Hanns-Jörg Rohwedder zur Zukunft der chemischen Industrie im Hinblick auf Nachhaltigkeit

Donnerstag, 30. April 2015

 

Top 7. Abschlussberich der Enquetekommission „Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige   Rohstoffbasen, Produkte und Produktionsverfahren“

Bericht durch Vorsitzenden: 20 Min.

Abschlussbericht der Enquetekommission II
gemäß § 61 Absatz 3 der Geschäftsordnung
Drucksache 16/8500

zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vom 4. Dezember 2012
Drucksache 16/1630
MdL Hanns-Jörg Rohwedder | Foto Tobias M. EckrichUnser Redner: Hanns-Jörg Rohwedder
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Protokoll der Rede von Hanns-Jörg Rohwedder

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich möchte mit einigen persönlichen Bemerkungen beginnen. Für mich ist das die erste Enquetekommission, und ich kam erst auf den letzten Metern dazu. Mir war aber bekannt, dass diese Enquetekommission von Anfang an ungewöhnlich konzipiert war mit dem Anspruch, konsensual-wissenschaftlich und nicht streitlustig-parteipolitisch zu arbeiten. Ein gemeinsames Votum ohne Minderheits- und Mehrheitsvoten war das Ziel. Es ist gelungen, dies von Anfang bis Ende durchzuhalten, was auf Bundes- wie Länderebene ganz ungewöhnlich ist. Ich finde das beachtlich und möchte mich ausdrücklich bei allen Beteiligten dafür bedanken.

Ich selbst bin dankbar dafür, dass ich, wenn auch nur für kurze Zeit, ein kleines bisschen dazu beitragen durfte. Den Hauptteil für unsere Fraktion leistete Kai Schmalenbach, der dann erkrankte und dem ich auch von hier aus im Namen aller die besten Genesungswünsche übermitteln möchte.

(Beifall von allen Fraktionen)

Ich fahre nun mit einem Zitat fort:

„Nachhaltigkeit muß zur Chefsache werden und im Mittelpunkt der Bemühungen des Staates stehen. Eine ökologische Finanzreform muß ebenso angegangen werden wie die Förderung sozialverträglicher Innovationen. Neben der Nabelschau ist aber auch der Blick auf das globale Geschehen wichtig. Von einer Weltumweltorganisation, ausgestattet mit der notwendigen Kompetenz, könnten hier entscheidende Impulse erwartet werden.

Letztlich muß das Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft weit oben auf die Agenda gesetzt werden, damit der Prozeß der Globalisierung mehr Chancen als Risiken bietet. Auch wenn wir nur eine ungenaue Vorstellung davon haben, wie das Ziel „nachhaltige Gesellschaft“ aussieht, können wir doch Schritt für Schritt einen Richtungswechsel vollziehen und die Weichen in Richtung Nachhaltigkeit stellen.“

Diese Worte schrieb das Bundestagsmitglied Marion Caspers-Merk von der SPD als Vorsitzende an das Ende ihres Vorwortes zum Bericht der Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“. Dieser Bericht erschien am 26. Juni 1998 vor 17 Jahren. Helmut Kohl war noch Bundeskanzler.

Es war ein guter Bericht mit klaren Empfehlungen, wie Nachhaltigkeit zu erreichen ist. Wir sehen also: Wenn man Enquetekommissionen mit klugen Menschen besetzt, ergeben sich gute Berichte mit wertvollen und brauchbaren Empfehlungen. Was dann aus den Empfehlungen gemacht wird, bestimmen aber andere, nicht unbedingt ebenso kluge Menschen. Am 27. Oktober 1998 wurde Gerhard Schröder Bundeskanzler. Er stellte die Wirtschaft in den Mittelpunkt seiner Politik und war den nicht nachhaltigen Ideologien des Neokonservatismus und Sozialdarwinismus verpflichtet.

(Hendrik Wüst [CDU]: Himmel, Himmel!)

Das einzig Nachhaltige dieser Politik war ein nachhaltiges Ignorieren der Nachhaltigkeitsempfehlungen.

Dennoch: Das Wort „Nachhaltigkeit“ ist angekommen. Auch in dem von uns heute vorgestellten Abschlussbericht unserer Enquetekommission findet es sich ausreichend häufig. Wir können also zufrieden sein. Enquetekommissionen wirken nachhaltig auch unsere.

(Beifall von den PIRATEN und Hans Christian Markert [GRÜNE])

Im Sinne der Nachhaltigkeits-Enquete des Deutschen Bundestages haben wir gearbeitet und Ergebnisse vorgelegt. Das ist gut so; denn auch für den vorliegenden Bericht haben die Fraktionen kluge Menschen bestellt, Experten hinzugezogen und Gutachten beauftragt. Außerdem stecken nicht unerhebliche finanzielle Mittel darin. Der Steuerzahler hat also ein Recht darauf, dass nun auch weiterhin klug mit den Ergebnissen verfahren wird. Die Bürger dürfen eine bessere und schnellere Umsetzung erwarten, als es bei den Empfehlungen der Bundestags-Enquete zur Nachhaltigkeit der Fall war.

Die Handlungsempfehlungen beschreiben also wissenschaftlich und konsensual, was technisch möglich ist. Durch die sachlichen, fast lakonischen und wertungsfreien Formulierungen ließ sich Einigkeit erreichen. Der Streit beginnt jetzt auf anderen Ebenen, außerhalb der rein technisch-wissenschaftlichen fachlichen Diskussion unter bisher ausgeklammerten Aspekten, die nun relevant werden: betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche, ökologische, politische, gesamtgesellschaftliche.

Nicht alles, was wertungsfrei als technisch machbare Handlungsempfehlung beschrieben ist, ist auch sinnvoll oder erwünscht, egal ob unter einem der jetzt hinzukommenden Aspekte oder unter allen. Es geht um Ressourcennutzung, Effizienz, Suffizienz und Kreislaufwirtschaft der Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft, wie der Kommissionsvorsitzende Herr Markert das vorhin schon in seiner Einleitungsrede so zutreffend beschrieb.

Wir haben schon letzte Woche die ersten medialen Fehlinterpretationen erleben müssen, noch vor der Vorstellung unserer Ergebnisse an diesem Montag. In dieser Woche folgten dann weitere von landespolitischer Seite. Es wird so weitergehen mit gezielten Fehlinterpretationen wider besseres Wissen durch Menschen, die eine bestimmte Agenda verfolgen. Werden auch jetzt wieder andere Menschen nicht unbedingt ebenso klug wie die Kommissionsexperten bestimmen, was aus den Empfehlungen gemacht wird? Nein! Das hat die Kommission, das haben ihre Ergebnisse nicht verdient. Es lohnt sich, da gegenzusteuern.

Für die Piraten stelle ich eindeutig fest, dass wir weiter an unserer Forderung nach einem Komplettverbot für Fracking nach fossilen Brennstoffen festhalten. Der Versuch, aus den Ergebnissen der Kommission abzuleiten, Fracking sei jetzt eine Option, ist eine gezielte Fehlinterpretation wider besseres Wissen durch Menschen, die platt und stumpf ihre kurzsichtige Agenda verfolgen.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die Kommission hatte Fracking ausdrücklich ausgeklammert. Darauf hat der Kommissionsvorsitzende Markert eben nochmals hingewiesen. Die lakonisch beschriebene Tatsache, dass Braunkohleveredelung technisch machbar ist, bedeutet ebenfalls nicht, dass sie unter all den anderen Aspekten sinnvoll oder erwünscht wäre. Hier muss die gesamtgesellschaftliche Abwägung vorgenommen werden, auch unter Aspekten der Nachhaltigkeit, des Umweltschutzes, des Flächenverbrauchs, der Volkswirtschaft, der gesellschaftlichen Akzeptanz. Betriebswirtschaftlich rechnet sich das schon gar nicht. Und solange das so bleibt, müsste man entsprechend Geld nachschießen, damit sich überhaupt jemand findet, der das betreibt.

Aber Forschung und Entwicklung schreiten voran, und niemand weiß, was in 20 Jahren möglich und sinnvoll ist, ökologisch und nachhaltig betrachtet. Es ist schade, dass bei der Interpretation der Handlungsempfehlungen all dies bereits jetzt ausdrücklich betont werden muss. Wie gesagt, die Bürger erwarten zu Recht eine gute und schnelle Umsetzung unter ihrer politischen Beteiligung, durch eine vorausschauende Wirtschaft, eine weitsichtige Industrie und durch eine kluge und nachhaltige Landes- und Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen. Möge uns das gelingen! Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN Vereinzelt Beifall von der CDU)

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