Mittwoch, 20. März 2013
Wenn die Hochschulen ein bestimmtes Forschungsziel verfolgen, können wir nur erahnen, was für eine wissenschaftliche Erkenntnis wir daraus ziehen können. Es ist unsere ganzheitliche Aufgabe, Forschungsergebnisse immer wieder auf ihre Vereinbarkeit mit etwaigen ethischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zu überprüfen. Mit „unsere“ meine ich nicht uns Gesetzgeber, sondern uns Menschen.
Hierbei ist es für die Weiterentwicklung der Gesellschaft nötig, einen Dialog offen und transparent zu führen. Etwas grundsätzlich zu verbieten, bedeutet, sich einer Diskussion nicht stellen zu wollen.
Zivile und militärische Forschung klar voneinander zu trennen oder Dual Use zu berücksichtigen, ist für jede Hochschule, die eine Zivilklausel einführen möchte – es gibt auf dieser Ebene gute Gründe dafür, das haben wir gehört –, eine Herausforderung. Eine landesweite Regelung dagegen würde ein Bürokratiemonster schaffen.
Dass militärische Forschung zivilen Nutzen bringen kann – vom Internet einmal abgesehen –, hängt meist am entsprechend hohen Einsatz von Ressourcen. Wichtiger ist der umge-kehrte Fall. Uralte mathematische Ideen, Jahrhunderte gänzlich ohne praktischen Nutzen, fast jede Oberflächentechnologie, Informationstechnologie generell – eigentlich alles hat einen militärischen Nutzen.
Die Hochschulen in NRW sind nicht allein. Sobald es Forschungseinrichtungen gibt, die nicht mitmachen, greift die Zivilklausel als Instrument der nationalen Friedensbewegung nicht. Auch außerhalb der Hochschulen können Auftraggeber ihre Forschungsvorhaben fortsetzen. Die Militärforschung würde dann vollends in eine Welt der Geheimhaltungsverträge abgedrängt. Hochschulen dagegen sollten transparent und nachvollziehbar forschen und auch gerne im Rahmen des Verteidigungsauftrags.
So ist die Zivilklausel als landesweites Instrument praktisch ungeeignet und wäre vermutlich sogar kontraproduktiv. Sie gefährdet das, was sie zu reglementieren versucht: die Freiheit der Forschung.
Allerdings bedrohen auch Rüstungsunternehmen die Forschungsfreiheit, und zwar indem sie die Abhängigkeit der Hochschulen von Sponsoring und Drittmitteln nutzen, um Forschungsziele und die Wege der Wissenschaft zu diktieren.
Hier muss die Landesregierung, müssen wir aufpassen. Die Grundmittel für die Forschung der Hochschulen wurden gesenkt. Damit die Hochschulen weiterhin auf gleichem Niveau operieren können, sind sie stärker auf die Einnahmen durch externe Auftraggeber angewie-sen. Das ist das eigentliche Problem an den Hochschulen.
(Beifall von den PIRATEN)
Hier ist die Forschungsfreiheit bedroht durch starke finanzielle Abhängigkeiten von Unter-nehmen aller Art, die Forschungsziele und -wege vorgeben und auch die für die Wissenschaft unbedingt notwendige Transparenz einschränken. Anstatt den Hochschulen Geld in Form von Grundmitteln in die Hand zu geben, werden sie durch leistungsorientierte Mittelvergabe fehlgesteuert. Geben Sie den Hochschulen eine echte Möglichkeit, bei Bedarf „Rüstungsforschung – nein, danke“ sagen zu können,
(Beifall von den PIRATEN)
sich aus freien Stücken auch gegen Drittmittel entscheiden zu können. Geben Sie ihnen die nötigen Grundmittel. Wahl statt Sanktion!
Sie können noch etwas tun: Sorgen Sie hier, im Bund und in Europa dafür, dass die For-schungsfreiheit auch nicht durch öffentliche Forschungsprojekte mit zu engen Zielvorgaben eingeschränkt wird. Solange Forschungsprojekte wie INDECT mit Steuergeldern über das 7. Forschungsrahmenprogramm finanziert werden, brauchen wir, einschließlich der Univer-sität Wuppertal, nicht über eine landesweite Zivilklausel zu sprechen. Stoppt INDECT!
(Beifall von den PIRATEN)
Laut Antrag soll der Landtag als Legislative beschließen, dass etwas rechtlich nicht zulässig ist, weil es die im Grundgesetz garantierte Wissenschafts- und Forschungsfreiheit ein-schränkt. Das ist ein wenig kurios. Die Aufforderung an die Landesregierung, allen Bestrebungen zur Einschränkung der Forschungsfreiheit entgegenzutreten, ist jedoch richtig. Das gilt für die Zivilklausel genauso wie für die Drittmittelabhängigkeit, Fremdbestimmung durch Sponsoring, intransparente und fragwürdige öffentliche Forschungsprojekte.
Daher werde ich persönlich für den Antrag stimmen, andere werden ihn womöglich anders interpretieren. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Bayer.
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