Monika Pieper zur Stärkung der Qualität der Ganztagsschulen

Mittwoch, 03. Dezember 2014

 

Einzelplan 05 – Ministerium für Schule und Weiterbildung

Pädagogische Qualität der Offenen Ganztagsschule stärken und Angebote bedarfsgerecht ausbauen
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7408
Überweisung in den Schulausschuss
MdL Monika Pieper Foto A.KnipschildUnser Rednerin: Monika Pieper
Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Monika Pieper

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am „Tag der Erinnerung“ kann ich hier leider nicht teilnehmen. Das bringt uns auch nicht nach vorne.

Zunächst möchte ich etwas zum Haushaltsverfahren als solches sagen. Das ist schon sehr merkwürdig. Wir haben im Schulausschuss unsere Anträge auf den Tisch gelegt. Andere Anträge? Fehlanzeige. Das finde ich total untransparent. Ich weiß nicht, warum wir hier nicht über Anträge diskutieren können, sondern warum die in die dritte Lesung kommen und dann einfach abgestimmt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

So etwas Geheimnisvolles kann das doch nicht sein. Die Probleme bei der Schulsozialarbeit und im offenen Ganztag waren ja hinlänglich bekannt. Hier wurde auf unhaltbare Zustände hin geplant. Nun wird offensichtlich in letzter Sekunde dem Patienten mit so einer Wunde so ein kleines Pflaster aufgeklebt. Aber Hansaplast, meine Damen und Herren, wird unsere Probleme hier nicht lösen.

Frau Hendricks, Sie haben viel über Zahlen geredet, Frau Beer, Sie auch. Ich glaube, Zahlen miteinander zu jonglieren und zu vergleichen, das wird die Bildungsqualität nicht automatisch verbessern. Der Ausbau der schulischen Inklusion ist eine zentrale Herausforderung für alle Schulen im Land, für die Landesregierung, für uns alle. Ich glaube, alle Schulen engagieren sich da ganz enorm, und wir sind uns in dieser Sache einig, dass wir das tatkräftig unterstützen müssen.

Doch die Rahmenbedingungen stimmen einfach nicht. Frau Hendricks, Sie erwähnten das gerade. Die Zahl der Schüler und Schülerinnen, die jetzt an einer Regelschule unterrichtet werden, sagt meiner Meinung nach überhaupt nichts über den Stand der Inklusion aus. Die sagt nur: Die Schüler sind jetzt in dieser Schule. Nicht mehr und nicht weniger.

Obwohl eine zusätzliche personelle Ausstattung auch für die sonderpädagogische Förderung bei Lern- und Entwicklungsstörungen vorgesehen ist, nämlich 9.230 Stellen im Stellenbudget, reicht das offensichtlich nicht aus. Es kommen einfach nicht genug Sonderpädagogen an die allgemeine Schule, und wenn, dann auch nicht unbedingt an die Schulen, an denen sie am dringendsten gebraucht werden. So steigen Schulen ohne die notwendige Unterstützung in die Inklusion ein. In Bochum gibt es 42 Grundschulen, von denen an 29 jeweils ein Sonderpädagoge, wenn überhaupt, eine Halbtagsstelle hat. Das heißt, an 13 Schulen ist niemand unterstützend tätig. Da man dieses Problem nicht lösen kann, wird durch die Schulaufsichtsbehörde die notwendige zusätzliche personelle Ausstattung offensichtlich einfach wegdefiniert.

Frau Gebauer, Sie hatten veröffentlicht, was in Köln passiert ist. Die Bezirksregierung Köln stellt in einem Rundschreiben an die Schulträger fest, dass in den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache sowie Emotionale und Soziale Entwicklung eine zusätzliche sächliche oder personelle Ausstattung in der Regel gar nicht vonnöten sei. So kann keine angemessene Förderung aller Schülerinnen und Schüler gewährleistet werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn ich dann höre, dass Sonderpädagoginnen in der Inklusion als willkommene Vertretungsreserve missbraucht werden, dass Eltern den Platz an einer Förderschule einklagen müssen, dass gerade Grundschulkolleginnen und -kollegen nicht mehr wissen, wie sie allen Kindern gerecht werden können, da es keine Unterstützung an der Schule gibt, dann, Frau Löhrmann, sehe ich schwarz, und dann, Frau Löhrmann, sind Sie dafür verantwortlich. Mit klar definierten Rahmenbedingungen und einer Aufgabenbeschreibung der Sonderpädagogen in der Inklusion hätte nicht alles, aber vieles vermieden werden können.

Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, wo wir dringenden Handlungsbedarf sehen, und entsprechende Änderungsanträge gestellt. Ahlen, Bielefeld, Bonn, Duisburg, Düren, Herzogenrath, Köln, Kreis Lippe, Siegburg das sind nur einige Kommunen, aus denen wir die Nachricht erhalten haben, dass im offenen Ganztag wirklich Land unter ist. Die Eltern sorgen sich um die Betreuungszeiten und die Qualität der Angebote. Träger suchen händeringend qualifiziertes Personal und sorgen sich um einen wirtschaftlichen Betrieb. Kämmerer sehen sich gezwungen, Elternbeiträge zu erhöhen.

Letzte Woche kündigte das Schulministerium an, die Landesförderung für den offenen Ganztag zu erhöhen. Ein entsprechender Haushaltsänderungsantrag liegt heute leider noch nicht vor. Wir haben aus der Presse erfahren, dass es 2015 ein Plus von 3 % und ab 2016 ein jährliches Plus von 1,5 % geben soll. Das begrüßen wir ausdrücklich. Das wird allerdings nicht ausreichen, um die steigenden Kosten der Träger aufzufangen.

Allein um die letzte Tariferhöhung der Erzieherinnen und Erzieher umzusetzen, bräuchte es 95 € pro Platz und Jahr mehr; und die nächste Tarifrunde steht bereits vor der Tür. Das heißt, die offene Ganztagsschule in NRW braucht ein neues Fundament. Wir müssen Wege finden, die pädagogische Qualität des offenen Ganztags zu stärken und ihren Ausbau bedarfsgerecht weiterzuführen. Dabei müssen Inklusion und Integration berücksichtigt werden. Die offene Ganztagsschule ist ein wichtiger Förderort für alle Kinder. Deshalb haben wir den vorliegenden Antrag gestellt. Wir möchten in einer Anhörung gerne diese Problematik in allen Facetten beleuchten. Liebe Frau Gebauer, die Idee des beitragsfreien offenen Ganztags ist gar nicht unsere ureigene. Es ist eine Empfehlung der Bildungskonferenz, die gesagt hat, dass eigentlich das Land und nicht die Kommunen für den offenen Ganztag verantwortlich sein sollen.

(Beifall von den PIRATEN Eva Voigt-Küppers [SPD]: Darüber kann man ja reden, aber das ist nun einmal Gesetzeslage seit zehn Jahren!)

Auch zur Sicherung der schulischen Angebote für Zuwanderer, insbesondere in Vorbereitungsklassen, haben Sie Nachbesserungen angekündigt. Hierzu sollen das wissen wir auch aus der Presse 300 Lehrerstellen geschaffen werden. Diese Maßnahme ist richtig und findet ausdrücklich unsere Unterstützung auch das hat Frau Gebauer bereits gesagt , insbesondere, und das ist ganz wichtig, wenn eine Regelung gefunden wird, die es dann auch ermöglicht, die Lehrkräfte zeitnah und schnell an die entsprechenden Schulen zu bringen und wirklich dafür Sorge zu tragen, dass es zu keiner Zeitverzögerung kommt. Wir haben uns in den letzten Monaten hier im Landtag außerdem intensiv mit Digitalisierung und Bildung beschäftigt. Meine Damen und Herren, es erschreckt mich schon, dass keiner von Ihnen dieses Thema gerade in irgendeiner Form erwähnt hat.

(Beifall von den PIRATEN)

Das zeigt und das finde ich beschämend , welchen Stellenwert dieses Thema in der Bildung in NRW hat.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich schätze die Situation der Schulen aktuell wie folgt ein: Jahrelang wurden in Einzelinitiativen Leuchttürme gebaut. Jetzt entstehen kleine Inseln um die Leuchttürme herum, aber eine Strategie, um landesweit ein Mindestmaß an technischer Ausstattung an den Schulen zu gewährleisten, erkenne ich nicht.

Auch bei Angeboten wie dem Medienpass wird darauf gesetzt, dass die Schulen diese schon irgendwie umsetzen werden, ganz nach dem Motto: Das wird schon gut gehen. Ich bin sehr gespannt auf die Auswertung im nächsten Jahr, wenn wir erfahren werden, wie erfolgreich der Medienpass an den Schulen und vor allen Dingen in der Sekundarstufe I ist. Die ICILS-Studie stellt fest, dass in keinem anderen Teilnehmerland Computer im Unterricht seltener eingesetzt werden als in Deutschland. Vor diesem Hintergrund sind Zweifel berechtigt, dass auf diese Weise allen Schülerinnen und Schülern in erforderlichem Maße Medienkompetenz vermittelt werden kann.

Deshalb fordern wir, jetzt die Beratung der Schulen und die Lehrerfortbildung für den Unterricht mit Medien zu stärken. Dafür soll jedem Kompetenzteam, von denen wir in NRW 53 haben, eine weitere halbe Lehrerstelle zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus fordern wir, jetzt in die Förderung von Lernmitteln unter freien Lizenzen einzusteigen. Diese können Schulträger entlasten und Investitionen freimachen, die in die schulische IT-Infrastruktur gesteckt werden könnten. Vor allem aber sind sie flexibel und rechtssicher im Unterricht einsetzbar und können auf diese Weise individuelle Förderung und Inklusion tatsächlich wirksam unterstützen.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Das Potenzial von OER wird mehr und mehr erkannt. Deshalb stellt der Bund im Haushalt für das nächste Jahr 2 Millionen € zur Verfügung, um diese zu fördern. Ich glaube, es würde uns gut anstehen, wenn wir hier nicht zurückstehen, sondern mitmachen würden.

(Beifall von den PIRATEN)

Denn wir sind überzeugt, dass diese Vorteile nicht nur bei zusätzlichen Lernmaterialien genutzt werden sollten. Es müssen auch Lernmittel unter freier Lizenz bereitstehen, die einen längeren Unterrichtszeitraum strukturieren, wie zum Beispiel ein Schulbuch.

Wir stehen vor großen Herausforderungen im Bildungsbereich. Die Digitalisierung muss klug gestaltet werden, um Schule und Unterricht zu modernisieren. Die schulische Inklusion muss besser ausgestattet werden. Insgesamt muss noch viel mehr getan werden, um unsere Schulen in die Lage zu versetzen, wirklich allen Kindern gerecht zu werden. Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

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