Plenarsitzung 13 vom 9. November 2012
Lukas Lamla zu Top 6: PCB-Belastung in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Kitas und Sporthallen
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/1257
Redeprotokoll:
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucher auf den Tribünen und zu Hause! PCB – das sind chemische Verbindungen, die dermaßen gesundheitsschädlich sind, ja sogar hochgradig krebserregend, dass sie im Jahre 2011 durch die Stockholmer Konvention weltweit verboten worden sind.
In einer Veröffentlichung mit dem Titel „PCB in öffentlichen Gebäuden“ des Landesamtes für Gesundheit und Arbeitssicherheit des Landes Schleswig-Holstein heißt es:
„PCBs wurden in den sechziger und frühen siebziger Jahren in vielfältiger Weise beim Gebäudeneubau, beim Umbau und bei Sanierungen in Fugendichtungsmassen, Brandschutzanstrichen, Deckenplatten sowie in Elektrogeräten (Kondensatoren und Transformatoren) verwendet.“
Schon eine kurze Recherche offenbart: Seit Jahren werden immer wieder Schulen und Kindertagesstätten in NRW saniert und geschlossen, weil nach Untersuchungen zutage kommt, dass diese Gebäude hochgradig PCB-verseucht sind. Ein paar Beispiele: Dülmen, Grevenbroich, Euskirchen, Haan, Dortmund, Wermelskirchen, Bochum, Köln und zu guter Letzt Neuss und heute ganz tagesaktuell Kaarst.
Besonders gravierend: Die PCB-Belastungen wurden in diesen Einrichtungen meist erst dadurch aufgedeckt, weil besorgte Eltern oder Lehrer selbst Geld in die Hand genommen haben, um eine Messung zu veranlassen. Von öffentlicher Hand veranlasste Messungen werden hingegen jahrelang unter Verschluss gehalten. Erst durch massiven Druck von Eltern, Gewerkschaften, Lehrkräften und Medien und im Neusser Fall zu guter Letzt von der SPD-Stadtratsfraktion unter Leitung des Kollegen Breuer – schade, dass er gerade nicht da ist – wurden diese Messergebnisse veröffentlicht. Erst dann werden diese Einrichtungen im gleichen Atemzug geschlossen. Wie war das noch einmal mit dem Grundrecht auf Informationsfreiheit?
Im Neusser Fall erleben wir ein weiteres Phänomen. Obwohl diese Schule vorher ordnungsgemäß saniert worden ist – das heißt, man hat dort die Fugen abgedichtet –, musste diese Schule in diesen Sommerferien geschlossen werden, weil die Sanierungsmaßnahmen scheinbar wirkungslos waren.
Natürlich werden vermutlich die nachfolgenden Redner sagen: Ja, die Gebäude gehören den Kommunen und sind keine Landessache. – Aber, sehr geehrte Frau Ministerin Löhrmann, die heute mit Abwesenheit glänzt:
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Sie hat sich heute abgemeldet!)
Sie haben fernab von irgendwelcher Parteipolitik die Verantwortung und die Sorgfaltspflicht für Tausende Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen in NRW, die sich täglich in große Gesundheitsgefahr begeben und sich dieser aussetzen. Bitte setzen Sie die Gesundheit Ihrer Lehrkräfte nicht in der Prioritätenliste hinter die Finanzen.
(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Bitte warten Sie alle nicht bis zum nächsten Wahlkampf. Bitte handeln Sie jetzt!
(Beifall von den PIRATEN)
Wenn wir uns vor Augen führen, dass vermutlich die meisten Gebäude in NRW, die zwischen 1960 und 1975 gebaut oder saniert worden sind, so stark mit PCB belastet sind, meine Damen und meine Herren, wird uns spätestens hier deutlich: Wir haben ein großes Problem.
Natürlich ist den Piraten bewusst, dass es einen enormen logistischen Aufwand bedeutet, Schüler und Schülerinnen umzuquartieren. Wir wissen auch, dass die entstehenden Kosten enorm sind, wenn in hunderten Schulen in NRW derartige Messungen stattfinden sollen. Von den Kosten einer möglichen Sanierung von Hunderten von Schulen will ich erst gar nicht sprechen. Aber nur, weil man über ein Problem nicht spricht, heißt es nicht, dass es nicht existiert. Dieses Problem kann und darf man einfach nicht weiter wegignorieren und aussitzen!
(Beifall von den PIRATEN)
Wir Piraten fordern hier feste Sanierungskonzepte. Wir brauchen zudem festgelegte Messverfahren unter Realbedingungen. Realbedingungen heißt für mich nicht, dass Tage vor der Messung Putzkolonnen durch die Räumlichkeiten wirbeln und Heizkörper und Wände abwischen, die vorher jahrelang von den Putzkolonnen keine Beachtung fanden. Es muss klare und nachvollziehbare Fristen geben, in denen die Messergebnisse veröffentlicht werden. Sonst könnte es passieren, dass Träger von öffentlichen Gebäuden und Liegenschaften, wie im Neusser Fall, monate- oder sogar jahrelang wie eine gluckende Henne auf den Messergebnissen sitzen und jeden wegpicken, der sich dieser Brutstätte nähert.
Das Thema „PCB“ steht nicht nur bei uns Piraten auf der Tagesordnung, sondern es beschäftigen sich auch andere Fraktionen damit, wie die Kleinen Anfragen von der Kollegin Schulze Föcking von der CDU oder vom Kollegen Dr. Orth von der FDP gezeigt haben. Bitte, meine Damen und Herren, lassen Sie uns endlich gemeinsam an einer vernünftigen Lösung arbeiten. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
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