausbildungsplatz bei Opel bewarb, glaubte eigentlich schon niemand mehr daran, dass er diese Ausbildung dort noch beenden würde. Erst recht glaubte niemand mehr an eine Zukunftsperspektive des Bochumer Werkes.

Das Thema Schließung geistert jetzt seit mehr als zehn Jahren durch Bochum. Aber wir alle wissen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mit Parolen wie „Totgesagte leben länger“ hat man sich Mut gemacht und die Augen vor der Realität verschlossen. Heute sehen wir das Ergebnis des langen Zermürbungsprozesses.

Der US-amerikanische Mutterkonzern hat kontinuierlich aufgrund betriebswirtschaftlicher Berechnungen die Werke in Europa gegeneinander ausgespielt. Um das Ausmaß dieser Entwicklung zu verstehen, muss man verstehen, welche Bedeutung Opel für Bochum hat. Opel bedeutet für Bochumer Familien Tradition und Lebensphilosophie. Ein Opelaner zu sein, war und ist auch heute noch gleichbedeutend mit der Zugehörigkeit zu einer großen Familie. Auch deshalb war die Belegschaft immer wieder bereit, Einbußen hinzunehmen.

Mit dem Standort in Bochum sterben aber auch Stadtteile. Langendreer und auch Altenbochum haben von den Opelanern gelebt. Lebensmittelgeschäfte, Kneipen, Pommesbuden, der gesamte Handel basiert auf dem Opel-Werk. Jetzt stehen Belegschaft, Zulieferer und die Infrastruktur mehrerer Stadtteile vor dem Aus.

Für eine belastbare Zukunft des Standortes Bochum nach Opel, dessen absehbarer Tod auf Raten die Mitarbeiter nun umso härter trifft, hat sich keine der handelnden Parteien stark gemacht. Man hat zwar immer wieder mit GM verhandelt, aber niemand hat gleichzeitig einen Plan B entworfen. Hier wurde versäumt, spätestens nach der Schließung des Nokia-Werkes vor vier Jahren in eine zukunftsorientierte Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik zu investieren.

(Beifall von den PIRATEN)

So wurden die Chancen auf Schaffung eines fortschrittlichen Wirtschaftsstandortes vertan. Da nutzt auch der Gesundheitscampus nichts. Genauso wenig wie man die so genannten Schlecker-Frauen zu Erzieherinnen umschulen kann, wird man aus Opel-Facharbeitern Hebammen, Logopäden oder Physiotherapeuten machen.

(Beifall von den PIRATEN)

Den betroffenen Arbeitnehmern wurde eine Sicherheit vorgegaukelt, die es zu keiner Zeit gab. Die von den Arbeitnehmern gebrachten Opfer wie der Verzicht auf Lohn, Lohnerhöhung, Weihnachts- und Urlaubsgeld wurden mit falschen Versprechungen erkauft. Den Mitarbeitern kann man somit keinerlei Fehlerverhalten zur Last legen.

Vielmehr muss sich die Konzernleitung von GM hier in die Pflicht nehmen lassen, die weder ehrlich mit den Mitarbeitern umgegangen ist noch den Standort Bochum jemals als zukunftsfähigen Standort ausbauen wollte. Es war deutlich einfacher, auf Kosten der Arbeitnehmer amerikanische Managementazubis der Konzernmutter GM durch die deutschen Opel-Vorstände zu schleusen. Deren durchschnittliche Verweildauer von drei Jahren in den Unternehmen der Opel-Gruppe überzeugen nicht von einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Konzernpolitik.

(Beifall von den PIRATEN)

Fast jeder Bochumer hat Verwandte, Freunde oder Bekannte, die bei Opel arbeiten. Das ist bei mir ganz genauso. Ich habe in den letzten Tagen viele Gespräche und Telefonate geführt. Was erwarten die Mitarbeiter jetzt eigentlich von der Politik? – Neben der Forderung nach einer Übernahme der Verantwortung mit den entsprechenden Konsequenzen von GM wurde immer wieder die Forderung laut, die Arbeitsagentur in Bochum möge mit genügend Mitteln ausgestattet werden, um wirklich qualitativ hochwertige zukunftsfähige Umschulungen zu garantieren.

50 Jahre Opel Bochum – eigentlich wäre dieses Jubiläum ein Grund zum Feiern, wenn es nicht auch gleichzeitig die Todesanzeige für den Standort wäre. Samstag sollte der Tag der offenen Tür auch ein Tag der Solidarität mit den Opelanern sein. Aber der Tag der offenen Tür im Bochumer Opel-Werk ist abgesagt worden, und, Herr Eiskirch, der Rat der Stadt Bochum – namentlich die SPD – hat das so mit entschieden.

(Beifall von den PIRATEN)

Dies ist bereits das zweite Mal, dass eine fertiggeplante Feier zum 50-jährigen Jubiläum abgesagt wurde. Bereits im Oktober war der Tag der offenen Tür geplant. Dieser wurde von der Geschäftsleitung aber kurzfristig zugunsten einer von mehreren Sonderschichten abgesagt. Es ist umso bemerkenswerter, dass Feiern wegen Sonderschichten abgesagt wurden, GM aber offensichtlich ab Januar 2013 Kurzarbeitergeld beantragen will. Das passt nicht zusammen. Kurzarbeitergeld ist für Firmen gedacht, die eine schwierige wirtschaftliche Lage überbrücken müssen und Mitarbeiter wieder in die Vollzeitbeschäftigung führen. Kurzarbeit dient nicht der Überführung in die Massenentlassung.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Werksleitung wollte auch als Zeichen gegenüber den Beschäftigten an der Veranstaltung festhalten. Opel ist und bleibt dem Standort Bochum verbunden. Doch die Voraussetzungen haben sich geändert. Die Veranstaltung würde einen gänzlich anderen Charakter bekommen und wurde abgesagt. Wovor hat man eigentlich Angst? Ist es wirklich die Sicherheit, die solche Sorgen macht, oder ist es nicht vielmehr die Sorge vor einer Solidaritätsbekundung, die auch GM nicht einfach ignorieren kann?

Wir sollten jetzt aber auch in die Zukunft schauen. Vor 50 Jahren gelang es, den Bergbaustandort in einen Industriestandort zu verwandeln. Warum sollte es jetzt nicht auch möglich sein, den Industriestandort in einen innovativen und zukunftsfähigen Technologiestandort umzubauen? Viel Zeit dazu bleibt allerdings nicht mehr, und es gelingt auch nur, wenn jetzt alle nach vorne schauen und nicht die Fehler der Vergangenheit beweinen. Denn klar ist auch: Alleine wird Bochum das nicht schaffen. In diesem Sinne: Glück auf, Bochum!

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Pieper. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Duin das Wort.

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