Plenarrede: Stein zum Haushalt 2013

Plenarsitzung 14, 28. November 2012

TOP 2. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)
Gesetzentwurf der Landesregierung

Mitschnitt der Rede von Robert Stein

Redeprotokoll:

Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Zuschauertribüne! Und natürlich auch: Liebe Menschen am Stream und vor den Bildschirmen! Ich möchte zuerst eine Vorbemerkung machen, und zwar auf Bitte meines Kollegen Kai Schmalenbach, der vorhin in der Aktuellen Stunde fälschlicherweise Herrn Markert als Zwischenrufer identifiziert hat. Herr Markert hat darum gebeten, dass es korrigiert werden sollte. Es war natürlich Herr Mostofizadeh.

Ich habe in meiner Rede während der letzten Plenarsitzungswoche von den „Scheuklappen“ gesprochen, die hier ziemlich viele in ihrer Eindimensionalität leider noch nicht abgelegt haben, obwohl ja selbst Sie, Herr Mostofizadeh, im „Unterausschuss Personal“ endlich erkannt haben – das muss ich wirklich lobend erwähnen –, dass das Land keine bzw. kaum Einnahmekompetenzen besitzt. Das waren Ihre Worte am Freitag. Das habe ich vorher von Ihnen leider noch nicht so gehört.

(Marc Herter [SPD]: Schauen Sie in den Koalitionsvertrag! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

Implizit geben Sie mir damit natürlich recht, dass wir die finanzielle Situation von Kommunen, Land und Bund ganzheitlich betrachten müssen. Ihre Einsicht an dieser Stelle freut mich sehr. Danke schön!

Gerade wenn es um die Finanzierung geht, dürfen wir eben nicht eindimensional – für uns gesprochen: nur auf die Landesebene – schauen, nein, wir müssen eine ganzheitliche, mehrdimensionale Betrachtungsweise wählen, wollen wir die gravierenden Probleme unserer Kommunen, die die Menschen hier im Lande – da oben auf der Tribüne sitzen ja einige – in der Folge jahrelanger verantwortungsloser Politik Ihrerseits höchstpersönlich jeden Tag spüren müssen, in den Griff bekommen.

(Beifall von den PIRATEN)

Unsere Forderung nach einer 1%igen Erhöhung der Verbundquote wurde hier im Hause von allen Parteien abgelehnt; Herr Schulz hat das in seiner Rede gerade schon dargelegt. Ich reagiere da entsprechend irritiert. Denn die Mehreinnahmen aus einem Sondereffekt des Länderfinanzausgleichs und die hohe globale Minderausgabe, die unsere Forderungen gut dreimal, vielleicht fast viermal hätten finanzieren können, wollen Sie ignorieren. Oder – das muss man ganz deutlich sagen – Sie wollen sie für die Rettung der Banken einsetzen. Ich betone es ganz deutlich: Sie retten Banken, wir wollen Kommunen retten!

(Beifall von den PIRATEN)

Sie, Herr Dr. Walter-Borjans, haben diese Milliarde für die WestLB im Rahmen der Eckpunktevereinbarung mangelhaft ausgehandelt, obwohl Ihnen eigentlich von Anfang an klar sein musste, dass das Eigenkapital für die Abwicklungsanstalt eher nicht ausreichen wird und folglich die Verluste der ursprünglichen WestLB in Zukunft sozialisiert werden müssen. Der kleine Mann ist es also, der auf Ihr Geheiß für den Wahnsinn der Banken zahlen soll. Ihre Wähler sind es, die durch Ihre Politik der Verlustsozialisierung geschröpft werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben es schon gehört – auch in den Medien ist darüber berichtet worden, und die Vögel zwitschern es von den Dächern –, dass etwa weitere 2,5 Milliarden € – „mindestens“, sage ich hier ganz bewusst – an zusätzlichen Kosten in den kommenden Jahren in dieser Angelegenheit anfallen werden. Ich frage allen Ernstes: Nennen Sie das eine verantwortungsvolle Politik?

Eine verantwortungsvolle Politik soll gerecht sein und Verantwortung vermitteln. Sie aber retten lediglich Ihre Banken. Wir wollen unsere Kommunen retten. Unsere Kommunen zu retten, bedeutet hier doch, Verantwortung zu tragen. Wir fordern verantwortliches Handeln mit guten Ergebnissen für die Bürger in NRW und nicht eine blinde Sozialisierung von Verlusten. Das ist Ihre Politik!

(Beifall von den PIRATEN)

Noch eins, Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans: Rund 100 Milliarden € wandern aus der WestLB in die Erste Abwicklungsanstalt. Jetzt wollen Sie uns weismachen, dass die davon betroffenen Papiere, die also keine Käufer gefunden haben, gar nicht so toxisch seien. Ich bitte Sie: Ein gesundes Produkt findet einen Käufer am Markt.

(Zuruf von der SPD)

– So ist das!

Das ist in diesem Fall nicht geschehen. Es ist also einfach nur unglaubwürdig, wenn Sie das behaupten. Leider wird das dicke Ende kommen und vom Steuerzahler zu tragen sein: im Rahmen Ihrer Politik – ich wiederhole es noch einmal – der Verlustsozialisierung.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie werden dann zurückblicken und Verantwortung für dieses Desaster übernehmen müssen. Sie werden es dann auch unseren Bürgern erklären müssen. Ich hoffe, Sie können dabei ruhig schlafen. Ich kann es bei dem Gedanken auf jeden Fall nicht.

Für die nachhaltige Finanzierung der Erhöhung der Verbundquote haben wir übrigens ganz klare und unmissverständliche Vorschläge gemacht, deren Auswirkungen nicht dauerhaft zulasten des Landeshaushalts gehen sollen. Umverteilungen alleine im Lande und auf Bundesebene mögen nicht ausreichen. Der Ruf nach Konnexität wird vielleicht nicht so erhört, wie wir es gerne hätten.

Deshalb müssen wir natürlich über die Einmaleffekte hinaus – die Herr Schulz aus unserer Fraktion schon erwähnt hat – über die Einführung einer Vermögensteuer und auch über die moderate Erhöhung der Körperschaftsteuer im Bund bei gleichzeitiger vernünftiger Beteiligung der Länder an diesen Steuern nachdenken.

Ich will nicht zusehen, wie Sie die durch die verantwortungslose Politik entstandene finanzielle Last in allen Bereichen auf das geschwächte Kreuz des schrumpfenden Mittelstandes abwälzen und verteilen. Wir dürfen nicht weiter an das Portemonnaie unserer wertzuschätzenden Mitmenschen mit geringen und mittleren Einkommen herangehen. Wir müssen Perspektiven geben.

Und das schaffen Sie nicht, indem Sie Verluste von Spekulationsgeschäften sozialisieren und im Rahmen des Stärkungspaktes – das geht auch an Herrn Jäger – dafür sorgen, dass die Grundsteuer B und damit die Kosten für Wohnen und Miete weiter steigen.

Verantwortung heißt hier, die Fehler der Politik der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung zu erkennen und zuzugeben: der Fehler, den Finanzmarkt entfesselt zu haben, der Fehler, den Kapitalgesellschaften im naiven Glauben, sie würden ihre Investitionstätigkeit in Deutschland erhöhen, Steuergeschenke im Bereich der Körperschaftsteuer gemacht zu haben. Das muss revidiert werden.

Es ist jetzt Ihre Verantwortung, diese Fehler nicht nur zu akzeptieren, nein, sie sogar einzugestehen, sondern sie, sofern das in naher Zukunft möglich sein wird, zu korrigieren. Sonst – das verspreche ich Ihnen – werden wir das alsbald für Sie tun können; darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Handlungsfähigkeit für unsere Kommunen ist notwendig. Das haben unabhängige Studien gezeigt, die Sie in Auftrag gegeben haben. Die Benchmark-Analyse sei dazu zu erwähnen; das Demografiegutachten von PricewaterhouseCoopers, aber auch andere Untersuchungen von Ernst & Young haben das allemal hinreichend aufgezeigt. Wir dürfen unsere Kommunen in NRW nicht alleine lassen. Wir wollen das nicht, und wir werden das auch nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Noch ein Verweis, und zwar auf das wirklich schlimme Beispiel Griechenlands: Ich habe höchste Hochachtung und viel Respekt vor den Menschen, die sich mit dieser – ich muss es leider so nennen – künstlich geschaffenen Hölle arrangieren und dennoch optimistisch nach vorne blicken. An diesem Beispiel Griechenlands sehen wir doch, wohin blindwütiges Sparen führt. Die medizinische Versorgung ist nicht umfassend gewährleistet, der Wirtschaftskreislauf bricht zusammen, Menschen verlieren ihre Arbeit, sie verlieren ihre Perspektive und auch ein Stück weit Lebensmut. Noch viel schlimmer als Konsequenz daraus ist: Menschen radikalisieren sich.

Wenn Sie unsere Gesellschaft nicht weiter spalten wollen, dann hören Sie um Himmels willen mit dieser rücksichtslosen Politik der Verlustsozialisierung auf! Die Kommunen brauchen mehr finanzielle Mittel für ihre wichtigen Aufgaben. Sie brauchen sie; daran führt kein Weg vorbei.

(Beifall von den PIRATEN – Lachen von der SPD)

Weil die elitäre Politik nicht einsichtig zu sein scheint, wäre es umso hilfreicher, die Menschen im Land zu fragen, was sie wollen, also die Bürger zu beteiligen. Dazu braucht es natürlich mehr als eine Landtagswahl, wie wir es hier schon aus den Reihen der SPD gehört haben. Da hieß es ja, die Landtagswahl sei Bürgerbeteiligung. Zumindest ist das im Unterausschuss „Personal“ von Ihrem Kollegen Kämmerling so geäußert worden.

(Marc Herter [SPD]: Das ist auch eine Form der Bürgerbeteiligung, ja!)

Dazu braucht es natürlich mehr. Dazu gehört zum Beispiel Transparenz im Haushalt, um den Menschen erklären zu können, worum es hier eigentlich geht und wie es um die finanzielle Situation im Land und in den Kommunen bestellt ist. Das ist ein erster Schritt. den wir benötigen. Wir haben hier übrigens auch schon ein Stück weit für Transparenz gesorgt. Wir haben es innerhalb von nur sieben Tagen nach Auftragsvergabe geschafft, den Entwurf des Landeshaushalts 2012 zu visualisieren. Das haben Sie in über zehn Jahren nicht geschafft; das möchte ich in aller Deutlichkeit betonen. Es ist für uns wirklich ein Kinderspiel gewesen, kein Hexenwerk. Innerhalb von sieben Tagen konnten wir den Haushalt visualisieren und Transparenz schaffen. Das haben Sie, wie gesagt, in zehn Jahren nicht geschafft.

Da frage ich mich allen Ernstes: Warum haben Sie das denn vorher nicht umsetzen können? Oder meinen Sie es mit der Transparenz gar nicht so ernst, wie Sie immer behaupten? Diese Fragen müssen Sie sich gefallen lassen!

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von der SPD)

Ich finde es auch schön, dass Sie, liebe Grüne – jetzt, nachdem Sie mit dem beschlossenen Atomausstieg Ihr Kernthema verloren haben –, so nach Transparenz rufen. Sie sind doch uralt; Bäume pflanzen wird die Welt nicht retten – das ist klar.

Dass Sie unsere Forderung, im Rahmen der Folgeentwicklungen des Klimaschutzes 20 Millionen € an die Kommunen zu verteilen, abschmettern, zeigt deutlich, wie unglaubwürdig Sie geworden sind. 20 Millionen € wären lediglich – passen Sie auf! –, gemessen am Haushaltsvolumen, etwa 1/3.000 des gesamten Haushaltsvolumens. Unsere Forderung in Höhe von 0,00033 % vom Haushalt für den Umweltschutz haben insbesondere auch Sie abgelehnt, obwohl wir selbst in dieser Höhe ausreichende Gegenfinanzierungsvorschläge eingebracht haben. Das kann man natürlich so machen. Aber Sie dürfen sich nicht wundern, wenn Ihre ehemaligen Stammwähler sich von Ihnen abwenden werden und dann möglicherweise Piraten wählen,

(Lautes Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

weil wir noch nicht den Bodenkontakt verloren haben, weil wir keine Machtpolitik machen,

(Beifall von den PIRATEN – Anhaltendes Lachen von der SPD)

weil wir nicht inhaltsleer von Verantwortung reden, sondern weil wir diejenigen sind, die die Menschen im Lande mitbestimmen lassen wollen und mitnehmen werden! Wir stehen für Bürgerbeteiligung auch in Haushaltsfragen!

(Beifall von den PIRATEN – Lachen von der SPD)

– Ja, Sie mögen das lustig finden. In zehn Monaten werden wir ja sehen, wie lustig das alles war. – Wir werden die Visualisierung des kommenden Haushalts, die Vergleichbarkeit und die Entwicklung des Landeshaushalts über die Jahre hinweg gerade im Hinblick auf die Thematik Bürgerhaushalt und Mitbestimmungsmöglichkeiten weiter vorantreiben. Wir stehen für Transparenz. Wir werden für Transparenz und echte Mitbestimmung kämpfen. Und wir zeigen den Bürgern, wo Sie nicht ausreichend verantwortliche Politik gestaltet haben.

Wir lehnen diesen Haushalt und das damit zusammenhängende GFG ab. – Danke sehr.

(Beifall von den PIRATEN)

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