Donnerstag 06. November 2014
Top 2. Chancen zur Profilierung eröffnen – Abschaffung von Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten rückgängig machen
Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6862
Unsere 1. Rednerin: Birgit Rydlewski
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Überweisung
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Protokoll der Rede von Birgit Rydlewski
Birgit Rydlewski (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die FDP die Wiedereinführung von Kopfnoten für Arbeits- und Sozialverhalten, also für Aspekte wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit oder auch Fragen des sozialen Umgangs mit Kolleginnen und Kollegen oder Kunden.
Schon seit ewigen Zeiten gehört es zum guten Ton, über die Umgangsformen der „Jugend von heute“ zu debattieren; bereits Sokrates wurden entsprechende Zitate zugeschrieben. Ich habe zehn Jahre lang Jugendliche mit ganz unterschiedlichem Hintergrund am Berufskolleg unterrichtet. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Ich teile derartige Sorgen nicht. Vielmehr bin ich der Auffassung, dass die Jugend von heute im Vergleich zu früheren Generationen sehr, wenn nicht sogar viel zu angepasst ist.
Selbst wenn man Ihre Sorgen teilt, sind Kopfnoten zur Beurteilung sozialen Verhaltens ein völlig untaugliches Mittel.
(Beifall von den PIRATEN und Sigrid Beer [GRÜNE])
Ich halte die Vergabe und Aussagekraft von Ziffernnoten in vielen Bereichen grundsätzlich für problematisch. Bei der Einstufung sozialen Handelns funktioniert eine Notengebung überhaupt nicht, weil Noten die riesige Bandbreite unterschiedlichen menschlichen Verhaltens in eine winzig kleine Anzahl von Schubladen pressen; im Fall reiner Ziffernnoten geschieht das zudem ohne jede weitere Erklärung.
Kopfnoten für soziales Verhalten sind im Ergebnis nichts anderes als ein Mittel, um Menschen in Bewerbungsverfahren leichter aussortieren zu können. Es ist aber nicht Aufgabe eines Bildungssystems, Unternehmen das Leben leicht zu machen.
(Beifall von den PIRATEN)
Bildung soll auch Bildung des Charakters bedeuten, und das bedeutet wiederum, abseits von Normen denken zu dürfen. Kopfnoten für soziales Verhalten sind nichts anderes als eine Normierung von Menschen und die Reduktion des Individuums in ihrer allerschlechtesten Form. Es ist übrigens fast schon tragisch, dass eine solche Forderung ausgerechnet von der ehemaligen Freiheitspartei kommt, die sich an dieser Stelle leider wieder einmal zum Büttel der Wirtschaft macht.
(Beifall von den PIRATEN)
Wenn es also in den von Ihnen genannten Betrieben wirklich das dringende Bedürfnis gibt, Menschen in Bereichen wie Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft oder gar sozialem Umgang zu bewerten, dann würde ich diesen Betrieben und den Kolleginnen und Kollegen von der FDP ganz dringend empfehlen, damit einmal bei der sogenannten Wirtschafts- und Führungselite anzufangen. Das allerdings dürfte großes Heulen und Zähneknirschen auslösen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich bin außerdem der Auffassung, dass insbesondere im Bereich von Schule und Bildung die Schülerinnen und Schüler und nicht die Interessen der Wirtschaft wer auch immer das im Einzelfall sein mag im Mittelpunkt stehen sollten. Ganz grundsätzlich ist eine Normierung sozialen Verhaltens das Letzte, was ich mir für diese Gesellschaft wünsche.
Ich bin trotzdem sehr gespannt auf die Diskussion im Ausschuss, gehe aber selbstverständlich davon aus, dass wir diesen Antrag ablehnen werden. Um es mit den Worten aus Sigrid Beers Beispiel zu sagen: Das Pferd ist nicht tot, es ist schon vergammelt. Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Rydlewski. Nun spricht Frau Ministerin Löhrmann für die Landesregierung.
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