Daniel Düngel zur Gefahrenanalyse von rechtsextremistischen Protesten

Mittwoch, 05. November 2014

 

Top 2. A k t u e l l e S t u n d e

Warum spiegelten sich die Kenntnisse des Verfassungsschutzes zur erwarteten Größe der rechten Demo in Köln nicht in einer angemessenen Gefahrenanalyse und einem entsprechenden Einsatzkonzept der Polizei wider?
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7211
in Verbindung damit
Innenminister Jäger verwickelt sich in Widersprüche: Neue Erkenntnisse zum Gewaltexzess von Köln
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7212
in Verbindung damit
Gefährlicher Entwicklung neuer Allianz von Hooligans und rechter Szene gegen Salafisten und Polizei entschlossen entgegentreten
Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7168
MdL Daniel Düngel | Foto Tobias M. EckrichUnsere Redner: Daniel Düngel

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Videomitschnitt der kompletten Debatte

Pressestatement
Protokoll der Rede von Daniel Düngel

Daniel Düngel (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Wortbeitrag damit beginnen, den Einsatzkräften zu danken, die am vorletzten Sonntag vor Ort in Köln waren. Besonders danke ich den vielen verletzten Einsatzkräften, die vor Ort waren. Ich wünsche Ihnen alles Gute und vollständige Genesung.

(Allgemeiner Beifall)

Bedanken möchte ich mich aber auch bei den vielen Antifaschistinnen und Antifaschisten, die am vorletzten Sonntag in Köln gegen die Nazi-Demo auf der Straße standen, die jeden Tag draußen unterwegs sind und versuchen, den braunen Mob aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.

(Beifall von den PIRATEN)

Am vorletzten Sonntag gelang dies allerdings nicht, weil sich dort ein rassistisches, gewaltbereites Bündnis gefunden hat, welches von Polizei und Verfassungsschutz massiv unterschätzt wurde. Ich selber war auf der Gegendemonstration in Köln und habe viele Eindrücke mitnehmen können. Ich versuche nun, diese Ihnen ein wenig zu schildern. Ich bin gegen 12:30 Uhr von Oberhausen aus mit dem Zug nach Köln angereist.

(Zuruf von der CDU: Dienstreise!)

Ja, das war eine Dienstreise, genau. Das werden Sie als CDU-Fraktion vermutlich nicht verstehen.

Ich gehe seit 1987 zum Fußball und behaupte, mich ziemlich gut in der Fußballszene auszukennen. Als ich um 12:30 Uhr am Oberhausener Hauptbahnhof eintraf, war ich relativ schockiert, weil dort schon zu diesem frühen Zeitpunkt eine Gruppe von 30, 40, vielleicht 50 Hooligans versammelt war und sich ebenfalls auf den Weg nach Köln machte.

Ich habe mir gedacht: Okay, gucken wir mal, was der weitere Tag so bringt. Ich saß dann im Regionalexpress und bin über Duisburg, Düsseldorf und Leverkusen nach Köln gefahren. Nirgendwo weder am Hauptbahnhof in Oberhausen noch im Zug noch in Duisburg, wo weitere 100, 150 Nazis in den Zug einstiegen, noch in Düsseldorf, wo weitere 60, 70, 80 Nazis in den Zug einstiegen , an keinem Standort war Polizei zu sehen. Ich war im vordersten Waggon dieses Zuges es war übrigens die zweite Klasse. Es waren glücklicherweise relativ wenige Nazis in diesem Waggon, vielleicht zehn bis 20. Ich habe dennoch gesehen, dass sehr viele Passanten, sehr viele Mitfahrer über die Rufe, die schon am frühen Morgen skandiert wurden, und darüber, was dort gesprochen wurde, geschockt waren. Das ging letzten Endes bis Köln so weiter.

In Köln angekommen, waren schon ungefähr 1.000 auf dem Versammlungsplatz. Mit den 400, 500, 600, die nachher aus dem Zug ausgestiegen sind, waren schon gut anderthalb Stunden vor Beginn der angemeldeten Demonstration ca. 1.500 Nazis in Köln versammelt. Nach wie vor wenig Polizeipräsenz! Am Bahngleis waren zwei Gruppen Polizisten mit ungefähr jeweils zehn Beamten, die diesen Ansturm zu bewältigen hatten.

Ich habe mir den Versammlungsort angeschaut, der mit Flatterband gekennzeichnet und eingezäunt war. So ein Flatterband das wissen wir alle hält „natürlich“ bei einer zu erwartenden gewaltbereiten Demonstrationsmasse einiges zurück. Ich kenne auch andere Demonstrationen. Gerade dann, wenn Antifaschisten aktiv sind, stehen dort direkt Hamburger Gitter. Es wird alles aufgefahren, was irgendwie möglich ist, am besten direkt sichtbar Wasserwerfer, damit die Stärke der Polizei auch von Anfang an zu sehen ist.

Es gab auf der friedlichen Gegendemonstration keinerlei Versuche, zur Nazi-Demo zu gelangen. Versuche andersherum gab es allein vier Stück, die ich verfolgen konnte, wo Nazis immer wieder ungehindert an die Gegendemonstration herangekommen sind, und zwar nicht in kleinen Gruppen mit fünf oder zehn Leuten, sondern in großen Gruppen, teilweise bis zu 100 Leute, die ungehindert durch den Kölner Hauptbahnhof ziehen konnten.

Jetzt haben wir diese Demonstration in Köln gehabt. Da treffen sich Hooligans. Von Hooligans ist eher weniger bekannt, dass sie zu einer Demonstration mit Glitter und Konfetti auftauchen und eine schöne, bunte Party machen. Hooligans sind gewaltbereit. Es war davon auszugehen, dass zu dieser Veranstaltung nicht nur 1.500 Menschen anreisen werden, sondern weitaus mehr. Informationen gab es zur Genüge.

Es gab genügend Vorwarnungen. Ich frage Sie, Herr Innenminister Jäger: Warum wurde auf diese Vorwarnungen nicht gehört? Es gab schon vor Monaten Vorwarnungen von der Bundeszentrale für politische Bildung. Es gab Vorwarnungen aus der gesamten Fußballszene, aus den Ultraszenen, aus den links aufgestellten Ultraszenen. Wir können über Aachen reden, wo es schon vor über einem Jahr viele rechtsextreme Vorfälle gegeben hat. Wir können über Braunschweig reden, wo linke Ultragruppen des Stadions verwiesen wurden und den Rechten viel Platz gemacht wurde.

Basis der Polizeieinschätzung sind offenbar die ZIS-Zahlen. Wir haben uns auch hier im Landtag schon über die ZIS unterhalten. Wir wissen spätestens seit dem vorletzten Sonntag sollten auch Sie, Herr Minister Jäger, das wissen : Diese Zahlen sind absoluter Murks. Die Experten haben uns schon seinerzeit recht gegeben. In der Datei „Gewalttäter Sport“ wird von ca. 90 rechtsmotivierten Hooligans der Kategorie C gesprochen. Das ist völliger Unsinn. Ich habe am Sonntag viereinhalbtausend in Köln gesehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Darüber hinaus frage ich Sie, Herr Minister Jäger: Warum waren offenbar die meisten szenekundigen Beamten nicht im Einsatz bzw. wurden nicht angefordert? Warum wurde mit denen nicht gesprochen? Wieso darf eine solche Veranstaltung mitten in Köln, am Kölner Hauptbahnhof, stattfinden? Wieso nicht irgendwo weit außerhalb, wenn sie denn schon stattfindet? Mit wie vielen Demonstranten klären Sie das bitte umfänglich wurde im Vorfeld wirklich gerechnet? Die Zahlen weichen ab. Der Lagebericht der Polizei wenige Tage zuvor spricht von 700 Demonstranten, die zu erwarten waren. Laut Pressekonferenz waren 4.000 zu erwarten. Ich frage Sie: Wie schätzt der Verfassungsschutz die Lage ein? Wie bewertet die Landesregierung die Lage …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Daniel Düngel (PIRATEN): Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

… sowohl im Vorfeld als auch jetzt in der Nachbetrachtung? Wofür brauchen wir einen Verfassungsschutz, wenn dieser seinen eigentlichen Aufgaben am Ende tatsächlich nicht nachkommt?

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Minister Jäger, es gibt viele Ansätze. Es gibt viele Programme wie zum Beispiel PFiFF von der Deutschen Fußball Liga, was initiiert wurde. Beteiligen wir uns als Land an solchen Maßnahmen. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gegen Rechtsextremismus gehen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Daniel Düngel (PIRATEN): Wir werden morgen einen weiteren Antrag von uns zu diesem Thema behandeln. Ich darf Sie jetzt schon bitten, dem Antrag morgen zuzustimmen. Ich darf Sie, Frau Ministerpräsidentin, bitten, sich dieser Sache persönlich anzunehmen. Es geht gegen Nazis, gegen den Rechtsextremismus. Das sollte uns alle, alle 237 Abgeordnete und das komplette Kabinett, etwas angehen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Laschet.

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Veröffentlicht unter Dirk Schatz, Innenausschuss (A09), Reden

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